Joseph Thali, JedeR ist Königin. Befreiende Rückgewinnung religiöser Zeichen im Jahreskalender

Joseph Thali, JedeR ist Königin. Befreiende Rückgewinnung religiöser Zeichen im Jahreskalender

Joseph Thali. Jed­eR ist Köni­gin. Befreiende Rück­gewin­nung religiös­er Zeichen im Jahreskalen­der. ISBN 978–3‑033–04876‑8. Bezug per Mail zu 20 Franken inkl. Ver­sand: oder per SMS 079 303 99 81Diakon Joseph Thali hat ein Buch vorgelegt, das dazu beiträgt, die Bräuche in der katholis­chen Kirche neu zu beleben. Aus­gangspunkt sein­er Über­legun­gen ist die Beobach­tung, dass seit den1990er Jahren die Wer­bung infla­tionär mit religiösen Sym­bol­en über­flutet wird. Religiös ver­ankerte Fig­uren wer­den zu Lock­vögeln für gewin­n­max­imierende Geschäfte einge­set­zt. So wurde uns der christliche Kalen­der ger­aubt. Dieser Raub, so Joseph Thali, ist die Entwen­dung der Pausen. «Die Reli­gion des Kap­i­tal­is­mus ken­nt keine Unter­brechung, keinen Sab­bat und keinen Son­ntag. Alles ist jed­erzeit und über­all zu haben.» Wie die Rück­gewin­nung geschehen kann, wird in achtzehn Kapiteln vorge­führt. Da wird keine bloss intellek­tuelle «Nach­denkerei» zele­bri­ert. Es wird vielmehr von ein­er vielfach erprobten Prax­is erzählt. Faszinierend ist das Strick­muster der Abschnitte zu den Bräuchen. Ein erster Schritt ist die Erin­nerung an die eigene Kind­heit in katholis­chem Stamm­land. Eine kri­tis­che Erin­nerung, die den Spreu vom Weizen zu unter­schei­den ver­mag. Der zweite Schritt ist eine befreiungs­the­ol­o­gis­che Reflex­ion auf die Optio­nen die der jew­eilige Brauch in sich trägt. Damit ver­bun­den ist drit­tens eine bib­lis­che Besin­nung. Alle diese Erfahrun­gen und Über­legun­gen wer­den im Darstellen der Prax­is des jew­eili­gen Brauch­es im Hor­i­zont unser­er Welt umge­set­zt. Wahrlich ein Buch für Liturgin­nen, Litur­gen und Liturgiegrup­pen. Lesenswert ist das 69 Seit­en starke Buch aber auch für Men­schen auf der Suche nach ein­er geerde­ten Spir­i­tu­al­ität, die nicht eso­ter­isch ort­los ist, son­dern in den Nöten der Men­schen anpackt.Da geht es etwa um die Bräuche, die mit St.Nikolaus ver­bun­den sind, den Thali als Befreiungs­the­olo­gen vorstellt. Die Kel­ten, unsere Vor­fahren, glaubten, dass im Win­ter ein Toten­heer und dro­hende Mächte unter­wegs sind. Mit Speisen und anderen Gaben, die sie vor ihre Behausun­gen legten, hofften sie die Unheils Mächte besän­fti­gen zu kön­nen. Im Lauf der Zeit beschenk­te man nicht mehr die Toten, son­dern die armen Kinder. St.Martin und St.Nikolaus wur­den zu Gabenüber­bringern. Um Niklaus entwick­eln sich aus­sages­tarke Leg­en­den. Niklaus kämpft gegen den Hunger und prak­tiziert eine andere Ökonomie: Die Güter der Erde sind für alle da und nie­mand darf ver­hungern. «eine befreiungs­the­ol­o­gis­che Pas­toral­prax­is in ihren Hand­lungs­feldern auf der Seite der ökonomisch Ver­armten, der poli­tisch Bevor­munde­ten und ide­ol­o­gisch Aus­ge­gren­zten feiert, betet, unter­richtet und diakonisch han­delt.» Die Niko­lausle­gen­den zeigen ein Tun, das sich an paulin­is­chen Kat­e­gorien ori­en­tiert: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seit «ein­er» in Jesus Chris­tus.»In Rothrist, wo Josef Thali als Gemein­deleit­er wirk­te, wollte die Autopartei einen St.Nikolausumzug durch­führen. Niko­laus sollte zur Sym­bol­fig­ur der rück­sicht­slosen auf «freie Fahrt» fix­ierten rechts­bürg­er­lichen Partei wer­den. Diesen Raub aber ver­hin­derten die Rothris­ter. Es wurde um die Kirche ein gross­es Niko­laus­fest gefeiert, dass auch noch 30 Jahre danach jährlich organ­isiert wird. Nach den Geschicht­en, die Niko­laus vorträgt, wer­den alte Niko­laus­lieder gesun­gen, die Kinder sagen ihre Reim­verse auf. Und dann ziehen alle mit Niko­laus und seinem Esel durch das Dorf. Die Kinder tra­gen bemalte Glaslater­nen mit sich. Mit Kuh­glock­en und Tre­icheln vertreiben sie die Dämo­nen. Zurück auf dem Kirch­platz ste­hen Tee, Glüh­wein, Nüsse, Man­dari­nen und Lebkuchen bere­it. Die Kinder kön­nen mit Niko­laus reden. Ein Stück Reich Gottes wird spür­bar. Niko­laus bleibt ein religiös­es Sym­bol.Achtzehn Bräuche wer­den vorgestellt. Jed­er mit einem provozieren­den Titel über­schrieben. Advent ist Wider­stand; Palm­son­ntag: Eselin als Prophetin; Ostern: Fin­ger auf die Wun­den leg­en; Pfin­g­sten: Fin­ger­spitzenge­fühl für das Leben; Tag der Flüchtlinge: Gott oder Mam­mon; Aller­heili­gen: Heiligge­sproch­ene und Heilige.Grossar­tig sind die Bilder, die in dieses Buch aufgenom­men wur­den. Es Sind Bilder von Beat Hofer, Fotos von Ellen Math­ys und Objek­te von Veroni­ka Ker­nen Thali.Das Buch leis­tet auch der Befreiungs­the­olo­gie gute Dien­ste. Es zeigt, dass sie nicht ein­fach abstrak­te Reflex­ion ist, son­dern auch from­mem Leben neue Kraft ver­mit­teln. Deut­lich wird auch, dass Befreiungs­the­olo­gie nicht Destruk­tion von Tra­di­tion und Ver­trautem ist, son­dern eine gläu­bige Kreativ­ität freiset­zt, die Men­schen ermutigt im aufrecht­en Gang ihr Leben mit andern zu gestal­ten.  xp
Silvia Maria Berger
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