Friedensprozess um Jahre zurückgeworfen

Zwis­chen Israelis und Palästi­nensern ist es zu den schärf­sten Auseinan­der­set­zun­gen seit der let­zten Gaza-Offen­sive im Novem­ber 2012 gekom­men. Die Kom­mis­sion Justi­tia et Pax der katholis­chen Kirche im Heili­gen Land ruft ein­dringlich zu einem radikalen Wan­del in Israel und Palästi­na auf. Justi­tia et Pax in der Schweiz unter­stützt diesen «Appell für einen muti­gen Wan­del. »Die gegen­wär­tige Eskala­tion der Gewalt wirft den israelisch-palästi­nen­sis­chen Frieden­sprozess stark zurück, befürchtet zudem der Sprech­er der deutschen Benedik­tin­er­a­btei Dor­mi­tio in Jerusalem, Nikode­mus Schn­abel.

Pater Nikode­mus, wie schätzen Sie die gegen­wär­tige Lage im Heili­gen Land ein?
Nikode­mus Schn­abel: Ich füh­le mich zurück­ge­wor­fen in das Jahr 2012, dem let­zten Gaza­krieg. Pos­i­tive Bewe­gun­gen in Rich­tung Frieden und Ver­söh­nung wie etwa die Ini­tia­tive von John Ker­ry, der Besuch von Papst Franziskus oder das Tre­f­fen von Palästi­nenser­präsi­dent Mah­mud Abbas und dem israelis­chen Präsi­den­ten Schi­mon Peres im Vatikan scheinen wie ver­pufft zu sein.

Wie bet­rifft die gegen­wär­tige Gewal­teskala­tion die Chris­ten vor Ort?
Die Chris­ten sind wie immer diejeni­gen, die mit leis­es­ter Stimme sprechen, die keinen radikalen Flügel unter­hal­ten. Sie kom­men in der Wahrnehmung dieses Kon­flik­tes zwis­chen jüdis­chen Israelis und mus­lim­is­chen Palästi­nensern nicht vor. Die Chris­ten sind somit vergessene Opfer, weil sie zahlen­mäs­sig unterge­hen. Allerd­ings würde ich auch sagen, dass Chris­ten hier schon anderes durchgemacht haben und auch das über­ste­hen, sie haben eine Über­lebens­men­tal­ität.

Gibt es konkrete Auswirkun­gen für das Leben der Dor­mi­tio-Abtei?
Vor und während des Pap­st­be­such­es gab es viel Aufre­gung um die Nutzung des Abendmahlsaales. Es kam zu antichristlichen Demon­stra­tio­nen und auf die Abteikirche ist ein Bran­dan­schlag verübt wor­den. Dies alles ist jet­zt in den Hin­ter­grund getreten. Zynisch kön­nte man sagen, es gibt jet­zt «Wichtigeres».

Die jüng­ste Eskala­tion fol­gt auf den Besuch des Pap­stes im Heili­gen Land und das Friedens­ge­bet, zu dem Papst Franziskus Palästi­nenser­präsi­dent Mah­mud Abbas und Israels Präsi­dent Schi­mon Peres in den Vatikan ein­ge­laden hat. Sehen Sie eine Verbindung zwis­chen den ver­stärk­ten Bemühun­gen um Frieden und dem wach­senden Extrem­is­mus?
Der Papst ist nicht an der Eskala­tion schuld, aber der Frieden­sprozess und die Hand­lun­gen des Pap­stes haben bei­den Kon­flik­t­parteien viel abver­langt. Während des Pap­st­be­such­es hat­ten nach mein­er Ein­schätzung die mod­er­at­en Kräfte die Ober­hand, was die radikalen Kräfte grum­mel­nd hin­nehmen mussten. Jet­zt ver­fall­en bei­de Seit­en wieder in alt­bekan­nte Muster und fast scheint es so etwas wie ein Aufat­men zu geben: Endlich weiss man wieder, wo dran man ist. Ich habe das Gefühl, dass viele Men­schen mit den Friedensini­tia­tiv­en über­fordert waren. Man ver­lässt sich lieber auf die bekan­nten Has­s­muster, als auf den anderen zuzuge­hen, das ist zu anstren­gend. Für die Dialog­be­we­gung ist die Eskala­tion allerd­ings ein Faustschlag. Viele, die sich sehr für den Frieden engagieren, sind frus­tri­ert und ent­täuscht.

Ist in abse­hbar­er Zeit mit Frieden oder zumin­d­est dem Ende der Gewalt zu rech­nen?
Der Frieden­sprozess ist sehr weit zurück­ge­wor­fen wor­den, viele Schritte wur­den zunichte gemacht. Jet­zt ist viel Wieder­auf­bau nötig, das Ver­trauen muss wiederge­won­nen wer­den. Was passieren kann, und darauf hoffe ich: Wenn die gesunde Zivilge­sellschaft in Israel, die in diesem Kon­flikt der stärkere Part­ner ist, sich kri­tisch in Frage stellt und Stereo­typen ent­larvt, etwa in Bezug auf die bish­er behauptete moralis­che Über­legen­heit, dann kön­nten daraus zarte Pflänzchen entste­hen und ein Umdenken ein­set­zen. Denn let­zten Endes gibt es nur zwei Alter­na­tiv­en: Den kräftezehren­den und auch ökonomisch schädlichen Sta­tus Quo des Kon­flik­ts oder die zarte Stimme der Ver­nun­ft gegen Ras­sis­mus.

kipa/acm

 

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Redaktion Lichtblick
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