Nicht Krippe, sondern Zeugnis

Nicht Krippe, sondern Zeugnis

Seit der Kind­heit ist für Arben Markaj der Krip­pen­bau fes­ter Bestandteil der Vor­wei­h­nacht­szeit. Vom Vater hat er es gel­ernt und diese Tra­di­tion als roten Faden aus dem Koso­vo mit in die Schweiz genom­men. Die Bewohn­er des Quartiers kom­men zu Besuch, wenn die Krippe fer­tig ist.Schon am Weg zur Haustüre wird klar: Hier leben Katho­liken. Engel fände man sich­er an vie­len Orten, doch links ste­ht, von kleinen Schafen umlagert, eine Marien­stat­ue. Die Tür wird geöffnet. Drei kleine Mäd­chen toben durch das Trep­pen­haus, guck­en neugierig.

Krippe statt TV

Der Krip­pen­bauer ist noch nicht da, seine Frau Fred­eri­ka bit­tet mich here­in. «Möcht­en Sie einen Kaf­fee, einen Tee?» Sie werkelt in der Küche während mein Blick unweiger­lich nach rechts auf die Krippe wan­dert. Von ihrer Grösse her hält sie lock­er mit manch­er Kirchenkrippe mit.«Hier ist wenig Platz, wir über­legen, in eine grössere Woh­nung zu ziehen», sagt Fred­eri­ka Markaj halb entschuldigend. Über der Krippe ist ein goldbesterntes blaues Tuch drapiert, darauf arrang­iert: musizierende Engel. Rechts hängt ein gestick­ter Text in alban­is­ch­er Sprache, links – liebevoll ger­ahmt – ein Artikel über die Krippe aus der Rund­schau von 2015, eine Urkunde und ein Foto von einem schlicht­en Pfer­dewa­gen vom koso­varischen Lande. Vier Pneu, eine Lade­fläche, ein Pferd. Vis a vis, über dem Sofa, hängt ein Kreuz. Der Fernse­her ist an die linke Seite ver­ban­nt, der Blick vom Sofa gilt der Krippe.

Nur die Figuren überdauern

Wenig später kommt Arben Markaj heim. Er begrüsst seine Frau, seine Kinder und erkärt: «Ich hat­te viel Arbeit, entschuldigen Sie». Der 32-jährige ist Geschäfts­führer der McDon­alds-Fil­iale in Baden, hat 30 Mitar­beit­er, die er koor­dinieren muss. Dann, bei Tee und Kuchen, und nach­dem die drei Mäd­chen in der Woh­nung ver­schwun­den sind, erzählt er von der Krippe.«Ohne die Unter­stützung von Fred­eri­ka kön­nte ich das gar nicht machen. Etwa drei Wochen bas­tle und baue ich jeden Abend daran, fahre in den Wald, hole Holz, Rinden­stücke und Moos», sagt Arben Markaj. Ein Kol­lege von ihm hat ein Stück Wald, erlaubt ihm, dort sein Bau­ma­te­r­i­al zu holen. Und das jedes Jahr auf’s Neue. Denn bis auf die Fig­uren und bes­timmte Req­ui­siten geht alles nach Ende der Wei­h­nacht­szeit den Weg alles Irdis­chen. Der kun­stvoll geflocht­ene Zaun, der Wagen, das Holz, der Stall – alles. Wei­h­nacht­en ist Neuan­fang.

Einladung ans Quartier

Die Tra­di­tion des Krip­pen­baus hat Arben Markaj vom Vater über­nom­men, sie war üblich bei den Fam­i­lien in seinem Heimat­dorf im Koso­vo. Mit 14 Jahren kam Arben Markaj in die Schweiz, der Krip­pen­bau kam mit. Doch Arben Markaj baut die Krippe nicht allein für sich und seine Fam­i­lie. Wenn nach drei Wochen alles fer­tig ist, öffnet die Fam­i­lie ihre Woh­nungstür, und die Bewohn­er des gesamten Quartiers sind ein­ge­laden, zu Besuch zu kom­men. Und die Quartier­be­wohn­er kom­men. Die Stube ist vollgestopft mit Men­schen, die schauen und staunen.

