«Hört auf mich, hört gut zu!»

«Hört auf mich, hört gut zu!»

Jesa­ja 49, 1–6Hört auf mich, ihr Inseln, hört gut zu, ihr Völk­er in der Ferne! Gott hat mich berufen von Mut­ter­leib an, gedachte meines Namens, als ich noch im Leib mein­er Mut­ter war. Gott hat meinen Mund wie ein schar­fes Schw­ert gemacht, mich im Schat­ten der Gotte­s­hand gebor­gen, mich zu einem spitzen Pfeil gemacht, im Köch­er mich ver­wahrt. Gott hat zu mir gesprochen: «Du stehst in meinem Dienst! Israel, durch dich will ich meine Würde zeigen!» Ich aber hat­te mir gesagt: «Umson­st habe ich mich bemüht, für nichts und wieder nichts meine Kraft ver­braucht!» Trotz­dem: Mein Recht liegt bei Gott und der Lohn meines Tuns bei mein­er Got­theit. Aber nun hat Gott gesprochen! Von Mut­ter­leib an bin ich gebildet, im Dienst Gottes zu ste­hen, um Jakob zurück­zuführen zu Gott, so dass Israel für Gott gesam­melt wird. Ich hat­te Gewicht in Gottes Augen und meine Got­theit war meine Kraft. Und Gott sprach: «Zu wenig ist es, dass du in meinem Dienst stehst, um die Stämme Jakobs aufzuricht­en und die ­Geretteten Israels zurück­zubrin­gen, son­dern ich mache dich zum Licht der frem­den Völk­er, damit meine Ret­tung reicht bis an die Enden der Erde.»Bibel in gerechter Sprache 

«Hört auf mich, hört gut zu!»

Johannes dem Täufer, für dessen Fest in diesen Tagen dieser Bibel­text aus­gewählt ist, wurde schon bei der Geburt zuge­sagt, was im schö­nen Text jedes kirch­lichen Mor­genge­betes über­liefert ist: «Und du, Kind, wirst Prophet des Höch­sten heis­sen: denn du wirst dem Her­rn vor­ange­hen und ihm den Weg bere­it­en.» Ihm wurde von Mut­ter­leib an zuge­s­tanden, dass Gott ihm eine beson­dere Auf­gabe zugewiesen hat. Die er aus­füllte, indem er verkündigte, predigte, taufte und sein Leben hingab.In jen­er Zeit und sowieso immer schon hat­te Gott die Macht, einen Men­schen zu bes­tim­men, ihn in seinen Dienst zu rufen und zu beauf­tra­gen. Und wer sollte Gott da wider­sprechen?Offen­sichtlich wird Gott jedoch die Macht, Men­schen zu berufen und zu befähi­gen, heute nicht mehr zuge­traut. Jeden­falls in kirch­lichen Kreisen. Ja, mehr noch: Gottes Macht, zu rufen und zu befähi­gen, wen er will, wird in Frage gestellt und eingeschränkt. Wenn Bis­chöfe und andere für die Beru­fungspas­toral Ver­ant­wortliche bekla­gen, es gebe keine (Priester-)Berufungen, dann frage ich mich, ob sie richtig hin­schauen oder ob sie gar nicht wahrnehmen wollen, was jet­zt schon ist. Wenn der Präfekt der Glauben­skon­gre­ga­tion die Priester­wei­he für Frauen auss­chliesst, weil das Wei­he­ver­bot unfehlbar entsch­ieden sei, dann hat er offen­bar nicht auf die Bis­chöfe und Kardinäle gehört, die dem wider­sprechen – wenn auch vielle­icht nicht laut genug.Wenn es um Beru­fung geht, dann geht es vor allem um das Hin­hören. Der­er, die eine Beru­fung in sich spüren und der­er, die die Ver­ant­wor­tung haben, Beru­fun­gen für den kirch­lichen Dienst zu erken­nen und darüber zu entschei­den.Und vielle­icht sind die, die eine Beru­fung spüren zu einem speziellen Dienst, die befähigt sind, zu verkündi­gen, zu leit­en und zu heilen, die sich haben in den kirch­lichen Dienst nehmen lassen ohne eine Ordi­na­tion, nicht laut genug? Vielle­icht ist das Schw­ert ihres Mundes zu wenig scharf? Sind die Pfeile stumpf gewor­den?Ich bin überzeugt, dass Gottes Geistkraft weht, wo sie will. Dass der Geist wirkt und einem jeden, ein­er jeden die je beson­dere Gabe zuteilt, wie er will (1 Kor 12,11). Und ich halte es für eine Mis­sach­tung der Frei­heit des Heili­gen Geistes, von vorn­here­in auszuschlies­sen, dass Frauen und Män­ner, ob zöli­batär oder ver­heiratet, zu diesem speziellen kirch­lichen Dienst berufen sein kön­nen.Jesus selb­st hat ver­schieden­ste Men­schen in seinen Dienst berufen – und nicht unbe­d­ingt die untadelig­sten. Und der erste Men­sch, dem er nach sein­er Aufer­ste­hung den Auf­trag gab, die Botschaft von der Aufer­ste­hung weit­erzusagen, war eine Frau: Maria von Mag­dala. Die Prä­fa­tion, die seit zwei Jahren an ihrem Fest­tag, dem 22. Juli, gebetet wird, endet ähn­lich wie der Lesung­s­text: «Und er hat sie (Maria von Mag­dala) vor den Apos­teln mit dem Apos­te­lamt aus­geze­ich­net, damit die gute Nachricht vom neuen Leben bis an die Enden der Erde gelange.»Ob nun Johannes der Täufer, der Prophet Jesa­ja, Maria von Mag­dala oder jede und jed­er von uns mit ihren, mit seinen speziellen Begabun­gen und Auf­gaben inner­halb und ausser­halb der Kirche: Wir sind berufen. Gott macht uns «zum Licht der Völk­er, damit seine Ret­tung reicht bis an die Enden der Erde.»Dorothee Beck­er, The­olo­gin und Seel­sorg­erin, Pfar­rei Heiliggeist, Basel
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben