«Seelsorger sind Wanderarbeiter»

  • Im Bis­tum Basel gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Alle Leitungsper­so­n­en in der Seel­sorge soll­ten nach acht bis zwölf Jahren ihren Arbeit­sort wech­seln.
  • Das hat gute Gründe, denn auch Priester, Diakone und Pfar­reiseel­sorg­er sind nicht davor gefeit, in Rou­tine zu ver­fall­en.
  • Ein Wech­sel ist für Seel­sorg­er wie auch Gemein­demit­glieder eine Chance, sagt der Per­son­alver­ant­wortliche des Bis­tums Basel.

[esf_wordpressimage id=“32247” width=“half” float=“right”][/esf_wordpressimage]Seit wann diese Regel im Bis­tum Basel gilt, das kann der diöze­sane Per­son­alver­ant­wortliche, Andreas Brun, nicht genau sagen, aber: «Als ich 1994 die Beruf­se­in­führung hier begann, gab’s diese Regel auf jeden Fall schon länger. Es ist auch weniger eine Regel als vielmehr ein Bestreben, den Leitungsper­so­n­en in der Seel­sorge neue Per­spek­tiv­en zu eröff­nen. Ein Wech­sel, so alle acht bis zwölf Jahre, ist sowohl für die Pfar­rei als auch für ein Team und für die Leitungsper­son selb­st anre­gend und inspiri­erend.» Darum hält Bischof Felix an der bewährten Regel fest, auch wenn beim aktuellen Seel­sorg­er­man­gel eine freige­wor­dene Stelle oft nicht naht­los wiederbe­set­zt wer­den kann.

«Unsere Per­son­aldecke ist dünn», bestätigt Andreas Brun, «und sie nimmt noch weit­er ab. Es fehlt uns an Nach­wuchs, und dadurch sind wir sehr gefordert. Wenn jemand per 31. eines Monats an einem Ort aufhört, dann kann man nicht davon aus­ge­hen, dass am 1. schon die neue Per­son anfängt. Wir haben viele offene Stellen, aber die Faus­tregel bleibt den­noch sin­nvoll, auch mit weniger Leuten.» Diakon Andreas Brun, der seit 1. Juli 2020 zusam­men mit Dona­ta Tas­sone-Man­telli­ni die Per­son­alver­ant­wor­tung im Bis­tum Basel innehat, ver­gle­icht die Per­son­al­wech­sel in der Diözese mit der Blu­tauf­frischung in einem Vere­in oder mit der Waldpflege, wo Bäume aus dem Bestand gehauen wer­den, um neu aufzu­forsten: «Wenn ich einen Wech­sel vornehme, bringt das neues Leben.»

«Ein Wechsel tut gut»

Wenn die liebge­wor­dene Pfar­reiseel­sorg­erin oder der Pfar­rer, Diakon, Gemein­deleit­er, der so viel für die Gemeinde getan hat, weit­erziehen, geschieht das aus gutem Grund: «Ein Wech­sel tut gut», sagt Andreas Brun. «Auch in der Pri­vatwirtschaft bleibt heute nie­mand mehr ewig an der gle­ichen Stelle. Durch einen Wech­sel kann man Gewohn­heit­en leichter verän­dern und sich inner­lich neu aus­richt­en.»

Man müsse sich auch bewusst sein, so der erfahrene Gemeinde-­ und Pas­toral­raum­leit­er weit­er, dass man als Seel­sorg­er nie alle Pfar­reim­it­glieder in gle­ichem Masse anspreche. Da könne dann ein Wech­sel dur­chaus für bei­de Seit­en eine Chance bedeuten.

Wechsel auf eigenen Wunsch

[esf_wordpressimage id=“32248” width=“half” float=“left”][/esf_wordpressimage]Simon Meier ist seit acht Jahren als Seel­sorg­er in der Region Brug­g­-Windisch tätig. Zuerst als Gemein­deleit­er der Pfar­rei Brugg, dann der Pfar­rei Windisch und seit Novem­ber 2016 als Pas­toral­raum­leit­er. Es war seine Auf­gabe, diesen Pas­toral­raum aufzubauen, und das hat er auch geschafft. «Ich kon­nte in den let­zten fünf Jahren die Früchte mein­er Arbeit geniessen», erzählt Simon Meier mit Freude. «Aber ich wollte auch nochmals etwas Neues erleben. Ich meine, ich bin jet­zt Anfang 50… Darum machte ich noch die Aus­bil­dung zum Spi­talseel­sorg­er.»

