«Nicht in unserem Namen»
Die Pfarreiräte Salvatore Malomo, Reto Müller (im Vordergrund) und Michael Lassmann (hinten) befestigen die Statements an der Plakatsäule im Rahmen des Projekts: «Nicht in unserem Namen – Darum bleiben wir!»
Bild: © zvg

«Nicht in unserem Namen»

Eine Reaktion auf die Missbrauchsstudie der Pfarrei Oberdorf BL

In der Pfarrei Bruder Klaus in Oberdorf BL hat eine Plakat-Aktion den Menschen geholfen, ihren Reaktionen auf die Veröffentlichung der Pilotstudie zum Missbrauch einen Ausdruck zu geben. Folgeaktionen bringen das Thema Missbrauch immer wieder zur Sprache.

Sabine Brantschen mag sich an die inten­siv­en Diskus­sio­nen im Pfar­reirat nach der Veröf­fentlichung der Pilot­studie zum Miss­brauch in der katholis­chen Kirche Schweiz gut erin­nern. «Es war nicht so, dass die Resul­tate völ­lig über­raschend gewe­sen sind. Es wäre blauäugig gewe­sen zu meinen, in der Schweiz sei es anders als in anderen Län­dern», sagt die lei­t­ende Seel­sorg­erin der Pfar­rei Brud­er Klaus in Ober­dorf BL. Den­noch sass der Schock tief. Sol­i­dar­ität mit den Miss­brauchs­be­trof­fe­nen, Wut gegen die Täter und Täterin­nen, Scham und Trau­rigkeit, ein­er Kirche anzuge­hören, in der sex­ueller Miss­brauch Sys­tem hat, waren in der Pfar­rei spür­bar. Wie darauf reagieren? «Wir woll­ten dem Bischof keinen Brief schreiben, der dann in ein­er Schublade ver­sorgt wird», sagt Sabine Brantschen. Der Pfar­reirat in Oberdorf/Waldenburgertal wollte etwas tun für die Men­schen in der Pfar­rei. Viele von ihnen hät­ten die Schlagzeilen und Berichte über den sex­uellen Miss­brauch mit der Kirche, in der sie sich selb­st wohl und aufge­hoben fühlen, nicht zusam­men­brin­gen kön­nen. Im Pfar­reirat regte sich Wider­stand: «Ich will den Tätern die Kirche nicht über­lassen.» «Was geschehen ist, geschah nicht in meinem Namen.» Die Idee für die Aktion «Nicht in unserem Namen – darum bleiben wir!» war geboren.

«Nicht in unserem Namen» - Lichtblick Römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz

Aus dem Herzen gesprochen

Der Pfar­reirat organ­isierte eine Plakat­säule und stellte sie in die Kirche Brud­er Klaus. Daneben stand ein Tisch mit Papi­er und Schreibzeug. Hier kon­nten die Men­schen ein per­sön­lich­es State­ment schreiben. Die State­ments wur­den dann mit Kleb­streifen an die Säule gek­lebt. Drei Mit­glieder des Pfar­reirats macht­en den Anfang. Fünf weit­ere State­ments von Men­schen aus der Pfar­rei fol­gten. «Es waren nicht viele State­ments, aber jedes einzelne war per­sön­lich und hat ver­mut­lich vie­len Besucherin­nen und Besuch­ern der Kirche aus dem Herzen gesprochen», sagt Sabine Brantschen. Die Rück­mel­dun­gen zur Aktion waren durch­wegs pos­i­tiv.

Warum bleibe ich?

Die Ver­fasserin­nen und Ver­fass­er der State­ments bracht­en ihre Gefüh­le zum Aus­druck, legten aber auch dar, warum sie in ihrer Kirche bleiben woll­ten. In einem State­ment hiess es: «Ich bin nicht ein­ver­standen, ich möchte nicht, dass meine Reli­gion in den Dreck gez­er­rt wird, und ich möchte, dass den Betrof­fe­nen Gerechtigkeit wider­fährt.» Nach einem guten hal­ben Jahr wurde die Säule wieder ent­fer­nt.

Missbrauch zum Thema machen

An Ostern lasen zwei der Ver­fasserin­nen und Ver­fass­er anstelle der Lesung ihr State­ment, das sie an die Säule gek­lebt hat­ten, vor. «Wir nan­nten es Lesung aus dem All­t­ag und woll­ten damit den Miss­brauch wieder zum The­ma machen. Gle­ichzeit­ig war es auch eine Art Glaubens­beken­nt­nis», sagt Sabine Brantschen. Die Reak­tio­nen waren unter­schiedlich, führten aber zu angeregten Gesprächen nach dem Gottes­di­enst. Eine weit­ere Fol­geak­tion werde dem­nächst vom Pfar­reirat geplant. «Mit den Aktio­nen ist es uns gelun­gen, die schlechte Energie, das schlichte Kla­gen zu ver­wan­deln und der Ohn­macht etwas ent­ge­gen­zuset­zen», sagt Sabine Brantschen.

Haltung reflektieren

AbsatIn der täglichen Arbeit in der Pfar­rei hat sich für Sabine Brantschen seit der Veröf­fentlichung der Pilot­studie nichts verän­dert. «In unser­er Arbeit müssen wir uns immer bewusst sein, dass wir in ein­er Macht­po­si­tion und dass wir Pro­jek­tions­flächen sind», sagt die Seel­sorg­erin. Dieses Wis­sen sei ihr in ihrer Aus­bil­dung nicht ver­mit­telt wor­den, darum habe sie sich selb­st psy­chol­o­gisch weit­erge­bildet. Seit eini­gen Jahren gebe es mit den verbindlichen Kursen zu Nähe und Dis­tanz hil­fre­iche Ange­bote von Seit­en des Bis­tums.

Frauenstimmen

Im Vor­feld hat­te das Bis­tum die Pfar­reien über die Veröf­fentlichung der Studie informiert. Danach fol­gten ver­schiedene Hil­festel­lun­gen, etwa ein Muster­brief, wie auf Kirchenaus­tritte zu reagieren sei. Sie seien regelmäs­sig auf dem Laufend­en gehal­ten wor­den, sagt Sabine Brantschen. Hätte sie sich mehr Unter­stützung vom Bis­tum erhofft? «Ich wün­sche mir, dass das Bis­tum zu diesem The­ma mehr Frauen zu Wort kom­men lässt.»

Eva Meienberg
mehr zum Autor
nach
soben