«Ich habe Respekt vor diesem Schritt»

«Ich habe Respekt vor diesem Schritt»

  • Grafik­erin, Zis­terzienserin, Eremitin: Am Son­ntag, 8. Jan­u­ar, legt Schwest­er Ursu­la Niecholat im Ver­e­namün­ster in Bad Zurzach die Gelübde als Eremitin des Bis­tums Basel in die Hände von Bischof Felix Gmür ab.
  • Die Entschei­dung für diesen Schritt ist lange gereift, mehr als ein­mal musste sich Schwest­er Ursu­la im Leben neu aus­richt­en.
  • Hor­i­zonte hat von der kün­fti­gen Eremitin erfahren, wie es ihr gelingt, unter den Men­schen und trotz­dem auf Gott aus­gerichtet zu leben.

Unter der Alt­bau­woh­nung von Schwest­er Ursu­la Niecholat im Ober­fleck­en von Bad Zurzach liegt ein Durch­gang für Fuss­gänger. Ab und zu ist das Poltern eines Kick­boards auf den Pflaster­steinen zu hören. Das Wohngeschoss mit Sitzecke, Büro und Küche wirkt wie eine Über­gangszone zwis­chen dem Strassen­lärm und der Stille, die einen Stock höher herrscht. Im Dachz­im­mer ste­hen ein Kreuz, mehrere Iko­nen und ein schlichter Tisch. Hier betet Sr. Ursu­la täglich.

Kirchenrechtlich anerkannt

Regelmäs­sige Gebet­szeit­en bilden den sta­bilen Rah­men für Sr. Ursu­las Leben, in dem sie sich mehr als ein­mal neu aus­gerichtet hat. Bald begin­nt für die 67-Jährige ein neuer Abschnitt: Am Sam­stag, 8. Jan­u­ar, legt sie um 17 Uhr im Ver­e­namün­ster in Bad Zurzach ihre Gelübde zur Diöze­saneremitin in die Hände von Bischof Felix ab. Wer beim Wort «Eremit» an den Heili­gen Brud­er Klaus in der abgele­ge­nen Schlucht denkt, liegt der Wortbe­deu­tung nach richtig: Das alt­griechis­che «Eremites» heisst «Wüsten­be­wohn­er». Doch Sr. Ursu­la erk­lärt, dass heutige Eremiten die «Tren­nung von der Welt» anders und ganz indi­vidu­ell leben. [esf_wordpressimage id=35987 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Wichtig ist ihr, festzuhal­ten, dass «Eremit» nach dem Kodex des kanon­is­chen Rechts (CIC) ein kirchen­rechtlich anerkan­nter Stand mit ganz ver­schiede­nen Aus­prä­gun­gen ist. Damit ist ein eremi­tis­ches Leben möglich, das nicht zwin­gend an einen Orden gebun­den ist. Durch das Gelübde in die Hände des Bischofs verpflichtet sich der Eremit auf die drei soge­nan­nten «Evan­ge­lis­chen Räte» – Armut, Keuschheit und Gehor­sam gegenüber Gott.

«Ich habe nur noch einen Chef»

Sr. Ursu­la ist schon eine Weile mit anderen Eremiten des deutschsprachi­gen Raums in Verbindung und hat sich mit dieser Lebens­form einge­hend beschäftigt. «Ich habe grossen Respekt vor diesem Schritt.» Doch sie spürt, dass der Eremiten­stand ihr erlaubt, ihre spir­ituelle Beru­fung auf für sie stim­mige Weise zu leben. «Ich merk­te schon als Kind, dass ich die Beru­fung fürs geistliche Leben habe. Ich war witzig, manch­mal über­mütig, aber oft auch still und nach­den­klich.»

Ursu­la Niecholat wuchs in der Nähe von Bad Zurzach, im deutschen Tien­gen, auf. Später studierte sie Grafik­erin und war in Freiburg in ein­er Agen­tur tätig. «Damals stellte ich mir die Frage, ob das der Sinn meines Lebens sei», erin­nert sie sich. Eines Tages habe sie beschlossen: «Von jet­zt an habe ich nur noch einen Chef, und das ist Gott.»[esf_wordpressimage id=35979 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Die Ästhetik des Einfachen

Es fol­gten ein Schnup­per­jahr im Kapuzin­erk­loster Stüh­lin­gen und die Zeit als Schwest­er im Kloster Lich­t­en­tal. «Aber ich blieb suchend.» Im Jahr 2002 trat Ursu­la Niecholat ins Zis­terzienserin­nen­kloster Mari­azell in Wurms­bach am Oberen Zürich­see ein. «In der Grafik gel­ten die Regeln der Ein­fach­heit, Reduk­tion und Schlichtheit. Die klöster­liche Ein­fach­heit im Essen, in der Klei­dung und der Lebens­führung haben meinen Sinn für Ästhetik ange­sprochen und mich voll gepackt.»

Eremitin ohne Orden

Die Erfahrun­gen im Kloster waren zwiespältig: «Das Spir­ituelle ist meine Welt. Aber ich fühlte mich oft in extremen Sit­u­a­tio­nen und spürte: Mein Wesen sucht etwas anderes», sagt Sr. Ursu­la rück­blick­end. Im Jahr 2015 ver­liess sie Wurms­bach und trat in Bad Zurzach eine Stelle als Sakris­tanin an. «Ich hoffte, ein Eremiten­leben ausser­halb des Klosters führen und den­noch weit­er zum Orden gehören zu kön­nen. Der Orden erlaubte das nicht.» Die benedik­tinisch-zis­terzien­sis­chen Werte, Acht­samkeit, Ver­füg­barkeit und struk­turi­ertes Leben, pflegt sie bis heute.

Die Auenlandschaft gibt Kraft

Als Sakris­tanin pflegt Sr. Ursu­la die Begeg­nun­gen mit Besuch­ern des Mün­sters. «Die Möglichkeit des Rück­zugs in die Seele muss aber immer gegeben sein.» Jeden Tag fährt sie mit dem Velo durch den Fleck­en hin­unter zur Aue «Chly Rhy». In der Natur kann sie die Schön­heit der Schöp­fung bewusst wahrnehmen. Und beim Blick durchs Objek­tiv ihrer Kam­era die Welt um sich herum vergessen.

Marie-Christine Andres Schürch
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