Lam­pe­du­sa vor dem Papstbesuch

Es riecht nach Teer, mod­ri­gen Algen und alter Schmie­re. Höl­zer­ne Wracks mit ara­bi­schen Schrift­zei­chen tür­men sich zu Dut­zen­den gleich neben der Hafen­bucht von Lam­pe­du­sa, wo das Weiss der Jol­len und Jach­ten den Ton angibt. Ein Bag­ger hat die vor­de­ren Käh­ne zusam­men­ge­scho­ben, um Platz zu schaf­fen für den näch­sten: «Abdal­lah», Knecht Got­tes, liegt auf einem Tief­la­der. Mit fast 200 Flücht­lin­gen an Bord ist das Boot aus Liby­en am letz­ten Mitt­woch auf der ita­lie­ni­schen Insel ange­kom­men. Nicht mehr als ein Rumpf, ein schwa­cher Die­sel, dazwi­schen ein paar Plan­ken, kei­ne 15 Meter lang und kein Schutz gegen die Son­ne. Kaum vor­stell­bar, unter wel­chen Bedin­gun­gen die Men­schen aus Soma­lia und Eri­trea hier tage­lang Platz fan­den. Wenn Papst Fran­zis­kus heu­te Mon­tag vor Ein­hei­mi­schen, Migran­ten und Tou­ri­sten die Mes­se auf dem Sport­platz fei­ert, blickt er direkt auf den angren­zen­den Fried­hof der Flüchtlingsboote. 

Knapp 500 Armuts­flücht­lin­ge haben es letz­ten Mitt­woch aus Nord­afri­ka bis zu Euro­pas süd­li­chem Vor­po­sten geschafft, nur weni­ge Tage vor dem Besuch von Papst Fran­zis­kus. Zwei Boo­te konn­te die ita­lie­ni­sche Mari­ne in der Nacht und am Mor­gen vor der Insel orten. «Dar­auf waren auch schwan­ge­re Frau­en und Kin­der ohne Beglei­tung», sagt Kapi­tän­leut­nant Giu­sep­pe Can­na­ri­le. «In Tune­si­en und Liby­en war­ten tau­sen­de Flücht­lin­ge aus ganz Afri­ka. Immer wenn das Meer ruhig ist, star­ten die Boo­te.» Heu­te Mon­tag wird der jun­ge Offi­zier am Steu­er von Wach­boot 269 ste­hen, auf dem Papst Fran­zis­kus bei sei­nem Kurz­be­such auf der Insel einen Kranz ins Was­ser wer­fen will. Für die vie­len, die auf der Flucht umka­men. Seit 1988 wur­den Medi­en zufol­ge 20 000 Ertrun­ke­ne und Ver­dur­ste­te zwi­schen Gibral­tar und Grie­chen­land gezählt. Plötz­li­che Unwet­ter und feh­len­de Ori­en­tie­rung sei­en die gröss­te Gefahr für die völ­lig über­la­de­nen Bar­ken, meint Gui­sep­pe Can­na­ri­le. «Die Men­schen­schmugg­ler drücken den Leu­ten einen Kom­pass in die Hand, ein Han­dy und die Num­mer unse­rer Leit­stel­le in Paler­mo. Dann gna­de ihnen Gott.»

Die­sel statt Trink­was­ser. Wer die Fahrt nach Lam­pe­du­sa über­lebt, kommt ins Auf­fang­la­ger. Ein «Check­point Char­lie» im Kal­ten Krieg zwi­schen Reich und Arm wur­de es genannt, umzäunt und von der Armee bewacht. Unter Bäu­men lie­gen Neu­an­kömm­lin­ge auf Schaum­stoff. Nafid, 32, ist vor drei Mona­ten von Soma­lia auf­ge­bro­chen. Durch Äthio­pi­en und den Sudan reich­ten ihn die Schlep­per wei­ter, jedes Mal kas­sier­ten sie ab. «1000 Dol­lar hab ich bis Liby­en bezahlt. Nach zwei Wochen irgend­wo an der Küste bekam ich einen Platz auf dem Boot. Wir fuh­ren drei Tage.» Rund 200 Kilo­me­ter See­strecke dürf­ten hin­ter ihm lie­gen. Das Trink­was­ser habe gefehlt, weil sie den knap­pen Raum für den Die­sel brauch­ten. Ein paar hun­dert Dol­lar blei­ben ihm noch für Euro­pa, erzählt er. Er ver­steht ein paar Brocken Eng­lisch und Ita­lie­nisch, will zu Ver­wand­ten in Frank­reich und hofft auf irgend­ei­nen Job. Eine Aus­bil­dung nach euro­päi­schen Mass­stä­ben hat er offen­bar nicht. Die Fra­ge nach dro­hen­der Abschie­bung mag man ihm zwan­zig Stun­den nach der Lan­dung nicht stel­len. Dafür ist er zu erschöpft.

Histo­ri­scher Augen­blick. Dass der Papst sie heu­te im Hafen tref­fen will, haben die mei­sten erst im Lager erfah­ren. Etli­che hier sind Mus­li­me, sogar Men­schen aus dem Irak und Paki­stan sei­en dar­un­ter, sagen die Cara­bi­nie­ri. Aber auch vie­le Chri­sten aus Süd­west­afri­ka. «Lam­pe­du­sa ist der Kno­ten zwi­schen Nord und Süd. Fran­zis­kus kommt, um ihn zu lösen und das Wohl­stands­ge­fäl­le vor aller Welt anzu­kla­gen. Das wird ein histo­ri­scher Augen­blick für Lam­pe­du­sa und ganz Euro­pa», glaubt Don Car­me­lo Petro­ne, der Spre­cher der Erz­diö­ze­se Agri­gen­to. Beson­ders für die 5000 Insu­la­ner, von denen vie­le den Ansturm auf Lam­pe­du­sa mit Angst und Arg­wohn sehen. Denn immer mehr Tou­ri­sten blei­ben weg, wäh­rend im ersten Halb­jahr erst­mals seit 2011 wie­der mehr Flücht­lin­ge kamen, über 4000. Die Regie­rung fliegt sie inzwi­schen so schnell wie mög­lich nach Sizi­li­en und aufs Fest­land aus, noch letz­ten Mitt­woch ver­liess eine Maschi­ne mit 150 Men­schen Lam­pe­du­sa. Papst Fran­zis­kus hat sich einen dis­kre­ten Emp­fang gewünscht. «Trotz­dem ver­sinkt die Kom­mu­ne in Vor­be­rei­tun­gen», berich­tet Don Car­me­lo Petro­ne. Stras­sen müs­sen repa­riert, Ambu­lan­zen und zusätz­li­che Fäh­ren orga­ni­siert wer­den. Chri­stoph Schmidt/kipa

 

Redaktion Lichtblick
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