«Schwere Zeiten für Indigene in Brasilien»
- Luciano Padrão stammt aus Rio de Janeiro und ist seit mehr als 10 Jahren KoorÂdiÂnaÂtor des FasÂtenopfer-LanÂdesproÂgrammes in Brasilien. Mit dem AmtÂsantritt von PräsiÂdent Jair BolÂsonaro dürfte sich die EntwickÂlungszusamÂmeÂnarÂbeit erschwÂeren.
- HorÂiÂzonte traf Luciano Padrão zum InterÂview. Dieser rechÂnet mit schwÂeren ZeitÂen für die indiÂgene Bevölkerung in Brasilien unter der neuen Regierung.
Herr Padrão, welche SchwÂerÂpunkÂte setÂzen die FasÂtenopfer-ProÂgramme gegenÂwärÂtig in Brasilien?
Luciano Padrão: Unser EngageÂment konzenÂtriÂert sich auf die MenÂschen, die im AmaÂzonasÂgeÂbiÂet leben. Vor allem IndiÂgene – insÂgeÂsamt 305 verÂschiedene ethÂnisÂche GrupÂpen, das sind etwa 900 000 PerÂsoÂnÂen. Darüber hinÂaus gibt es da noch die QuilomÂboÂlas und KleinÂbauern an den Ufern der Flüsse.
Was sind QuilomÂboÂlas?
Eine GemeinÂschaft, die ursprünglich aus AfriÂka stammt und die aufÂgrund der Sklaverei nach Brasilien kam. Jene, die sich seinÂerzeit aus der Sklaverei befreien konÂnten, sind ins AmaÂzonasÂgeÂbiÂet geflüchtet und leben seiÂther dort. Im ÜbriÂgen existieren im AmaÂzonasÂgeÂbiÂet die meisÂten indiÂgeÂnen GemeinÂschaften weltweit, die bewusst den KonÂtakt zur modÂerÂnen Gesellschaft verÂweigern.
Und welche ArbeitÂen unterÂstützt FasÂtenopfer dort?
Das sind verÂschiedene TheÂmen, weil das AmaÂzonasÂgeÂbiÂet ganz vielfältig betrofÂfen ist. Es werÂden dort Rohstoffe abgeÂbaut, grosse Dämme zur EnergiegewinÂnung errichtet und grosse WaldÂstücke für SojaplanÂtaÂgen und Viehzucht gerodet.
Und was könÂnen Sie da tun?
Wir arbeitÂen mit MenÂschen vor Ort zusamÂmen, unterÂstützen sie in ihrem Kampf um ihr Land, das ihnen rechtlich zusteÂht. In Brasilien besitzt ein Prozent der Bevölkerung etwa 45 Prozent des gesamten KulÂturÂlanÂdes. Das eine Prozent sind sogeÂnanÂnte «JatÂiÂfunÂdiÂarÂios», also GrossÂgrundbeÂsitzer sowie verÂschiedene Unternehmungen und interÂnaÂtionale KonzÂerne.
Was ist der Grund für diese sehr einÂseitÂige Verteilung?
Das hängt damit zusamÂmen, dass es in Brasilien nie eine LanÂdreform gab und StrukÂturen aus 300 Jahren KoloÂnialÂisÂmus besteÂhen blieben.
Aber hat nicht Lula da SilÂva eine LanÂdreform angestossen?
Ja, aber haben Sie mitÂbekomÂmen, wie weit er damit gekomÂmen ist? Er stiess auf erbitÂterten WiderÂstand.
Und der neue PräsiÂdent Jair BolÂsonaro hat ja in seinen ersten AmtÂstaÂgen ja bereÂits erkÂlärt, dass es mit ihm keine LanÂdreform geben werde.
Genau. Wörtlich hat er gesagt, dass er nicht einen weitÂeren ZenÂtimeÂter an IndiÂgene abgeben werde. Dabei steÂht in der brasilÂianÂisÂchen VerÂfasÂsung, dass die indiÂgene Bevölkerung ein Recht auf ihr Land hat. Und es gibt da sogÂar diesen Zusatzartikel aus dem Jahre 1988. Darin heisst es, dass an die indiÂgene Bevölkerung innert fünf Jahren das Land verteilt werÂden sollte.
