Wenn Sport poli­tisch instru­men­ta­li­siert wird

Am 7. Febru­ar 2014 ist es soweit. Im rus­si­schen Sot­schi am Schwar­zen Meer wer­den die XXII. Olym­pi­schen Win­ter­spie­le eröff­net. Bis zum 23. Febru­ar 2014 mes­sen sich Ath­le­ten aus aller Welt in der gesam­ten Band­brei­te win­ter­sport­li­cher Dis­zi­pli­nen, ver­fol­gen Zuschau­er das Gesche­hen vor Ort oder am Fern­se­hen. Jen­seits des sport­li­chen Gesche­hens aller­dings wur­de bereits im Vor­feld der Spie­le umfas­sen­de und mas­si­ve Kri­tik geäus­sert. Ange­fan­gen bei den Kosten, die mit rund vier­zig Mil­lio­nen Euro jede Dimen­si­on spren­gen, über Umwelt­sün­den im Rah­men der Bau­durch­füh­run­gen oder der Behand­lung der Arbeits­kräf­te. Weit schwer­wie­gen­der aller­dings sind Beden­ken, die Poli­ti­ker und Men­schen­rechts­ak­ti­vi­sten rund um den Glo­bus in Bezug auf die Miss­ach­tung von Men­schen­rech­ten äusserten. Auch kurz vor der Eröff­nung der Win­ter­spie­le ist noch nicht alles fer­tig. Ver­schie­de­ne Pres­se­be­rich­te las­sen auf teil­wei­se chao­ti­sche Zustän­de bei den Unter­künf­ten und Hotels schlies­sen. Das Pre­sti­ge­pro­jekt von Wla­di­mir Putin, der die Spie­le vor sie­ben Jah­ren nach Sot­schi hol­te und mit ihnen das gröss­te Ereig­nis seit Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on, hat Flecken. Nicht nur bau­li­cher Natur, auch dar­über hin­aus. Der Umgang mit Homo­se­xu­el­len in Russ­land wird von Men­schen­recht­lern schon lan­ge ange­pran­gert. Die Tat­sa­che, dass Wla­di­mir Putin im August 2013 ein gene­rel­les Demon­stra­ti­ons­ver­bot für die Zeit der Spie­le ver­häng­te, trug ihm Inter­na­tio­nal har­sche Kri­tik ein. Mitt­ler­wei­le dür­fen zwar in einer spe­zi­ell aus­ge­wie­se­nen Zone ange­mel­de­te und streng geprüf­te Demon­stra­tio­nen durch­ge­führt wer­den, doch der poli­ti­sche Scha­den ist ange­rich­tet. Künst­ler und Homo­se­xu­el­len-Orga­ni­sa­tio­nen rufen zum Boy­kott der Spie­le auf. Zahl­rei­che Poli­ti­ker haben ange­kün­digt, den Spie­len fern zu blei­ben, dar­un­ter der deut­sche Bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck, die deut­sche Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel, der fran­zö­si­sche Prä­si­dent Fran­cois Hol­lan­de oder US-Prä­si­dent Barack Oba­ma.Unter­stüt­zung verdient Im Gegen­satz dazu wer­den gleich drei Poli­ti­ker aus der Schweiz nach Sot­schi rei­sen. Bun­des­prä­si­dent Didier Burk­hal­ter und die Bun­des­rä­te Ueli Mau­rer und Alain Ber­set wer­den sich auf den Weg in den Kau­ka­sus machen. Der Sport dür­fe nicht ver­po­li­ti­siert wer­den, äus­ser­te sich Ueli Mau­rer in einem Inter­view mit dem Sonn­tags­blick. In eine ähn­li­che Rich­tung for­mu­liert Jürg Stahl, SVP Natio­nal­rat und Swiss-Olym­pic-Exe­ku­tiv­rat in einem Gespräch mit dem Tages­an­zei­ger. Er sei kein Für­spre­cher Russ­lands, die Demo­kra­tie dort habe Nach­hol­be­darf. Doch sei­en Olym­pi­sche Spie­le für vie­le Ath­le­ten ein ein­zig­ar­ti­ges Ereig­nis in ihrem Leben, auf das sie sich jah­re­lang vor­be­rei­ten wür­den. Das ver­die­ne Unter­stüt­zung.Bekann­tes Dilemma Die Spie­le von Sot­schi offen­ba­ren damit ein­mal mehr ein bekann­tes Dilem­ma. Einer­seits for­dern sol­che Gross­an­läs­se dazu her­aus, auf unhalt­ba­re Miss­stän­de auf­merk­sam zu machen. Die Platt­form garan­tiert ein gros­ses Publi­kum. Ande­rer­seits ist frag­lich, ob der Rücken der Sport­ler und der­je­ni­gen, die sich ehr­lich um die Orga­ni­sa­ti­on bemü­hen, der pas­sen­de Ort dazu ist. Ski­renn­fah­re­rin Lara Gut, die eine Matu­ra-Arbeit zu Sot­schi geschrie­ben hat, strei­tet im Inter­view mit der Sonn­tags­zei­tung nicht ab, dass die The­men Homo­se­xua­li­tät, Men­schen­rech­te oder Ter­ro­ris­mus wich­tig sei­en. Doch man spürt in ihren Ant­wor­ten die Sport­ler­sicht, die es auch wün­schens­wert fän­de, wenn bei der Ver­ga­be sport­li­cher Gross­an­läs­se der Sport wie­der in den Mit­tel­punkt gerückt wür­de.Die Kir­chen schweigen Von Sei­ten der Kir­chen hier­zu­lan­de ist es still. Und es mag frag­wür­dig sein, dass sich kirch­li­che Ver­tre­ter nicht zu den erwähn­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und poli­ti­schen Umstän­den äus­sern. Adri­en­ne Suva­da, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­te des Bis­tums Basel, gibt auf Anfra­ge zu beden­ken, dass es schwer sei, sich ohne Exper­ten­wis­sen fun­diert an den Dis­kus­sio­nen zu betei­li­gen. Dar­über hin­aus sei­en Fra­ge­stel­lun­gen, die uns vor Ort beschäf­tig­ten in ande­ren Regio­nen der Welt häu­fig weni­ger drän­gend. Man kann dar­über strei­ten, ob eine der­ar­ti­ge Per­spek­ti­ve ver­fängt, um guten Gewis­sens zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu schwei­gen. Doch stellt sich durch­aus die Fra­ge, wie wir mit unse­ren Vor­stel­lun­gen in Bezug auf ande­re Län­der und Kul­tu­ren umge­hen und deren Sou­ve­rä­ni­tät ach­ten.Dif­fe­ren­zier­te Ein­drücke rund um die Spie­le lie­fert der Sot­schi-Blog der NZZ http://sotschi.blog.nzz.ch/ Geht es um Sport? Geht es um Poli­tik? Und ist das bei Gross­an­läs­sen über­haupt noch von­ein­an­der zu tren­nen? Ihre Mei­nung inter­es­siert uns.
Redaktion Lichtblick
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