Flicken macht glücklich
Reparieren verlangt Material- und Werkzeugkenntnis. Beides wird in der Ausstellung im Museum.BL vermittelt.
Bild: © MUSEUM.BL /Georgios Kefalas

Flicken macht glücklich

Das Museum.BL zeigt eine Ausstellung übers​ Reparieren

Erst seit dem Beginn der Konsumgesellschaft hat die Reparatur an Wert verloren. Warum wir dennoch reparieren sollten, zeigt die Ausstellung «Fix it. Vom Glück des Reparierens» in Liestal.

In unser­er Stube ste­ht ein braunes Sofa. Vor über zwanzig Jahren stand es auf dem Trot­toir unser­er Strasse. Gratis zum Mit­nehmen. Stilmäs­sig dürfte es aus den 1950er-Jahren stam­men. Mas­siv gebaut, aufwändig kon­stru­iert. Nun hat der braune Woll­stoff so viele Löch­er, dass der Sofaüber­wurf sie nicht mehr alle verdeck­en kann. Den Holzrah­men, der unter der Last unser­er fün­fköp­fi­gen Fam­i­lie gebrochen ist, haben wir bere­its flick­en müssen. Ist dies das Ende des braunen Sofas?

Dinge heil werden lassen

Antworten auf diese und ähn­liche Fra­gen gibt derzeit das Museum.BL in Liestal mit sein­er neuen Ausstel­lung «Fix it! Vom Glück des Repari­erens». Was Repari­eren mit Glück zu tun hat, davon erzählen in der Ausstel­lung die Teil­nehmenden ver­schieden­er Repair­cafés in Videobeiträ­gen. In den Repair­cafés küm­mern sich Ehre­namtliche ums Repari­eren. In eini­gen Cafés tun sie dies gemein­sam mit den Besitzerin­nen der defek­ten Dinge, damit diese in einem näch­sten Fall gle­ich selb­st Hand anle­gen kön­nen. Mit Fach­wis­sen, Mate­ri­alken­nt­nis­sen und Kreativ­ität tüfteln die Reparaturkundi­gen an Toast­ern, Bob­by­cars und Lieblings­blusen herum, bis die Dinge wieder heil sind. Das macht die Besitzer glück­lich und eben auch die Macherin­nen.

Schöpferin sein

Das Glück kommt mit der Selb­st­wirk­samkeit der Mach­er. Sich selb­st als jeman­den zu erleben, der durch das eigene Zutun einem Ding ein weit­eres Leben schenkt. Dieser schöpferische Akt macht Freude. Ausser­dem ler­nen Men­schen, die repari­eren, mit Frust umzuge­hen. Denn ein Defekt stellt den Erfind­ergeist immer wieder auf die Probe, und wer geduldig ist und find­ig, der kommt zu ein­er Lösung, Zufrieden­heit stellt sich ein und die Frus­tra­tionstol­er­anz wächst. Über die psy­chol­o­gis­chen Aspek­te des Repari­erens spricht der Psy­chologe und Buchau­tor Wolf­gang Schmid­bauer im let­zten Teil der Ausstel­lung.

Material- und Werkzeugkenntnisse schwinden

Im ersten Teil der Ausstel­lung geht es um die lange Kul­turgeschichte des Repari­erens. Ein Bruch in dieser Geschichte kam mit der Kon­sumge­sellschaft, als der Besitz von Din­gen bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht länger auss­chliesslich der Exis­ten­zsicherung diente, son­dern der Dingbe­sitz über Pres­tige, Indi­vid­u­al­ität oder Zuge­hörigkeit Auskun­ft gab. Nun kon­nten kaputte Sachen schnell gün­stig erset­zt wer­den. Sei­ther schwinden die Mate­r­i­al- und Werkzeugken­nt­nisse der Men­schen. Staunend ste­ht die Besucherin vor der Vit­rine mit geflick­tem Porzel­lan. Über der Bruch­stelle befind­en sich Haftk­lam­mern, die links und rechts von der Bruch­stelle in gebohrte Löch­er gesteckt wur­den. Es gab sog­ar einen Beruf, in dem sich der Beck­ibüez­er um das zer­schla­gene Porzel­lan küm­merte. Mit ihm sind weit­ere Berufe wie der des Schirm­flick­ers, des Ches­si­flick­ers, des Leim­sieders oder des Eis­sägers aus­gestor­ben, und damit ver­schwan­den auch das Wis­sen und das Handw­erk.

