«unglaublich befreiend»

«unglaublich befreiend»

Schon in den 60er Jahren forderten visionäre Mit­glieder der Syn­ode ein Bil­dungszen­trum für Erwach­sene. Gestärkt durch den Geist des 2. Vatikanis­chen Konzils waren sie davon überzeugt, dass Glaubens­bil­dung für alle notwendig ist. Dieser Enthu­si­as­mus stand an der Wiege der katholis­chen Bil­dungsar­beit im Aar­gau, heute bess­er bekan­nt unter dem Label «Bil­dung und Prop­stei» «Zu Beginn wurde die Prop­stei als Bil­dungszen­trum für kirch­liche Grup­pen gegrün­det. KAB, Kolp­ing, der Frauen­bund und Pfar­reiräte kamen ins Haus. Gle­ichzeit­ig war die Grün­dungs­gen­er­a­tion aber so weit­sichtig, dass die Prop­stei auch für gesellschaftliche Grup­pen offen stand», sagt Clau­dia Men­nen. Seit 2007 ist sie die Lei­t­erin der Prop­stei und der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei, die zweite Frau und fün­fte Leitungsper­son ins­ge­samt seit Grün­dung des Bil­dung­shaus­es. Der Ansturm auf Ver­anstal­tun­gen zu the­ol­o­gis­chen The­men, Glauben­skurse, Weit­er­bil­dun­gen für Ehre­namtliche in der Liturgie war am Anfang so gross, dass man beschloss, Bil­dungsver­ant­wortliche in die einzel­nen Aar­gauer Regio­nen zu schick­en.Immer auf dem Weg Das Konzept ging auf. Noch heute organ­isiert die Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei Kurse und Bil­dungsver­anstal­tun­gen vor Ort in den Pfar­reien und in der Prop­stei Wis­likofen. Allerd­ings haben sich die Pri­or­itäten ver­schoben. Gab es in den 70er Jahren eine grosse Nach­frage nach Glauben­skursen und in der Aus­bil­dung von Frei­willi­gen, wur­den in den 80ger Jahren die Frage nach Gerechtigkeit, Frieden und Schöp­fungs­be­wahrung pop­ulär. In den 90ger Jahren wurde eine «Frauen­stelle» geschaf­fen, die sich heute mit Fra­gen um das Frau oder Mann­sein, sowie mit der Gle­ich­berech­ti­gung von Schwulen und Les­ben in der Gesellschaft beschäftigt.Nicht nur das Bil­dung­spro­gramm unter­liegt dem Wan­del, auch die Prop­stei muss mit der Zeit gehen und sich immer wieder neu fra­gen, wie sie ihre kirch­liche Herkun­ft für die Gäste sicht­bar und spür­bar macht. Im ver­gan­genen Jahr wurde eine neue Strate­gie entwick­elt. Darin geht es um Nach­haltigkeit, ökol­o­gis­ches Bewusst­sein, Region­al­ität im Einkauf und Saison­al­ität in der Küche. Ein car­i­ta­tives Pro­jekt wurde mit Hil­fe der Gäste unter­stützt und ein Pro­gramm entwick­elt, das nichtkirch­liche Grup­pen nach­fra­gen kön­nen. «Das sind Ange­bote zur Burnout-Pro­phy­laxe, Ein­führung in die Kul­tur der Stille, Impulse aus der Benedik­t­sregel für eine men­schliche Unternehmen­skul­tur sowie Haus­führun­gen, die den Geist der Benedik­tin­er näher brin­gen möcht­en. Das Haus wird so zum umfassenden Glauben­szeug­nis», erk­lärt Clau­dia Men­nen.Bil­dungsver­ständ­nis Liest man sich durch den Ver­anstal­tungskalen­der und die einzel­nen Kursti­tel, erweckt es manch­mal den Ein­druck es werde weniger Bil­dung als Well­ness ange­boten: Shibashi, Jin Shin Jyut­su, Atemkurse – ist das noch Bil­dung? Clau­dia Men­nen lacht. «Das Bil­dungsver­ständ­nis hat sich in den let­zten vierzig Jahren grundle­gend verän­dert. Wurde Bil­dung zuvor mit kog­ni­tiv­er Wis­sensver­mit­tlung von oben nach unten iden­ti­fiziert, bedeutet Bil­dung heute, an den All­t­ags- und Lebenser­fahrun­gen der Men­schen anzuknüpfen. Män­ner und Frauen wollen nicht nur wis­sen, dass der Glaube trägt, nein sie wollen es vor allem erfahren mit Leib und Seele. Ein Men­sch, der sich bess­er spürt und wahrn­immt, kann auch bess­er Nein sagen und sich vertreten, sei es in der Kirche oder der Gesellschaft. Beim Bil­dungsver­ständ­nis der Fach­stelle geht es um Ermäch­ti­gung und Wach­s­tum basierend auf den befreien­den bib­lis­chen Tra­di­tio­nen. Unglaublich befreiend eben!»The­men­vielfalt Erfahrung­sori­en­tierte Zugänge sind gefragt. Men­schen, die an den Kursen teil­nehmen, sollen am eige­nen Leib erfahren kön­nen, dass ein gelin­gen­des Leben in der zunehmend kom­plex­en Welt möglich ist. Neben Clau­dia Men­nen wid­men sich zurzeit fünf weit­ere Erwach­se­nen­bild­ner dem umfassenden Pro­gramm leib­seel­is­ch­er Bil­dung. Clau­dia Nothelfer, Susanne Andrea Birke, Bern­hard Lind­ner, Jür­gen Heinze und Kurt Adler gestal­ten das vielfältige Ange­bot: Fam­i­lien, Män­ner, Frauen, Paare, Men­schen in bes­timmten Alters- und Lebens­ab­schnit­ten – für jede und jeden ist etwas dabei. Anders sind die The­men, wenn Aar­gauer Pfar­reien die The­ologin­nen und The­olo­gen buchen. «Da geht es um Weit­er­bil­dung für Frei­willige, Beratung und Organ­i­sa­tion­sen­twick­lung, die Fort­bil­dung beste­hen­der Grup­pen in ein­er Pfar­rei oder auch psy­chosoziale Prozess­the­men», zählt Clau­dia Men­nen auf. Bil­dung und Prop­stei merkt allerd­ings, dass die Nach­frage nach inhaltlichen Ange­boten vor dem Hin­ter­grund der Pas­toral­raum­bil­dun­gen nachge­lassen hat. «Die Grün­dung der Pas­toral­räume bindet zurzeit viele Kräfte. Da bleibt wenig Zeit und Kraft für anderes, schönes, für Bil­dung eben», sagt Clau­dia Men­nen.Zukun­ft­shoff­nung Und die Zukun­ft der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei? «Zunächst machen wir auf das Jubiläum hin mit einzel­nen Pfar­reien und Grup­pierun­gen ein Pro­jekt zu «unglaublich befreien­den» Erfahrun­gen in der Pfar­rei oder in der Kirche. Wir beschäfti­gen uns so oft mit Kri­tis­chem und Schwieri­gen, dass ermächti­gende und ermuti­gende Erfahrun­gen in den Hin­ter­grund treten», erk­lärt Clau­dia Men­nen. Für die Zukun­ft ste­hen drei grosse Her­aus­forderun­gen im Zen­trum: die Gestal­tung der Nahraumpas­toral, d.h. wir brauchen einen Schub pas­toraler Phan­tasie, damit die kleinen Pfar­reien lebendig bleiben. Die Inte­gra­tion von Flüchtlin­gen ist ein Megath­e­ma auch für die Bil­dungsar­beit. Und die Frage der Gerechtigkeit zwis­chen Män­nern und Frauen, für Men­schen unter­schiedlich­er sex­ueller Ori­en­tierung sowie zwis­chen Men­sch und Schöp­fung.
Anne Burgmer
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