«Selbst das Reich Gottes kommt nicht von alleine»

«Selbst das Reich Gottes kommt nicht von alleine»

  • Am Fre­itag, 17. Mai,  find­et die Segens- und Sol­i­dar­itäts­feier für gle­ichgeschlechtlich Liebende in Rhe­in­felden statt.
  • SP-Gross­rat Flo­ri­an Vock ist an der Feier dabei. Er engagiert sich schweizweit für die Anliegen von Les­ben, Schwulen, Bisex­uellen und Trans­men­schen.
  • Im Vor­feld der Segens- und Sol­i­dar­itäts­feier erk­lärt Flo­ri­an Vock, warum er teil­nimmt, auch wenn er sel­ber kein­er Kirche mehr ange­hört
 Flo­ri­an Vock ist ein geübter Red­ner. Und ein sehr gefragter dazu. Let­zte Woche sprach der SP-Gross­rat und Präsi­dent des Aar­gauis­chen Gew­erkschafts­bun­des an den 1. Mai-Feiern in Aarau und Lenzburg. Am 29. Juni hält Flo­ri­an Vock als schweizweit engagiert­er Aktivist eine Rede in Basel zur Erin­nerung an 50 Jahre Stonewall, dem ersten Auf­s­tand von Les­ben, Schwulen und Trans­men­schen gegen diskri­m­inierende Polizeikon­trollen.

Segensfeier in Rheinfelden

Dazwis­chen, am Fre­itag, 17. Mai, nimmt der 29-Jährige an der Segens- und Sol­i­dar­itäts­feier in der katholis­che Kirche Rhe­in­felden teil. Susanne Andrea Birke von der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei sowie Kurt Adler von der Fach­stelle Diakonie organ­isieren diese Feier bere­its zum sech­sten Mal.

Zehn Jahre Politerfahrung

Die unter­schiedlichen Rede-Ein­sätze zeigen die Band­bre­ite von Flo­ri­an Vocks Engage­ment. Seit zehn Jahren ist er engagiert in der sozialdemokratis­chen Bewe­gung, aktuell als Gross­rat und Nation­al­ratskan­di­dat sowie Präsi­dent des Aar­gauis­chen Gew­erkschafts­bun­des. Der gebür­tige Geben­stor­fer studierte Sozi­olo­gie und Philoso­phie und leit­et bei der Aids-Hil­fe Schweiz Präven­tion­skam­pag­nen. Als schwuler Mann ist er im Vor­stand der Schwu­lenor­gan­i­sa­tion Pink Cross, dem Schweiz­er Dachver­band schwuler und bisex­ueller Män­ner.

Nicht alles hinnehmen

Egal, an welchem Red­ner­pult er ste­ht, Flo­ri­an Vock hat eine klare Hal­tung: «Ich will den Men­schen Mut machen, nicht ein­fach alles so hinzunehmen, wie es ist. Wir alle haben die Kraft, aber auch die Ver­ant­wor­tung, die Welt zu verän­dern.» Als Susanne Andrea Birke den jun­gen Poli­tik­er und Aktivis­ten let­ztes Jahr an der Demon­stra­tion der Pride in Zürich sprechen hörte, fand sie: «Da ist ein­er, der etwas zu sagen hat.»

Religionen sind gesellschaftliches Leben

Im per­sön­lichen Gespräch wird klar, dass da ein­er sitzt, der nicht nur redet, son­dern eben­so viel nach­denkt. Ob über Gott, Marx oder den Papst: Flo­ri­an Vock spricht ruhig, mit ein­er Prise Selb­stironie, hin­ter­fragt und präzisiert seine Über­legun­gen, disku­tiert lei­den­schaftlich gerne. Als Philoso­phie-Stu­dent habe er Antworten auf die grossen Fra­gen des Lebens gefun­den, die ihm näher lägen als Gott, erk­lärt er. Aus der reformierten Kirche ist er aus­ge­treten. Doch Flo­ri­an Vock betont: «Was mich von einem stren­gen Athe­is­ten unter­schei­det, ist, dass ich der Reli­gion einen Wert für die Gesellschaft beimesse. Heutzu­tage sind soziale Sys­teme wertvoll, wo nicht ein­fach Geld, son­dern men­schliche Werte im Mit­telpunkt ste­hen.»

Diskriminierung verletzt

Vor allem den Tran­szen­denz-Bezug der Kirche finde er hoch span­nend, sagt Flo­ri­an Vock. Der wichtig­ste Auf­trag der Kirche sei doch, die grossen Fra­gen zu disku­tieren, welche die Men­schen bewe­gen. Die Stel­lung von Schwulen, Les­ben, Bisex­uellen und Trans­men­schen in der offiziellen römisch-katholis­chen Kirche sei nicht seine Kampf­zone. Jedoch habe er Fre­undin­nen und Fre­unde, die als «ander­s­sex­uelle» Katho­liken unter der Diskri­m­inierung durch ihre Kirche lei­den. «Für sie will ich mich ein­set­zen. Für mich ist es ein Zeichen der Sol­i­dar­ität, an der Segens­feier die Anliegen dieser Men­schen zu unter­stützen.»

Ganz oben sitzen die alten Männer

Inner­halb der Kirche hält die Diskri­m­inierung unverän­dert an. Es sei jedoch nicht an ihm, die römisch-katholis­che Kirche ändern zu wollen oder deren Mit­glieder zu kri­tisieren: «Man darf auch in komis­chen Vere­inen Mit­glied sein», sagt Flo­ri­an Vock augen­zwinkernd. Und doch hätte er einige Vorschläge auf Lager – er kommt in Fahrt, als er aufzählt, welche Änderun­gen der Kirche gut tun wür­den. Vor allem eine: mehr Demokratie! Ganz oben sässen die alten Män­ner. Doch an der Basis seien es vor allem die Frauen, die sich für ihre Näch­sten ein­set­zten. Als Gross­rat habe er gese­hen, dass sich im Aar­gau vor allem linke und christliche Frauen um die unbe­gleit­eten, min­der­jähri­gen Asyl­suchen­den geküm­mert hät­ten. «Jemand muss ja leben, was die alten Her­ren predi­gen», bemerkt Flo­ri­an Vock trock­en.

Politik für Gutmenschen?

Flo­ri­an Vocks Wahlslo­gan für seine Kan­di­datur als Nation­al­rat lautet «Für Kämpfer*innen und Gut­men­schen». Auf den Ein­wand, Gut­men­sch sei doch eher neg­a­tiv kon­notiert, ent­geg­net er entsch­ieden: «In ein­er Gesellschaft, wo ‚Gut­men­sch’ ein Schimpf­wort ist, müssen wir ger­ade das zu unser­er Hal­tung machen. Oder um mit Leon­hard Ragaz zu sprechen: ‚Selb­st das Reich Gottes kommt nicht ohne engagierte Men­schen.’ Wir müssen dafür kämpfen.» «Gottes Liebe ist ein­fach da!» Segens- und Sol­i­dar­itäts­feier für gle­ichgeschlechtlich Liebende, ihre Fre­undin­nen, Fre­unde, Bekan­nten und Fam­i­lie. Fre­itag, 17. Mai 2019, 19 bis 21 Uhr in der katholis­chen Kirche in Rhe­in­felden. Musikalis­che Begleitung durch «gl’amoureuse», anschliessend Apéro und Zusam­men­sitzen. Es laden ein:
 Susanne Andrea Birke, Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei und Kurt Adler-Sach­er, Fach­stelle Diakonie. 
Marie-Christine Andres Schürch
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