Conclave
Bild: © Elite Film AG

Conclave

«Herr, schenke uns einen Papst, der zweifelt»

Fern von Exorzismus und Dan-Brown-Verschwörungen: Der Film «Konklave» ist als Vatikan-Thriller so packend, weil er sich nah an der Realität bewegt. Visuell berauschend, inhaltlich fundiert und mit viel schwarzem Humor wird eine katholische Kirche inszeniert, die ihrem eigenen Machthunger zum Opfer fällt.


Dieser Beitrag erschien zuerst im pfar­rblatt Bern

Der Papst ist tot. Herz­in­farkt. Am Toten­lager ste­ht Kar­di­nal Lawrence. Tief betrof­fen muss er mitanse­hen, wie dem ger­ade ver­stor­be­nen Ober­haupt der katholis­chen Kirche der Fis­cher­ring vom Fin­ger genom­men und die Ring­plat­te mit dessen Namen her­aus­geschla­gen wird. Danach wird in dem Zim­mer, in dem nur wenige eng­ste Ver­traute des Pap­stes anwe­send sind, mit «sede vacante» verkün­det, dass der Heilige Stuhl nun unbe­set­zt ist.

Ein Kon­klave muss nun den Nach­fol­ger bes­tim­men. Das Wahlkol­legium der römisch-­katholis­chen Kirche wurde im Laufe der Jahrhun­derte immer mehr aus­gestal­tet und 1996 von Papst Johannes Paul II. abgeschlossen. Teil­nehmen dür­fen alle wahlberechtigten Kardinäle, die das 80. Leben­s­jahr noch nicht vol­len­det haben. Kon­klave heisst über­set­zt «mit dem Schlüs­sel» – die Abstim­mung find­et hin­ter ver­schlosse­nen Türen statt, jenen der Six­tinis­chen Kapelle.


Machtkampf hinter verschlossenen Türen


Im Film begin­nt das Kon­klave drei Wochen nach dem Tod des Pap­stes. Aus der ganzen Welt sind die wahlberechtigten Kardinäle angereist. Einige von ihnen gel­ten als «papa­bile», als pap­st­tauglich, beispiel­sweise der erzkon­ser­v­a­tive ital­ienis­che Kar­di­nal Tedesco oder der ehrgeizige kanadis­che Kar­di­nal Trem­blay.

Der besonnene Kar­di­nal Lawrence soll als Dekan die Wahl leit­en, hadert jedoch aus per­sön­lichen Grün­den mit der Auf­gabe. Lawrence fühlt sich aus­ge­bran­nt und möchte dem Vatikan den Rück­en kehren. Deshalb hegt er selb­st keine Ambi­tio­nen auf den Heili­gen Stuhl. Sein per­sön­lich­er Favorit ist der lib­erale Kar­di­nal Belli­ni, ein langjähriger Ver­bün­de­ter des ehe­ma­li­gen Pap­stes.

Für Lawrence wird das Kon­klave zu ein­er Zer­reis­sprobe, als er von Intri­gen erfährt, deren Hin­ter­grün­den er auf die Spur kom­men will. Sie haben direk­te Auswirkun­gen auf den Aus­gang der Papst­wahl. Auch eine Ernen­nung «in pec­tore» – also unter Geheimhal­tung – sorgt für Ver­wirrung. Zur gle­ichen Zeit warten auf dem Peter­splatz und der ganzen Welt Mil­lio­nen auf den weis­sen Rauch, der die Wahl eines neuen Pap­stes ankündigt. Ein sich hinziehen­des Ver­fahren kann als Zeichen der Spal­tung der Kirche gedeutet wer­den.

Und dann wird das Kon­klave, das sich her­metisch vor der Welt ver­schliesst, doch noch von der Real­ität der Welt einge­holt. Bombe­nan­schläge in Rom lassen die geheimnisumwit­terten apos­tolis­chen Palast­mauern erzit­tern, zer­schmettern die Fen­ster der Kapelle, sodass die Mod­erne mit ihren drän­gen­deren Kon­flik­ten here­in­we­ht.


Rütteln am Heiligsten


Die Gewis­sheit, von der Kar­di­nal Lawrence in ein­er Predigt im Peters­dom spricht, gibt es nicht mehr – wenn es sie denn je gab. «Lasst uns beten, dass der Herr uns einen Papst schenkt, der zweifelt», sagt er dort vor seinen über­rascht­en Kar­di­nal­skol­le­gen. Einige von ihnen inter­pretieren die Aus­sage zu ihren Gun­sten, um eigene Ver­fehlun­gen zu recht­fer­ti­gen. Doch Lawrence – beein­druck­end dargestellt von Ralph Fiennes – will als skep­tis­ch­er Real­ist viel eher dazu ermuti­gen, Dog­men in Frage zu stellen, um sich den eige­nen Glauben zu bewahren.