«Nationalität» Christ

Die älteste Krip­pen­fig­ur, die Arben Markaj besitzt ist rund 20 Jahre alt – doch die befind­et sich im Koso­vo. Andere ältere, kleinere Fig­uren wohnen ein Stock­w­erk höher bei seinen Eltern. Die ältesten der Fig­uren in der aktuellen Krippe sind fünf Jahre alt. Das Kamel der Heili­gen Drei Könige ist zum Mit­nehmen schön, hat echt­es Fell.Drei Län­der vere­int die Krippe: Koso­vo, Schweiz und Israel. Einige der Fig­uren hat Arben Markaj von ein­er Pil­ger­reise ins Heilige Land, aus Beth­le­hem mit­ge­bracht, Teile des Holz‘ stam­men aus dem Koso­vo. Für einen Chris­ten, einen Katho­liken, so Arben Markaj, sollte die Nation­al­ität Neben­sache sein.

Geschenke sind nicht die Hauptsache

Ob Fred­eri­ka und Arben, die seit 13 Jahren ver­heiratet sind, zu ein­er der Fig­uren an der Krippe einen beson­deren Bezug haben? «Maria!», lautet die ein­stim­mige Antwort. «Ohne sie, die ‚Ja‘ zu Gott gesagt hat, wäre Wei­h­nacht­en nicht möglich», sagt Arben Markaj.Es ist dem Ehep­aar wichtig, dass auch ihre Töchter in der katholis­chen Tra­di­tion gross wer­den. «Sie sollen wis­sen, was der Grund für Wei­h­nacht­en ist, und dass es nicht nur um die Geschenke geht», erk­lärt Arben Markaj. Und Fred­eri­ka fügt mit einem Lächeln an: «Auch wenn sie sich natür­lich über die Geschenke sehr freuen».

Ein Boot mit zwei Paddeln

Die lebendi­ge Glaubensweit­er­gabe in der Fam­i­lie Markaj beein­druckt. Son­ntags feiern sie in Aarau in Peter und Paul mit der Alban­is­chen Katholis­chen Mis­sion Gottes­di­enst. Arben Markaj engagiert sich dort auch als Sakris­tan. «Man muss für bei­des sor­gen. Für Arbeit, Brot, Leben­sun­ter­halt und für den Geist, die Seele und den Glauben. Deshalb ist der Son­ntag wirk­lich Son­ntag bei uns», erk­lärt er und zeich­net dann ein starkes Bild: «Es ist wie mit einem Boot mit zwei Pad­deln. Wenn ich nur mit einem von bei­den rud­ere, dreht sich das Boot im Kreis. Es braucht immer bei­de, damit das Boot ger­adeaus schwimmt».

Handlungen zählen mehr als Worte

Arben Markaj fährt mich nach dem Gespräch wie selb­stver­ständlich mit dem Auto zu meinem Anschlusster­min. Vom Rück­spiegel baumelt ein Rosenkranz, an der Fahrer­seite, ganz unten in der Ecke der Frontscheibe, spiegelt sich ein Porträt von Mut­ter There­sa.Arben Markaj erzählt, dass er auch seine McDon­alds-Fil­iale als Katho­lik führt, unter seinen Mitar­beit­ern als gläu­big bekan­nt und akzep­tiert ist. «Die schön­sten Worte brin­gen nichts, wenn man sein Katholisch-Sein nicht lebt. Die Hand­lun­gen machen es aus, und wenn ich aus tief­stem Herzen Katho­lik bin und so lebe, strahlt das aus. Christ ist man 24 Stun­den am Tag. Nicht, wenn einem danach ist».
Anne Burgmer
mehr zum Autor
nach
soben