Leicht mehr Kirchenaustritte bei Katholiken

Leicht mehr Kirchenaustritte bei Katholiken

  • Die Mit­gliederzahl der Katho­liken und Christkatho­liken im Aar­gau ist im ver­gan­genen Jahr nur leicht zurück­ge­gan­genen.
  • Vertreter der Römisch-Katholis­chen Kirche nehmen die aktuellen Zahlen zufrieden zur Ken­nt­nis und beto­nen die Wichtigkeit ein­er sta­bilen Kirche mit Blick auf die vie­len sozialen Auf­gaben, die geleis­tet und finanziert wer­den.
  • Die Reformierten erwarten eine «pos­i­tive Verän­derung». Zahlen fol­gen im April.
 Bei den Aar­gauer Katho­liken bleiben die Mit­gliederzahlen in etwa sta­bil. «Der Aar­gau verze­ich­net nach neuesten Angaben für 2017 rund 217’800 Katho­likin­nen und Katho­liken. Im Ver­gle­ich zum Vor­jahr (Hor­i­zonte berichtete) entspricht dies einem Rück­gang um 0,45 Prozent», heisst es in ein­er Mel­dung im Newslet­ter der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. 3’095 Aus­tritte hat es gegeben, die jedoch gross­mehrheitlich durch die Zuwan­derung von Katho­liken aufge­fan­gen wurde.

Aargauer Bevölkerung wächst, die Kirchen schrumpfen

Angesichts der Tat­sache, dass die Aar­gauer Bevölkerung weit­er wächst (laut Sta­tis­tis­chem Amt des Kan­tons Aar­gau im Jahre 2017 um 1,18 Prozent, im 2016 um 1,36 Prozent), stim­men die aktuellen Zahlen die Kirchen­ver­ant­wortlichen gle­ich­wohl nach­den­klich. «Die Fluk­tu­a­tio­nen hal­ten sich im lei­der gewohn­ten Rah­men», meint beispiel­sweise Luc Hum­bel, Präsi­dent des Kirchen­rates der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. «Gründe sind die Indi­vid­u­al­isierung und Säku­lar­isierung der Gesellschaft.» Dem könne sich auch der Aar­gau nicht entziehen. «Wir dür­fen aber mit ein­er gewis­sen Genug­tu­ung fest­stellen, dass die Mit­gliederzahlen auf Grund der Migra­tion in etwa sta­bil sind.»Die 3’095 Aus­tritte im ver­gan­genen Jahr seien zwar unschön, aber dur­chaus im Rah­men der let­zten Jahre, meint Mar­cel Not­ter, Gen­er­alsekretär der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. Die Aus­tritte hät­ten nur leicht zugenom­men. Im Jahre 2016 kehrten 2 791 Men­schen der katholis­chen Kirche den Rück­en. Das sind rund 300 Per­so­n­en weniger als 2017.Laut Mar­cel Not­ter gibt es aber auch Pos­i­tives zu bericht­en. In den reformierten Gebi­eten um Lenzburg und Zofin­gen ist die katholis­che Bevölkerung sog­ar leicht gewach­sen. «Das liegt daran, dass die Zuzüger in diese Gebi­ete katholisch sind.» Und einen Trend hin zu mas­siv­en Ein­brüchen bei den Mit­gliederzahlen im Frick­tal, über den die Aar­gauer Zeitung unlängst berichtete, sieht der Gen­er­alsekretär eben­falls nicht bestätigt. «Natür­lich stimmt es, dass dieses typ­isch katholis­che Gebi­et auf die let­zten 25 Jahre gese­hen Mit­glieder ver­loren hat, aber die Zahlen für die let­zten Jahre zeigen eine eher sta­bile Sit­u­a­tion.»

Von einer stabilen Kirche profitiert das Allgemeinwohl

Weit­er habe es im ver­gan­genen Jahr 104 Kirch­enein­tritte gegeben: «Eine auf den ersten Blick geringe Zahl doch wenn man bedenkt, was ein solch­es Beken­nt­nis in der heuti­gen Zeit bedeutet, ist das doch sehr erfreulich», meint Mar­cel Not­ter. Immer­hin seien das bewusste Entschei­de von Erwach­se­nen, also keine Zuzüge oder Taufen.Über sta­bile Mit­gliederzahlen freut sich auch Kirchen­rat­spräsi­dent Luc Hum­bel – und zwar mit Blick auf die vie­len Auf­gaben, welche die Kirchen im Rah­men ver­schieden­er Pro­jek­te zugun­sten von hil­fs­bedürfti­gen Men­schen im Kan­ton leis­tet. «Nur mit genü­gend Mit­gliedern sind wir in der Lage, die vielfälti­gen Auf­gaben der Kirche im Aar­gau zu bew­erk­stel­li­gen.»