Ist dahingeÂhend denn gar nichts passiert?
Doch, gerÂade im RahÂmen unserÂer EntwickÂlungszusamÂmeÂnarÂbeit konÂnten einige Siege errunÂgen werÂden. 332 LandÂstücke wurÂden bis jetÂzt für IndiÂgene regÂistriÂert. Das umfasst 12 Prozent des gesamten AmaÂzonasÂgeÂbiÂets. WeitÂere 100 LandÂstücke sind in BearÂbeitung. Doch ich rechne nicht damit, dass diese noch zugeteilt werÂden.
Wegen Jair BolÂsonaro?
Ja. Es ist sogÂar zu befürchtÂen, dass der neue brasilÂianÂisÂche PräsiÂdent Wege findÂen wird, bereÂits vorgenommene DemarkaÂtioÂnen wieder zurückÂzunehmen.
Was macht Sie da so sichÂer?
Schon am ersten Tag seinÂer PräsiÂdentschaft hat Jair BolÂsonaro ganz viele EntscheiÂde gefällt, die KonÂseÂquenÂzen für das AmaÂzonasÂgeÂbiÂet und die dort lebenÂden IndiÂgeÂnen haben werÂden.
Was denn genau?
Konkret hat er die poliÂtisÂche Zuständigkeit für LandzuteilunÂgen neu dem LandÂwirtschaftsÂdeÂparteÂment unterÂstellt. Das sind alles Leute, welche keine InterÂesse daran haben, den IndiÂgeÂnen Land zu verteilen. Im GegenÂteil: Die betraÂchtÂen das AmaÂzonasÂgeÂbiÂet primär als InvestiÂtionÂsÂgeÂbiÂet für PlanÂtaÂgen, für Staudämme zur StromgewinÂnung und so weitÂer. Das Ganze kommt mir vor, wie wenn man den Fuchs mit der BetreuÂung der HühÂnÂer beaufÂtragt.
Das ist ein drastisÂchÂer VerÂgleÂich.
Aber es trifft zu. Schlimm ist auch, dass die BolÂsonaro uns seine Leute der ÜberzeuÂgung sind, dass man die IndiÂgeÂnen in die komÂmerzielle Gesellschaft inteÂgriÂeren muss. Wir kämpfen dafür, dass diese Volksstämme in ihrer IdenÂtität und ihren RechtÂen geschützt bleiben.
Was meinen Sie: Wie schlimm wird es denn unter der neuen Regierung?
Wir rechÂnen mit ernÂsthaften ProbÂleÂmen im AmaÂzonasÂgeÂbiÂet. Die neuen MachtverÂhältÂnisse werÂden auf unsere Arbeit besÂtimmt EinÂfluss haben. Wir wisÂsen nur noch nicht, in welchem AusÂmass.
Geniessen denn die IndiÂgeÂnen so wenig UnterÂstützung? Jair BolÂsonaro macht im Grunde ja eine PoliÂtik für wenige und gleÂichÂwohl hat ihn eine Mehrheit gewählt.
Jair Boslonaro geniesst zunächst einÂmal die volle UnterÂstützung der reichen und einÂflussreÂichen Kreise im Land. Darüber hinÂaus ist er gewählt worÂden, weil er verÂsprach, die seit Jahren in Brasilien besteÂhenÂden ProbÂleme zu lösen: Gewalt, Armut, KorÂrupÂtion. Er hat das auch sehr gut komÂmuÂniziert, darum wurde er gewählt.
Und Sie? Haben Sie VerÂbünÂdete? Was ist mit den Kirchen?
Die Kirchen unterÂstützen uns. Auch, dass wir einen lateinamerikanisÂchen Papst haben, der sich für die Armen und UnterÂdrückÂten einÂsetÂzt, hilÂft uns sehr. GerÂade dieses Jahr gibt es im Vatikan sogÂar eine spezielle AmaÂzonassynÂode. Franziskus hat diese einÂberufen. Wir werÂden auch dabei sein – als die Stimme der MenÂschen im AmaÂzonas.