Katholisch in Regenbogenfarben

Katholisch in Regenbogenfarben

Der Regen­bo­gen ist das Sym­bol der Les­ben- und Schwu­len­be­we­gung. Das Bis­tum Basel hat den Arbeit­skreis «Regen­bo­gen­pas­toral» geschaf­fen, der will, dass sich auch homo‑, trans- und inter­sex­uelle Katho­liken in ihrer Kirche aufge­hoben fühlen. Dieses offizielle und klare Zeichen des Bis­tums sei äusserst wichtig, betont Susanne Andrea Birke im Inter­view.

Hor­i­zonte: Susanne Andrea Birke, let­ztes Jahr hat Bischof Felix Gmür die Arbeits­gruppe «Regen­bo­gen­pas­toral» ins Leben gerufen. Woher kam die Ini­tia­tive dazu?
Susanne Andrea Birke: Die kam von mir. Mir ist es schon lange ein Anliegen, innerkirch­lich auf eine Öff­nung hinzuwirken. Nicht zulet­zt deshalb, weil ich sehr nah miter­leben musste, was die Posi­tio­nen von Freikirchen und dem recht­en Flügel inner­halb der Römisch-Katholis­chen Kirche für Men­schen ander­norts bedeuten kön­nen. Aber während reformierte Homo­sex­uelle und Trans*personen bere­its einen Wan­del in ihrer Kirche bewirken kon­nten, ist der Weg für Römisch-Katho­likin­nen und ‑Katho­liken lei­der länger.

Wie wurde das Anliegen vom Bis­tum aufgenom­men?
Als ich 2013 mit entsprechen­den säku­laren und kirch­lichen Grup­pen in der Schweiz Kon­takt auf­nahm, stiess ich auch auf den Dahop (Diöze­san­er Arbeit­skreis Homo­sex­uel­len­pas­toral, Anm. d. Red.) in Inns­bruck. Das brachte mich auf die Idee, etwas Ähn­lich­es für das Bis­tum Basel anzure­gen. Ich habe mich sehr gefreut, wie offen das Anliegen aufgenom­men wurde.

Braucht es denn für homo‑, trans- und inter­sex­uelle Men­schen beson­dere Seel­sorge?
Es ist wichtig, hier ein offizielles und klares Zeichen zu set­zen, dass das Bis­tum Basel hin­ter ein­er wertschätzen­den Seel­sorge ste­ht. Mit diesem Schritt des Bis­tums erhoffe ich mir, dass auch solche, die bish­er zwar schon offen, aber nach aussen zurück­hal­tender waren, sich deut­lich­er zu zeigen wagen. Gle­ichzeit­ig machen auch im Bis­tum Basel LSBTI (Les­ben, Schwule, Bi‑, Trans- und Inter­sex­uelle, Anm. d. Red.), ihre Ange­höri­gen und Fre­unde noch ver­let­zende und schwierige Erfahrun­gen. Der Arbeit­skreis soll für sie eine Anlauf­stelle sein, wenn Seel­sorge nicht wertschätzend ist. Langfristig wün­scht sich der Arbeit­skreis, dass diese Pas­toral eine Selb­stver­ständlichkeit wird. Dazu gehört, dass Seel­sorg­erin­nen und Seel­sorg­er um die spez­i­fis­chen Bedürfnisse dieser Men­schen wis­sen. Darum sind wir auch eine Anlauf­stelle für kirch­liche Mitar­bei­t­ende.

Kön­nen Sie Beispiele nen­nen für solche spez­i­fis­chen Bedürfnisse?
Es gibt Anliegen, die zumin­d­est teil­weise mit der abw­er­tenden Hal­tung inner­halb der Kirchen zu tun haben. So denke ich, braucht es zum Beispiel Wis­sen, wie ein Com­ing Out unter­stützend begleit­et wer­den kann – für die Betrof­fe­nen selb­st, aber auch für die Ange­höri­gen, wenn sie eben­falls mit Abw­er­tun­gen kon­fron­tiert sind oder sie verin­ner­licht haben. Für Trans*personen kann es bere­ich­ernd sein, wenn die Geschlecht­san­gle­ichung und die damit ver­bun­dene Namen­sän­derung mit einem kirch­lichen Segen in einem gemein­schaftlichen Rah­men begleit­et wer­den. Und für Inter­sex­uelle (Men­schen, die nicht ein­deutig einem Geschlecht zuge­ord­net wer­den kön­nen, Anm. d. Red.) und ihre Ange­höri­gen ist es wichtig, nicht in eine vorgegebene Form gepresst zu wer­den. Dies sind nur einige Beispiele.

Woher ken­nt der Arbeit­skreis diese Anliegen?
Zum einen ist der Arbeit­skreis so zusam­menge­set­zt, dass die Min­der­heit­en selb­st vertreten sind, zum anderen waren schon bei der Vor­bere­itung weit­ere Per­so­n­en und Organ­i­sa­tio­nen, wie TGNS (Trans­gen­der Net­work Switzer­land) ein­be­zo­gen. So gehört zum Beispiel auch die Trans-Frau Domeni­ca Pri­ore zum Arbeit­skreis. Da die ver­schiede­nen Grup­pierun­gen und Einzelper­so­n­en unter­schiedliche Posi­tio­nen und Bedürfnisse haben, ist es wichtig im Gespräch zu bleiben und uns als Gruppe entsprechend fortzu­bilden.

Eines der Ziele der Arbeits­gruppe ist, Vorurteile und Diskri­m­inierung abzubauen. Betont die  Schaf­fung ein­er Art «Spezialseel­sorge» nicht ger­ade die Unter­schiede?
Es geht uns ganz sich­er nicht darum, ein «Ghet­to» zu schaf­fen, son­dern dafür zu sor­gen, dass die Anliegen der Regen­bo­gen­pas­toral in die Pas­toral ins­ge­samt inte­gri­ert wer­den. Doch ein solch­er Prozess bedarf immer auch spez­i­fis­ch­er Fachkräfte, die ihn anleit­en. Von daher ist das für mich kein Wider­spruch. In der jet­zi­gen Sit­u­a­tion haben manche Ange­hörige diskri­m­iniert­er Min­der­heit­en ein Bedürf­nis nach eige­nen Räu­men. So wie auch Frauen und Män­ner – nicht nur, aber auch – ein Bedürf­nis nach je eige­nen Frauen- und Män­nerräu­men haben. Abge­se­hen davon gibt es alle möglichen Arten spez­i­fis­ch­er Seel­sorge, von der Jugend­seel­sorge bis zur Polizeiseel­sorge.

In der Selb­st­beschrei­bung des Arbeit­skreis­es Regen­bo­gen­pas­toral heisst es: «Wir wollen Leben und Spir­i­tu­al­ität von Les­ben, Schwulen, Bisex­uellen, Trans*personen und Inter­sex­uellen aus ein­er Per­spek­tive der ganzheitlichen Erfül­lung verbinden». Was bedeutet das?
Wir sind ganze Men­schen mit Leib und Seele und dazu gehören auch Geschlecht­si­den­tität und Sex­u­al­ität, ohne Men­schen darauf zu reduzieren. Seel­sorge sollte nicht nur auf das «See­len­heil» abzie­len. Als Men­sch ganz zu sein oder es immer mehr zu wer­den, ohne Teile unser­er selb­st abspal­ten zu müssen, darum geht es.

Wie geht das?
Je nach­dem, was die Einzel­nen mit­brin­gen, kann dieser Weg ganz ver­schieden ausse­hen. Manche brauchen vielle­icht medi­zinis­che Hil­fe, um in ihrem Kör­p­er ganz zu Hause zu sein, wie manche Trans*menschen. Andere wiederum müssen vor unge­woll­ten ver­let­zen­den, kör­per­lichen Ein­grif­f­en geschützt wer­den, wie viele Inter­sex­uelle.

Was hat die Arbeits­gruppe seit der Grün­dung getan?
Bish­er ging es vor allem darum, einan­der ken­nen zu ler­nen und erste Schw­er­punk­te zu set­zen. Wir haben uns noch ein­mal über Dahop und die dort gemachte Arbeit informiert und uns von ein­er Inter­sex­uellen ganz direkt von ihren Erfahrun­gen und ihren Anliegen bericht­en lassen. Da die Arbeit zum grossen Teil frei­willig geleis­tet wird, sind die Möglichkeit­en des Arbeit­skreis­es beschränkt. Aber wir hof­fen doch, etwas bewirken zu kön­nen.

Welche Arbeit­en packt der Arbeit­skreis als näch­stes an? Gibt es einen «Fahrplan»?
Das ist noch nicht defin­i­tiv entsch­ieden. Auf jeden Fall wird es am 15. Okto­ber 2017 einen gemein­samen Pil­ger­weg für LSBTI geben, zu dessen Abschluss wir einen Gottes­di­enst der LSBK (Les­bisch-Schwule Basiskirche) in Basel besuchen. Dann wollen wir in die Bis­tum­sre­gio­nen gehen, um uns per­sön­lich vorzustellen und zu hören, was die Fra­gen und Anliegen unser­er Kol­legin­nen und Kol­le­gen sind.

Welche Verän­derung wird ein gle­ichgeschlechtlich Lieben­der oder eine Trans­sex­uelle in ihrer Pfar­rei spüren?
Unsere Vision ist, dass sie sich – egal, wo sie sind – in ihrer Pfar­rei als die Per­so­n­en, die sie sind, angenom­men und aufge­hoben fühlen.

Sie sagen «Vision». Ist das heute noch nicht so?
In manchen Pfar­reien ist das heute schon der Fall. Für andere erhoffe ich mir, dass der Arbeit­skreis Mut zu weit­eren Schrit­ten machen kann. Wir müssen For­men der Seel­sorge anbi­eten kön­nen, die offiziell mit­ge­tra­gen sind, ohne, dass Sank­tio­nen befürchtet wer­den müssen – wie das bei der Seg­nung eines les­bis­chen Paars 2015 in Bür­glen der Fall war. Angesichts der weltkirch­lichen Sit­u­a­tion wird es hier Kom­pro­misse brauchen. Es wird sich­er auch Pfar­reien und Men­schen geben, mit denen wir ins Gespräch kom­men und einen Weg suchen müssen, weil sie andere Überzeu­gun­gen vertreten. Den­noch zäh­le ich darauf, dass wir echte Schritte gehen kön­nen.

Wo kön­nen sich Betrof­fene oder Inter­essierte melden?
Bei den Ansprech­per­so­n­en Bar­bara Kück­el­mann, Bruno Flud­er und mir.

Die Ansprech­per­so­n­en des Arbeit­skreis­es Regen­bo­gen­pas­toral:

" target="_blank" rel="noopener noreferrer">Bar­bara Kück­el­mann, Pas­toralver­ant­wortliche Bis­tum Basel, T 032 625 58 47

" target="_blank" rel="noopener noreferrer">Bruno Flud­er, Geschäfts­führer der Zwitscherbar in Luzern, T 041 227 83 83

" target="_blank" rel="noopener noreferrer">Susanne Andrea Birke, Mitar­bei­t­erin bei Bil­dung und Prop­stei, Schw­er­punkt Frauen und Gen­der, T 056 438 09 43

Alle Infos zum Arbeit­skreis Regen­bo­gen­pas­toral find­en Sie auf der Web­seite des Bis­tums Basel.

Mit Trans*menschen sind Per­so­n­en gemeint, bei denen das bei der Geburt auf­grund kör­per­lich­er Merk­male zugeschriebene Geschlecht nicht mit der Geschlecht­si­den­tität übere­in­stimmt. Der Stern ste­ht für alle Vari­anten des Trans­seins.

Kommentar

[esf_wordpressimage id=23005 width=half float=right aspectratio=“3:4”][/esf_wordpressimage]Der Arbeit­skreis Regen­bo­gen­pas­toral arbeit­et darauf hin, dass homo‑, trans und inter­sex­uelle Katho­liken sich «egal, wo sie sind – in ihrer Pfar­rei als die Per­so­n­en, die sie sind, angenom­men und aufge­hoben fühlen.», wie Susanne Andrea Birke im Inter­view for­muliert. Eine «Vision» nen­nt sie dieses Ziel. Etwas über­trieben, diese For­mulierung, kön­nte man meinen. So weit weg liegt doch dieses Ziel nun auch wieder nicht. Schwule, Les­ben und Trans­sex­uelle sind doch nichts Beson­deres mehr, unter­schiedliche sex­uelle Aus­rich­tun­gen sind längst akzep­tiert. Das mag für grosse Teile der Gesellschaft stim­men.

Doch inner­halb der katholis­chen Kirche weht gle­ichgeschlechtlich Lieben­den und Trans­sex­uellen ein rauer Wind ent­ge­gen. Eine Fre­undin, von Kind­heit an in der katholis­chen Kirche ver­wurzelt, fühlte sich als les­bis­che Frau immer wieder tief getrof­fen von Ver­laut­barun­gen offizieller Kirchen­vertreter. Vor zwei Jahren zog sie die Kon­se­quen­zen und trat aus. Ein Bekan­nter hinge­gen hat den Aus­tritts­brief seit Län­gerem fer­tig getippt in der Schublade. Noch hat er ihn nicht abgeschickt, zu gross sind trotz allem die Ver­bun­den­heit und der Wun­sch, in der Kirche aufge­hoben zu sein.

Die Vorar­beit zu diesem Inter­view zeigte mir, dass homo­sex­uelle Katho­liken sich sehr vor­sichtig äussern, wenn es um ihr Ver­hält­nis zur Kirche geht. Seit­ens ein­er offiziellen Les­ben-Organ­i­sa­tion bekam ich den Bescheid, sie woll­ten sich erst noch genau absprechen, ehe sie Stel­lung zum The­ma näh­men.

Angenom­men sein und sich aufge­hoben fühlen sind Voraus­set­zung, sich unbeschw­ert zu einem The­ma zu äussern. Noch ist dies manch einem gle­ichgeschlechtlich lieben­den Katho­liken offen­bar nicht möglich. Mit der Schaf­fung des Arbeit­skreis­es Regen­bo­gen­pas­toral hat das Bis­tum einen ersten Schritt hin zu ein­er Öff­nung getan. Ich hoffe, dass weit­ere Schritte fol­gen.

Marie-Christine Andres Schürch
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