Steuersparaufruf des HEV: Ein Missverständnis

Vor diesem Hin­ter­grund befremdet den Kirchen­rat­spräsi­den­ten, dass der Hau­seigen­tümerver­band HEV in der jüng­sten Aus­gabe sein­er Mit­gliederzeitschrift den Kirchenaus­tritt zum Steuern sparen emp­fiehlt. Luc Hum­bel dazu: «Es ist anmassend, den Per­so­n­en, welche aus inner­er Überzeu­gung Mit­glieder unser­er Kirche sind, zu rat­en, sich finanziell an den Auf­gaben kirch­lichen Han­delns nicht zu beteili­gen. Die Kirchen übernehmen ver­schiedene Auf­gaben, die von gesamt­ge­sellschaftlich­er Bedeu­tung sind. Zu denken ist etwa an den Sozial­bere­ich, die Spezialseel­sorge in Spitälern, Gefäng­nis­sen oder psy­chi­a­trischen Kliniken. Auch im Bere­ich der Frei­willi­ge­nar­beit prof­i­tiert die All­ge­mein­heit — beispiel­sweise bei Pal­lia­tive Care.» Könne dieses Wirken nicht mehr finanziert wer­den, weil die Leute aus finanziellen Grün­den aus der Kirche aus­treten, so sei in diesen Bere­ichen ver­stärkt der Staat gefordert. Und das käme teuer. Luc Hum­bel ver­weist in diesem Zusam­men­hang auf eine Studie aus dem Kan­ton Zürich: Diese habe gezeigt, dass eine Umlagerung nachge­fragter kirch­lich­er Auf­gaben auf den Staat den einzel­nen Steuerzahler let­ztlich viel teur­er komme.Auf Nach­frage beim HEV erk­lärt der ver­ant­wortliche Chefredak­tor Ans­gar Gmür, dass er auf den Beitrag schon einige Reak­tio­nen erhal­ten habe. In einem grösseren Artikel sei dies ein Punkt unter vie­len gewe­sen, den er beim Redigieren über­lesen habe. «Wir wollen bes­timmt nicht wil­lentlich zum Kirchenaus­tritt aufrufen. Da ist uns ein Fehler passiert, für den ich mich in aller Form entschuldige», so Ans­gar Gmür, sel­ber Katho­lik und mit­tler­weile Studieren­der der reformierten The­olo­gie mit Beruf­sziel Pfar­rer. Eine Richtig­stel­lung werde in der näch­sten Aus­gabe der HEV-Zeitschrift fol­gen.

«Stabile Mitgliederzahl» auch bei Christkatholiken

Auch die Christkatho­liken ver­melden «für 2017 eine sta­bile Mit­gliederzahl». Kirchen­rat­spräsi­dent Ernst Blust gegenüber Hor­i­zonte: Aktuell haben wir 2‘888 Mit­glieder, 2016 waren es 2‘952. «Der Unter­schied beste­ht in den Kirchge­mein­den mit einem grösseren Anteil von zum Teil tem­porären Zuzügern, die sich als christkatholisch reg­istri­ert haben.» Als Beispiel nen­nt Ernst Blust die Kirchge­meinde Baden-Brugg-Wet­tin­gen,Gle­ich­wohl tre­f­fen die Kirchen Vorkehrun­gen, um einem weit­eren Mit­glieder­schwund etwas ent­ge­gen­zuhal­ten. Die Reformierte Kirche im Aar­gau hat zu diesem Zweck das Pro­jekt «Lebenslang Mit­glied bleiben» lanciert. Dieses wurde entwick­elt, um die Beziehung zu den soge­nan­nte «dis­tanzierten Kirchen­mit­gliedern» zu pfle­gen. Das sind laut Frank Worbs, Leit­er Infor­ma­tions­di­enst der Reformierten Kirche im Aar­gau, Kirchen­mit­glieder, die zwar Steuern zahlen, jedoch nicht aktiv in Erschei­n­ung treten.

Dankeschön an Passivmitglieder

Frank Worbs schätzt, dass bis zu 70 Prozent der reformierten Kirchen­mit­glieder in den let­zten fünf Jahren wed­er einen Gottes­di­enst noch eine Taufe, wed­er eine Beerdi­gung noch eine Hochzeit besucht oder sonst­wie Kon­takt zur Kirche gehabt hät­ten. «Sagen Sie diesen Leuten doch ein­fach mal Danke», emp­fiehlt Frank Worbs an die Adresse der Kirchenpfle­gen. «Denn ohne die finanziellen Beiträge der Dis­tanzierten kann die Kirche ihr Ange­bot nicht aufrecht erhal­ten.»Das Pro­jekt zeige in Einzelfällen bere­its Wirkung, so Frank Worbs. Zudem stellt der Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortlich der Aar­gauer Reformierten mit Blick auf die Mit­glieder­en­twick­lung im 2017 eine «auf­fäl­lig pos­i­tive Verän­derung» in Aus­sicht. «Die konkreten Zahlen liegen zu Anfang April vor».Auch bei den Aar­gauer Katho­liken gibt es Über­legun­gen, in diese Rich­tung aktiv zu wer­den. Kirchen­rat­spräsi­dent Luc Hum­bel dazu: «Das beste Mit­tel, um keine Mit­glieder zu ver­lieren, ist, diese zu pfle­gen. Wir müssen zudem auch aktiv­er darüber bericht­en, dass die Kirche tagtäglich Gutes und Unverzicht­bares für die Gesamt­ge­sellschaft leis­tet.»
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben