«Hello Prague, this is Wislikofen calling»

«Hello Prague, this is Wislikofen calling»

  • Die Online-Delegierten nehmen in der Prop­stei Wis­likofen an der Syn­ode in Prag teil.
  • Über religiöse und sprach­liche Bar­ri­eren hin­weg leben die Teil­nehmenden Syn­odal­ität.
  • Am Dien­stagabend haben Tat­jana Dis­teli und Hele­na Jeppe­sen den Schweiz­er Beitrag vor­ge­tra­gen.

Dien­stag ist Tag drei der Kon­ti­nen­tal­en Syn­ode in Prag. Seit ver­gan­genem Fre­itag befind­et sich die Dreierdel­e­ga­tion aus der Schweiz, beste­hend aus Bischof Felix Gmür, Tat­jana Dis­teli, Gen­er­alsekretärin der Lan­deskirche Aar­gau und Hele­na Jeppe­sen von Fas­te­nak­tion, in Prag.

[esf_wordpressimage id=42486 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

«Tagsüber führen wir viele inter­es­sante Gespräche mit Men­schen aus aller Her­ren Län­der», schreibt Tat­jana Dis­teli in ihrem Prager Tage­buch, das sie auf Hor­i­zonte laufend pub­liziert. Zum Auf­tak­t­gottes­di­enst am Son­ntag sei die Kirche «brechend voll» gewe­sen», berichtete sie aus der Haupt­stadt in Tschechien. «Presse über­all.»

In der Prop­stei Wis­likofen geht es ruhiger zu und her. Zehn Schweiz­er Online-Delegierte haben sich hier im Bil­dung­shaus zusam­menge­fun­den. Das physis­che Tre­f­fen ist aussergewöhn­lich. Die meis­ten der ins­ge­samt 390 Online-Delegierten sitzen, ver­sprengt im ganzen Land, allein hin­ter ihren Com­put­ern.

Die Wis­likofer Online-Del­e­ga­tion beste­ht aus der RKZ-Präsi­dentin Rena­ta Asal-Ste­ger, Men­tari Bau­mann, Geschäft­slei­t­erin der Refor­m­gruppe «Allianz Gle­ich­würdig Katholisch», Claire Jonard, der Koor­di­na­torin des Zen­trums für Beruf­s­pas­toral in der Westschweiz, der Tessin­er The­olo­gin Valenti­na Anzi­ni, Marie-Antoinette Lor­wich, Westschweiz­er The­olo­gin, Mar­jan Marku, Priester im St. Galler Domkapi­tel, Schwest­er Luiza Milani, in der Thur­gauer Migra­tionspas­toral tätig,  Simon Spen­gler, Sprech­er der Zürcher Kan­ton­alkirche, Felix Ter­ri­er, Priester des Bis­tums Basel und Mali­ka Scha­ef­fer ver­ant­wortlich für den Webauftritt und die sozialen Medi­en der Kan­ton­alkirche in der Waadt.

Die Wis­likofer Gruppe mag es direk­ter und lebt dabei gle­ich Syn­odal­ität. Der Begriff bedeutet: Gemein­sam auf dem Weg sein. Das sei «nicht ein­fach», hört man auch in der Sitzung der Wis­likofer Gruppe immer wieder. Auch hier sind sich nicht alle einig. Nicht zur Ordi­na­tion der Frauen, nicht zur Ehe für alle, nicht zum Bild der Kirche.

In der Pause lausche ich im Gang einem Zwiege­spräch zum The­ma Ehe für alle. Es wird hart geführt. Aber nach dem Kaf­fee kehren auch die Kon­tra­hen­ten gemein­sam an die Sitzung zurück. Neben den Mei­n­ungsver­schieden­heit­en gibt es auch Sprach­bar­ri­eren. Zum Glück helfen ver­sierte Über­set­zerin­nen und Über­set­zer, dies zu über­winden. Gelebte Syn­odal­ität ist kein Spazier­gang.

Gelebte Synodalität

Um neun Uhr sind die deutschsprachi­gen Delegierten im Benedik­t­saal bere­it. Die franzö­sisch sprechen­den Delegierten ziehen sich in ein anderes Zim­mer zurück. Nun fol­gen online die Beiträge der ver­schiede­nen Län­der. 200 Delegierte aus ganz Europa sind in Prag. Jede Del­e­ga­tion hat sechs Minuten Redezeit.

[esf_wordpressimage id=42499 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Gut zuhören, kritisch reflektieren

Im Benedik­t­saal herrscht ges­pan­nte Aufmerk­samkeit. Auf ein­er Grosslein­wand sind die Ref­er­entin­nen und Ref­er­enten zu sehen. Die Wisk­likofer Gruppe hört aufmerk­sam zu. Ab und zu schmun­zelt jemand über das Rin­gen der Über­set­zerin­nen und Über­set­zer um die richti­gen Worte. Dann und wann vern­immt man ein anges­pan­ntes Schnauben im Saal. Wer ver­ste­hen will, muss sehr gut zuhören. Auch wenn die längst wider­legt geglaubten Argu­mente ermü­den.

Die grossen Fen­ster im Sitzungsraum geben die Sicht frei auf die weit­en Felder hin­ter dem ehe­ma­li­gen Benedik­tin­erk­loster. Anders als im quirli­gen Kon­feren­zho­tel in Prag kann die Wis­likofer Gruppe die gehörten Beiträge aus aller Welt in Ruhe reflek­tieren. Vielle­icht ist das ein Grund, weshalb die Urteile hier in der idyl­lis­chen und kom­fort­ablen Umge­bung des Klosters oft kri­tis­ch­er aus­fall­en als bei den Schweiz­er Delegierten in Prag.

Ist das Kirchensprache?

Die Sprache viel­er Referieren­den ist voller Meta­phern. Manch­mal sind sie tre­f­fend, manch­mal ver­wirrend. Oft nicht greif­bar. Ist das die Kirchen­sprache, die so viele von der Basis nicht mehr ver­ste­hen, wie in den Voten der Delegierten moniert wird?

Die Posi­tio­nen der ver­schiede­nen Län­der sind allerd­ings auch sehr ver­schieden. Da ist der laute Ruf nach Ökumene aus Let­t­land, der Apell aus Lux­em­burg, das schal­lende Schweigen der­jeni­gen, die nichts sagen, eben­so wahrzunehmen. Die Mon­e­gassen sind besorgt, ihre Jun­gen nicht mehr zu erre­ichen. In Moldaw­ien will man sich erst mal die syn­odale Meth­ode aneignen und richtet einen klaren Fokus auf Migran­tinnen und Migranten.

In der ukrainis­chen Eparchie Mukatschewe kom­men Vor­be­halte gegen die Bedürfnisse einzel­ner Anspruchs­grup­pen zum Vorschein. LGBTQI sei ein poli­tis­ches The­ma und kein Prob­lem der Kirche. Im Votum der Nordis­chen Län­der wün­scht man sich die Beteili­gung der Frauen und dass die Kirche im Ein­klang ste­he mit der mod­er­nen Welt.

Verunsicherung über das Abschlusspapier

Beim Mit­tagessen in Wis­likofen gibt das zweite Abschlusspa­pi­er viel zu reden. Erst am Mor­gen haben die Delegierten erfahren, dass ein solch­es Doku­ment nach Rom geschickt wer­den müsse. Die Bis­chöfe hät­ten dieses allein zu ver­fassen. Das ist nicht syn­odal, sind sich viele in der Gruppe einig.

Nach dem Essen fol­gt der Aus­tausch mit den Delegierten in Prag. Das zweite Abschluss­doku­ment gibt auch in Prag zu reden. Bischof Felix Gmür will sich dafür ein­set­zen, dass es nur ein gemein­sames Abschluss­doku­ment geben solle. Allen­falls könne es ein Begleit­doku­ment der Bis­chöfe geben. Etwas anderes ergebe schlicht keinen Sinn, find­et der Bischof.

