Frauen streiten über die Altersreform

Am 24. Sep­tem­ber 2017 stimmt die Schweiz über die Altersvor­sorge 2020 ab. Die vier grössten Frauen­dachver­bände treten entsch­ieden für ein Ja ein. Doch unter den Frauen ist die Reform nicht unum­strit­ten.Mit immer mehr Rent­ner­in­nen und Rent­nern gerät das Schweiz­er Renten­sys­tem in Schieflage. Nach erbit­tert­er Diskus­sion im Bun­despar­la­ment und ein­er Eini­gungskon­ferenz zim­merten die bei­den Kam­mern eine Kom­pro­miss­lö­sung. Ein­er­seits sollen die Renten in der zweit­en Säule gekürzt, ander­er­seits sollen mit zusät­zlichen Mehrw­ert­s­teuer­prozen­ten, Bun­desmil­lio­nen, ein­er Erhöhung der Lohn­ab­gaben und ein­er Anhebung des Frauen­rentenal­ters die AHV gestärkt und Rentenkürzun­gen bei den Pen­sion­skassen mit monatlich zusät­zlichen 70 AHV-Franken für Neurent­ner­in­nen und Neurent­ner zumin­d­est ein wenig aufge­fan­gen wer­den.

Flexibilisierung des Koordinationsabzugs als Chance

Weil zusät­zlich die Flex­i­bil­isierung des Koor­di­na­tion­s­abzugs die Anhäu­fung von Pen­sion­skassenkap­i­tal für Teilzeit­er­werb­stätige vere­in­fachen soll, gel­ten unter anderem Frauen als grosse Gewin­ner der Reform. Denn meist sind sie es, die teilzeit arbeit­en und gerin­gere Einkom­men haben. Das sieht auch die Allianz der Frauen­dachver­bände «Alliance F» so, zu dem auch der Schweiz­erische Katholis­che Frauen­bund SKF gehört. «Ein Ja an der Urne würde markante Verbesserun­gen für die Frauen mit sich brin­gen, ist Nation­al­rätin Bar­bara Schmid-Fed­er­er überzeugt. «Die Senkung des Koor­di­na­tion­s­abzuges kommt den Frauen mit tiefem Lohn sehr zugute. Das heisst, dass teilzeitar­bei­t­ende Frauen ihre Deck­ungslück­en in der Pen­sion­skasse schliessen kön­nten.»Selb­st der Erhöhung der Rentenal­ters für Frauen kön­nen die Vertreterin­nen der Frauen­ver­bände Pos­i­tives abgewin­nen: Die vorge­se­hene Flex­i­bil­isierung des Rentenal­ters von 62 bis 70 Jahren ermögliche es Frauen, die infolge Betreu­ungsauf­gaben die Erwerb­stätigkeit stark eingeschränkt oder gar unter­brochen haben, fehlende Beitrags­jahre auszu­gle­ichen. Sie kön­nten ihre Rente verbessern, führt Bar­bara Schmid-Fed­er­er aus.

Gefährdete Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen

«Nur aus Frauen­sicht betra­chtet, ist die Reform unsozial und ego­is­tisch» erk­lärt demge­genüber Vera Schlit­tler-Graf auf der Face­book­seite von Hor­i­zonte. «Zumal die tiefen Renten dank den zusät­zlichen 70 Franken let­ztlich mehr haben, gehen Ergänzungsleis­tun­gen ver­loren. Auch wer­den viele genau die Schwelle der Prämien­ver­bil­li­gun­gen ver­lieren. Nein, diese Reform ist ein Murks und abso­lut nicht sozial», fol­gert die Präsi­dentin der FDP-Frauen Bern.Simone Curau-Aepli vom Schweiz­erischen Katholis­chen Frauen­bund SKF kon­tert – eben­falls auf Face­book: «Unter dem Strich war nicht mehr zu erre­ichen. Die Geg­n­er wollen Rentenal­ter 67 – und nehmen eine Schwächung der AHV inkauf. Das sind keine Optio­nen für den SKF und die anderen Frauen­dachver­bände. Daher tra­gen wir diese Reform mit.»

Kommt bei einem «Nein» der Rentenkollaps?

Die Geg­n­er der Reform – auch Vera Schlit­tler-Graf – sind überzeugt, dass nach einem Nein im Sep­tem­ber an der Urne als­bald etwas Besseres vorgelegt wird. Daran glauben die Befür­worter nicht – im Gegen­teil. Nation­al­rätin Bar­bara Schmid-Fed­er­er warnt: «Für mich per­sön­lich ist klar, dass es ohne eine Verän­derung wie diese irgend­wann einen Kol­laps geben wird. Dann wird es immer teur­er, und vor allem Frauen mit tiefem Lohn wer­den darunter lei­den.»Ganz so pes­simistisch sieht es Simone Curau-Aepli nicht: «Ich glaube nicht an einen Kol­laps, wenn die Reform nicht durchkommt. Aber an eine Erhöhung des Rentenal­ters auf 67 – unab­hängig vom poli­tis­chen Entscheid im Sep­tem­ber an der Urne.»
Andreas C. Müller
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