Per 1. Sep­tem­ber 2021 wird Simon Meier seine neue Stelle als Spi­tal­- und Heim­seel­sorg­er in Muri antreten. Tut es nicht weh, einen Ort zu ver­lassen, an dem man so viel aufge­baut und erre­icht hat? «Ich bin ja nicht ganz weg», antwortet Simon Meier. «Ich wohne mit mein­er Fam­i­lie weit­er in Brugg. Aber ich freue mich sehr auf meine neue Auf­gabe, denn ich bin The­ologe gewor­den, um Seel­sorg­er zu sein.» Darum wandte sich Simon Meier vor einem Jahr an die Per­son­alver­wal­tung des Bis­tums, mit dem Wun­sch, einen Stel­len­wech­sel zu vol­lziehen.

Gemeinsame Suche

So wie bei Simon Meier passieren viele Stel­len­wech­sel im Bis­tum Basel. Dazu Andreas Brun: «Entwed­er nehmen die Leute mit uns Kon­takt auf, weil sie sich neu aus­richt­en oder weit­er­en­twick­eln wollen, oder es läuft vielle­icht nicht so gut in ihrer Pfar­rei, und sie möcht­en an einem anderen Ort neu starten.»

Aber auch von Seit­en der Per­son­al­stelle wird das Gespräch gesucht, wenn die Zeit reif ist: «Wir suchen auch von uns aus den Kon­takt, ger­ade, wenn jemand schon länger an ein­er Stelle ist. Dann fra­gen wir mal nach, wie sie oder er die Zukun­ft sieht, beurteilen die Kom­pe­ten­zen und suchen gemein­sam nach der besten Lösung. Seel­sorg­erin­nen und Seel­sorg­er sind Wan­der­ar­beit­er und wer­den im Alter eher gerne sesshaft.»

Niemand wird gezwungen

[esf_wordpressimage id=“32249” width=“half” float=“right”][/esf_wordpressimage]Niemand, auch kein Priester, wird zu einem Wech­sel gezwun­gen. Im Bedarfs­fall set­zt das Bis­tum mehr auf Überzeu­gung als auf Zwang. Diakon Thomas Frey zum Beispiel war 18 Jahre lang Seel­sorg­er in Dot­tikon, bevor er vor sechs Jahren als Pas­toral­raum-­ und Gemein­deleit­er nach Laufen­burg wech­selte. «Das war vor allem für meine bei­den Jungs damals hart, weil sie in Dot­tikon aufgewach­sen sind», erzählt der 59­-Jährige, der am 1. August dieses Jahres nach Inter­lak­en weit­erzieht. «Meine Söhne sind jet­zt selb­st­ständig, und ich habe noch ein­mal eine neue Her­aus­forderung gesucht.»

Auch Thomas Frey sieht die Faus­tregel, die im Bis­tum Basel gilt, primär als Chance für die jew­eili­gen Stel­len­in­hab­er: «Es gibt ja keinen Zwang von Seit­en des Bis­tums. Es ist eher ein Appell an die jew­eili­gen Stel­len­in­hab­er. Bei mir war es ja auch so, dass man auf meine famil­iäre Sit­u­a­tion Rück­sicht genom­men hat, als ich noch in Dot­tikon tätig war. Aber es ist für nie­man­den sin­nvoll, 30 oder 40 Jahre am sel­ben Ort zu sein. Ich habe mich ganz bewusst für eine Stelle in der Dias­po­ra entsch­ieden. In Inter­lak­en kann ich von meinen Sprachken­nt­nis­sen prof­i­tieren. Ich spreche Deutsch, Englisch und Por­tugiesisch, was da oben von grossem Nutzen ist.» Andreas Brun war es, der ihn auf diese Stelle aufmerk­sam gemacht hat­te.

Christian Breitschmid
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