Prag – Wislikofen

Die Kom­mu­nika­tion zwis­chen Wis­likofen und Prag geht durch das Mikrophon eins Lap­tops. Wer reden will muss sich vor den Com­put­er stellen und laut und deut­lich sprechen. Jede Frage und  jede Antwort wird auf Deutsch und Franzö­sisch über­set­zt.

Auch die Prager Gruppe weiss nichts Genaues über die Schlussredak­tion des Abschluss­doku­ments. Hele­na Jeppe­sen motiviert die Wis­likofer Gruppe, einen eige­nen Text zu ver­fassen, der vom sech­sköp­fi­gen Redak­tion­steam in den Abschlusstext eingear­beit­et werde.

Extreme Spannungen und Paradigmenwechsel

Bischof Felix Gemür ergreift das Wort: «Span­nun­gen, hier sind die extremen Span­nun­gen das zen­trale The­ma». Solche Span­nun­gen nehmen alle Delegierten in ihren Aus­tauschgrup­pen wahr. Es gehe jet­zt darum, respek­tvoll mit den zugrun­deliegen­den Dif­feren­zen umzuge­hen, sagt Tat­jana Dis­teli.

Bemerkenswert find­et die Gen­er­alsekretärin der Aar­gauer Lan­deskirche, dass alles besprochen wer­den könne. «Das erlebe ich zum ersten Mal auf diese Weise.» Alle The­men wür­den auf den Tisch gelegt: Gottes­bild, Sün­den­ver­ständ­nis, Moralvorstel­lun­gen. Let­ztlich gehe es um die Frage nach Recht­gläu­bigkeit. Und diese Frage werde in allen Län­dern gestellt, in Ost und West. Was die Län­der unter­schei­de, seien die Mehrheitsver­hält­nisse, sagt Tat­jana Dis­teli. Was jedoch deut­lich zu spüren sei, ist der Wun­sch, gemein­sam auf dem Weg zu ein­er Kirche zu sein.

The­ol­o­gisch sehen Bischof Felix Gmür und Tat­jana Dis­teli einen Par­a­dig­men­wech­sel. Viel häu­figer wür­den die Texte aus dem Zweit­en Vatikanis­chen Konzil zitiert. Bischof Felix Gmür erin­nert, dass es Län­der gebe, welche diese Texte erst seit kurz­er Zeit rezip­ieren, da sie vorher schlicht ver­boten gewe­sen seien. In Let­t­land etwa seien die Texte erst vor fünf Jahren ins Let­tis­che über­set­zt wor­den.

Vortrag der Schweizer Delegation

Die Span­nung in Prag und Wis­likofen steigt. Um 18 Uhr wird die Schweiz­er Del­e­ga­tion ihr Votum abgeben. Klar ist jet­zt schon, vor­tra­gen wer­den die Frauen. Um 18 Uhr treten Tat­jana Dis­teli und Hele­na Jeppe­sen, bei­de in Schwarz, vor das Pub­likum. «Die Zeit drängt: Wir sehen die Notwendigkeit ein­er echt­en Umkehr. Deshalb ist die jet­zige syn­odale Erfahrung für viele ein wichtiges Hoff­nungsze­ichen…», sagt Tat­jana Dis­teli. Die Red­ner­in­nen prangern den sex­uellen und spir­ituellen Miss­brauch an und ver­lan­gen die Anerken­nung der Würde und Beru­fung aller Getauften, sprich die Gle­ich­berech­ti­gung in der katholis­chen Kirche.

Sie machen auf die schweiz­erischen Struk­turen der Mitbes­tim­mung aufmerk­sam. Sie kön­nten ein Vor­bild für die Weltkirche sein. Hele­na Jeppe­sen und Tat­jana Dis­teli fordern Inklu­sion für Frauen, queere Men­schen, Arme, Flüch­t­ende, Men­schen ander­er Herkun­ft, Kranke, Men­schen mit Behin­derung. Für die Syn­ode im Herb­st wün­schen sie sich: Beratung der Rolle der Frau in der Kirche unter der Mitwirkung von Frauen – syn­odal eben.

Eva Meienberg
mehr zum Autor
nach
soben