«Nachbarschaftskonflikte können sehr emotional werden»

«Nachbarschaftskonflikte können sehr emotional werden»

  • Anlässlich der Woche der Reli­gio­nen erscheint aktuell die inter­re­ligiöse Pub­lika­tion «zVis­ite» als Beilage ver­schieden­er Schweiz­er Pfar­reiblät­ter. Das diesjährige The­ma lautet «Nach Frieden streben – den Krieg ernst nehmen».
  • Karin Gautschi weiss aus ihrer Tätigkeit als Frieden­srich­terin in Diet­likon und Bachen­bülach, warum Men­schen stre­it­en.
  • Sie ver­mit­telt in Zivil­stre­it­igkeit­en und sucht mit den Kon­flik­t­parteien nach bei­d­seits akzept­ablen Lösun­gen.

Seit 2009 bin ich Frieden­srich­terin im Gross­raum Zürich. Meine Auf­gabe ist es, zwis­chen Kon­flik­t­parteien zu ver­mit­teln, sie anzuhören, danach einzuschätzen, wo das Prob­lem liegt, und Lösun­gen zu find­en. Oft kommt es am Schluss zu einem soge­nan­nten Ver­gle­ich, bei dem bei­de Parteien ein wenig nachgeben und von ihren Max­i­mal­forderun­gen abrück­en. Wenn dann bei­de Kon­tra­hen­ten nicht ganz glück­lich damit sind, kann die Entschei­dung nicht so falsch sein. Ob dabei um einen Franken oder um eine Mil­lion gestrit­ten wird, um einen Baum oder einen Hund, spielt für mich keine Rolle. Das Schlich­tungsver­fahren hat in der Schweiz eine lange Tra­di­tion und ist einzi­gar­tig. Andere Län­der ken­nen das Amt des Frieden­srichters nicht oder zumin­d­est nicht in dieser Art. Unsere Erfol­gsquote liegt bei 65 Prozent. Das zeigt, es lohnt sich, zusam­men­zusitzen, um eine gütliche Lösung zu find­en. Meist geht es um Geld, um Löhne und unbezahlte Rech­nun­gen, Dar­lehen, Unter­halt­skla­gen, schlecht aus­ge­führte Arbeit­en oder Stre­it­igkeit­en zwis­chen Nach­barn.

Damit man sich wieder «Grüezi» sagen kann

Nach­barschaft­skon­flik­te kön­nen sehr emo­tion­al wer­den. Es ist oft schwierig, die Leute auf eine sach­liche Ebene zu brin­gen, um her­auszufind­en, warum der Baum an der Grund­stücks­gren­ze den einen extrem stört, während er dem anderen doch so am Herzen liegt. Da braucht es nicht sel­ten kreative Lösun­gen, damit sich die Nach­barn nach dem Ver­fahren zumin­d­est wieder «Grüezi» sagen kön­nen. Das gelingt mir rel­a­tiv gut. Aber natür­lich gibt es auch Men­schen, die ver­bit­tert sind, oft Stre­it haben, ihn regel­recht suchen; respek­t­lose Men­schen, denen das Schick­sal der anderen egal ist; oder solche, die ihr eigenes Wohlbefind­en immer voranstellen. Manch­mal wird es in der Sitzung laut, es kommt zu Aus­brüchen und Trä­nen, dann machen wir eine Pause, bis alle sich wieder beruhigt haben.

Wir sind auch Anlauf­stelle für Beratun­gen bei Ver­fahren, die nicht beim Frieden­srichter stat­tfind­en. Für Paare etwa, die wis­sen wollen, wie das Prozedere ein­er Tren­nung oder Schei­dung abläuft. Dabei geht es aber nur um Ver­fahrens­fra­gen. Die Entschei­dung, ob sie sich schliesslich tren­nen, kann ich ihnen jedoch nicht abnehmen. Das Ziel ist es, darauf hinzuwirken, dass Paare sich fair tren­nen, so dass bei­de Part­ner und ihre Fam­i­lien wieder eine Zukun­ft haben. Selb­st wenn ich per­sön­lich eher auf Har­monie bedacht bin, finde ich es richtig, für seine Rechte einzuste­hen. Bei Stre­it­igkeit­en in der Nach­barschaft, in der Fam­i­lie oder generell sollte man trotz­dem immer erst das Gespräch suchen. Denn der Rechtsweg ist aufwendig, oft zer­mür­bend und teuer.


Die Woche der Reli­gio­nen

https://www.horizonte-aargau.ch/miteinander-statt-uebereinander-sprechen/

Marie-Christine Andres Schürch
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