«Kon­klave», das neue Werk des öster­re­ichisch-schweiz­erischen Film­regis­seurs und Oscarpreisträgers Edward Berg­er, ist ein Thriller, der unter die Haut geht und der zeigt, wie die vatikanis­che All­macht in ihren Grund­festen erschüt­tert wird.

Die Geschichte basiert auf dem gle­ich­nami­gen, 2016 erschiene­nen Roman des britis­chen Autors Robert Har­ris und hält sich eng an die Vor­lage – mit ein­er Aus­nahme: Im Drehbuch von Peter Straugh­an bekom­men die Frauen in diesem von (alten) Män­nern dominierten Mikrokos­mos ein Gesicht mit der Fig­ur von Schwest­er Agnes, gespielt von Isabel­la Rosselli­ni.


Heisse Eisen der echten Kirche


In ein­er starken Szene ergreift sie das Wort vor den ver­sam­melten Kardinälen und stellt ­richtig, was richtiggestellt wer­den muss. Sie, die zuvor als Schat­ten durch die Gänge huschte und von Kirchen­fürsten nicht beachtet wurde. Auch dieses Ungle­ichgewicht wird im Film gekon­nt in Szene geset­zt. Während sich die Pur­purträger frei im Innen­hof bewe­gen und miteinan­der unter­hal­ten, bere­it­en die Schwest­ern in der Küche das Essen vor.

Solche Kon­traste faszinieren Kam­era­mann Stéphane Fontaine. Sie zeigen let­ztlich auch auf der visuellen Ebene die Wider­sprüche in der Kirche zwis­chen Tra­di­tion und Mod­erne, Für­sorge und Unter­las­sung, Kirchen­struk­turen und Leben­sre­al­ität auf. Die Drehar­beit­en fan­den übri­gens nicht an Orig­i­nalschau­plätzen statt, da der Vatikan keine Bewil­li­gung erteilte. Viele Auf­nah­men ent­standen deshalb in den Cinecit­tà Stu­dios in Rom, wo die Six­tinis­che Kapelle nachge­bildet wurde.

Der Film behan­delt nicht nur die Frauen­frage, son­dern auch andere kon­tro­verse The­men der Kirchen­poli­tik wie den Zöli­bat, Homo­sex­u­al­ität, die Miss­brauchsskan­dale und den Umgang mit wiederver­heirateten Geschiede­nen. Diese Auseinan­der­set­zung gelingt ohne moralis­che Keule, dafür mit einem spitzfind­i­gen Humor, der aufzeigt, auf welch ver­loren­em Posten die katholis­che Kirche heute ste­ht.

Die filmis­che Umset­zung ist gut recher­chiert, das Prozedere geschichtlich akku­rat und einige der Kardinäle gle­ichen realex­istieren­den. So hat der im Film vork­om­mende nige­ri­an­is­che Kar­di­nal Adeye­mi, der sich vehe­ment gegen Homo­sex­u­al­ität äussert, Ähn­lichkeit­en mit dem kon­gole­sis­chen Kar­di­nal Fridolin Ambon­go Besun­gu, der sich mehrfach gegen die Vatikan-Erk­lärung «Fidu­cia sup­pli­cans» gestellt hat.

«Fidu­cia sup­pli­cans», das im Dezem­ber 2023 veröf­fentlicht wurde und eine Seg­nung gle­ichgeschlechtlich­er Paare ges­tat­tet, stammt aus der Fed­er des argen­tinis­chen Leit­ers der Glaubens­be­hörde Vic­tor Fer­nan­dez. Dessen lib­erale Ansicht­en wer­den im Film durch die Fig­ur des mexikanis­chen Kar­di­nals Ben­itez ver­mit­telt. Aktuell ist der Film auch deshalb, weil die Frage der Nach­folge des fast 88-jähri­gen Papst Franziskus näher rückt. Erst vor weni­gen Wochen ernan­nte Papst Franziskus 21 neue Kardinäle. Damit erhöhte er die Zahl der Papst­wäh­ler auf 141.

Einige dürften sich vom Film provoziert fühlen. Schon das Ende der Buchvor­lage erregte die Gemüter kon­ser­v­a­tiv­er Katholik:innen. Was wer­den sie wohl zu einem Film sagen, der auf diesen Aus­gang sog­ar noch ein starkes State­ment drauf­set­zt: Die let­zte Szene gehört den Frauen und damit wohl auch die Zukun­ft der katholis­chen Kirche.

Reto Moser
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