Selbst Hand anlegen

Das Schön­ste an der Ausstel­lung ist, dass die Besuchen­den selb­st repari­eren dür­fen. So gibt es am Ein­gang eine Rei­he defek­ter Objek­te – etwa einen Plas­tikkip­plad­er mit einem Riss, einen Stuhl mit einem wack­li­gen Bein – die von den Besuchen­den repari­ert wer­den sollen. Fol­gt man den far­bigen Lin­ien, die von den Objek­ten aus­ge­hen, führen sie zu einem Reparatur­platz, der mit ver­schiede­nen Mate­ri­alien und Werkzeu­gen für die Reparatur aus­ges­tat­tet ist. Wer sich noch nicht fit genug fühlt, um eine Reparatur selb­st in Angriff zu nehmen, find­et in der Ausstel­lung ver­schiedene Sta­tio­nen, an denen Grundtech­niken ver­mit­telt wer­den, etwa ein Gewinde schnei­den oder einen Knopf annähen. Wer auf Num­mer sich­er gehen will, besucht die Ausstel­lung am Nach­mit­tag: Ab 13 Uhr sind Flick­profis anwe­send und helfen mit.

Die Erhabenheit des Reparierens

Repara­turen seien ein Dauerthe­ma in einem Muse­um, sagt Ausstel­lungs­mach­er Pit Schmid, der selb­st eine grosse Lei­den­schaft für das Repari­eren hat. Die Objek­te in der Samm­lung müssen gepflegt und immer wieder in Stand geset­zt wer­den. Für den Ausstel­lungs­mach­er hat das Repari­eren etwas Erhabenes, weil die geglück­te Reparatur einem Ding ein neues Leben ermöglicht. Ausser­dem beschert es dem Besitzen­den eine Beziehung zum Objekt. Und nicht zulet­zt sei es immer ökol­o­gis­ch­er etwas zu repari­eren, als neu zu kaufen, sagt Pit Schmid.

Die Natur repariert auch

Auch die Tiere und Pflanzen machen uns immer wieder vor, dass Reparatur in der Natur ein zen­trales Pro­gramm ist: Die Spinne flickt ihr Netz, der Vogel sein Nest, Lia­nen heilen die Risse in ihrem Gewebe, und auch der men­schliche Kör­p­er heilt seine Wun­den selb­st.

Nach dem Muse­ums­be­such habe ich eine Pol­sterin gefun­den, die sich unser braunes Sofa angeschaut hat. Beein­druckt von der Fer­ti­gung des Möbels hat sie uns ermutigt, die Reparatur machen zu lassen. Sobald wir uns für einen Stoff entsch­ieden haben, bekommt das Sofa ein neues Kleid.

Repari­eren mit Nadel und ​Faden

Chris­tine Knopf bietet seit Mai 2024 einen Nähkurs an. Für die pen­sion­ierte Tex­tillehrerin ist Nähen eine grosse Lei­den­schaft und bietet ihr die Möglichkeit, etwas gegen die schädliche Fast­fash­ion zu unternehmen, die unge­braucht im Abfall, oder noch schlim­mer, auf Deponien lan­det.

Als Diakoniepro­jekt ver­anstal­tet sie in den Räum­lichkeit­en der katholis­chen Kirche Bad Zurzach alle zwei Wochen einen Nähkurs für Frauen und einen für Män­ner. Die Kurse richt­en sich an Men­schen mit knappem Bud­get, die durch das Sel­ber­ma­chen einen echt­en Mehrw­ert erhal­ten, erk­lärt die Kurslei­t­erin. Die Näh­maschi­nen und Stoffe sind in kurz­er Zeit durch Geld- und Sach­spenden zusam­mengekom­men. Die Seel­sorg­erin Bet­ti­na Kust­ner unter­stützt das Pro­jekt. Zum Glück helfen auch Frei­willige mit. Allerd­ings würde es noch ein paar mehr ver­tra­gen. «Dieses Engage­ment gibt kirchen­fer­nen Men­schen die Chance, Kirche zu erleben, indem sie sich für andere Men­schen ein­set­zen», sagt Chris­tine Knopf.

Das Glück des Repari­erens spürt auch sie und plädiert dafür, Ware von guter Qual­ität zu kaufen, damit die Hose oder das Sofakissen über­haupt repari­ert wer­den kön­nen. Begeis­tert erzählt sie vom Pro­jekt, das sie mit der Män­ner­gruppe gemacht hat. Gemein­sam haben sie aus kaput­ten Jeans Schürzen zum Gril­lieren hergestellt. Zehn haben sie schon beisam­men, nochmal so viele und sie sind bere­it für einen Bazar, an dem die Unikate verkauft wer­den sollen.

Das Nähatel­li­er für Män­ner von Chris­tine Knopf in den Räu­men der Kirche Bad Zurzach © zVg
Eva Meienberg
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