Erste Ten­den­zen sichtbar

Bei­na­he wäre sie mit einem Skan­dal gestar­tet: Am Vor­tag der Eröff­nung der Welt­bi­schofs­syn­ode hat­te sich ein pol­ni­scher Vati­kan-Prä­lat als prak­ti­zie­ren­der Schwu­ler geoutet. Gleich­zei­tig ver­sam­mel­ten sich Zehn­tau­sen­de zu einer Gebets­vi­gil, um für kla­re Wor­te der Syn­ode für die tra­di­tio­nel­le katho­li­sche Fami­li­en­leh­re zu beten. Die bei­den Lager, schien es, waren damit nicht nur in der Syn­ode­nau­la im Vor­feld schon abgesteckt.Die Syn­oden­vä­ter hin­ge­gen bemüh­ten sich in der ersten Woche sicht­lich, bei allen Gegen­sät­zen eine Eska­la­ti­on zu ver­mei­den. Kon­kre­te Ergeb­nis­se waren zum Abschluss des ersten Syn­oden­drit­tels nicht zu erwar­ten. Die ersten Zwi­schen­be­rich­te zei­gen aber Ten­den­zen.Dis­kus­si­on in 13 Sprach­zir­keln Zum Auf­takt mach­te Papst Fran­zis­kus noch ein­mal klar, wor­um es ihm geht: Die Syn­oden­teil­neh­mer sol­len in einen offe­nen Dia­log tre­ten und ein­an­der zuhö­ren. Dabei setzt er auf die Arbeit im klei­nen Kreis: 13 Sprach­zir­kel – vier auf Eng­lisch, je drei auf Fran­zö­sisch und Ita­lie­nisch, zwei auf Spa­nisch und einer auf Deutsch – dis­ku­tie­ren ins­ge­samt fast 40 Stun­den lang und gewin­nen damit gegen­über dem Ple­num an Gewicht. Zugleich hat Fran­zis­kus deut­lich gemacht, dass er das Zep­ter nicht aus der Hand zu geben gedenkt: In einer unge­wöhn­li­chen Wort­mel­dung am zwei­ten Syn­oden­tag unter­strich er die Kon­ti­nui­tät zwi­schen der Bischofs­yn­ode 2014 und dem gegen­wär­tig Tref­fen. Ein Zurück hin­ter das 2014 Erreich­te, wie man­che Kon­ser­va­ti­ve es wün­schen, wird es nicht geben.Über­ra­schun­gen nicht aus­ge­schlos­sen Das Ergeb­nis der Syn­ode lie­ge nicht in den Hän­den ihrer Teil­neh­mer, son­dern des Pap­stes, hat­te am ersten Syn­oden­tag der ein­zi­ge Schwei­zer Ver­tre­ter, der Sit­te­ner Bischof Jean-Marie Lovey, bei einem Pres­se­ge­spräch betont und mög­li­che Über­ra­schun­gen nicht aus­ge­schlos­sen: «Wir müs­sen uns dar­auf vor­be­rei­ten, etwas anzu­neh­men, was wir viel­leicht nicht erwar­tet haben!» Von dem aus­drück­li­chen Recht, wäh­rend der Bera­tun­gen über deren Ver­lauf und sei­ne per­sön­li­chen Ein­drücke zu kom­mu­ni­zie­ren, will der Schwei­zer Bischof – ent­ge­gen vie­ler Amts­brü­der – kei­nen Gebrauch machen. Erst am Ende, liess er ver­lau­ten, wer­de es wie­der ein Pres­se­ge­spräch geben.Akzent auf das Gelin­gen­de Unter­des­sen dis­ku­tiert Jean-Marie Lovey im fran­zö­sisch­spra­chi­gen Gesprächs­kreis «Cir­culus Gal­li­cus A» zusam­men mit rund 20 Syn­oden­vä­tern, Exper­ten und Gästen. Die Grup­pe um Mode­ra­tor Kar­di­nal Gérald Cyprien Lacroix (Kana­da) und Bericht­erstat­ter Erz­bi­schof Lau­rent Ulrich (Frank­reich) for­der­te in ihrem ersten Zwi­schen­be­richt, nicht nur die vie­len Schwie­rig­kei­ten und Her­aus­for­de­run­gen zu sehen, son­dern einen Akzent auf die vie­len gelun­ge­nen Fami­li­en zu legen. Der «Cir­culus A» plä­diert für mehr Offen­heit und für eine Spra­che, «die den Dia­log mit unse­ren Zeit­ge­nos­sen favo­ri­siert».Auch selbst­kri­ti­sche Töne Ähn­lich der Tenor aus ande­ren Sprach­zir­keln: Eine all­ge­mein­ver­ständ­li­che­re Spra­che sei nötig, der Fokus auf die Pro­ble­me zeich­ne ein zu nega­ti­ves Bild. Die mit fünf Kar­di­nä­len und einem Patri­ar­chen hoch­ka­rä­tig besetz­te deut­sche Grup­pe ging noch einen Schritt wei­ter und for­der­te, die Kir­che dür­fe nicht «zu sehr in eine Über­be­wer­tung der eher pes­si­mi­sti­schen Wahr­neh­mung unse­rer Gesell­schaft ver­fal­len». Auch Selbst­kri­tik wur­de geäus­sert. Einer der eng­lisch­spra­chi­gen Sprach­zir­kel etwa for­der­te ein Schuld­be­kennt­nis der Bischö­fe für ihr Ver­sa­gen in der Fami­li­en­pa­sto­ral. Fast schon für Erstau­nen sorg­ten ein­zel­ne Wort­mel­dun­gen aus Afri­ka etwa gegen die Dis­kri­mi­nie­rung von Homo­se­xu­el­len – tra­ten doch bei der Syn­ode 2014 vor allem die Bischö­fe vom schwar­zen Kon­ti­nent als Hard­li­ner auf.Stra­te­gie scheint auf­zu­ge­hen Auf dem Papier war es allen bekannt: Die tat­säch­li­che kul­tu­rel­le Viel­falt wird – glaubt man den ein­zel­nen Zwi­schen­be­rich­ten – den­noch erst im direk­ten Mit­ein­an­der in den Sprach­grup­pen zur erleb­ten Rea­li­tät. Bei aller spür­ba­ren und aus­ge­spro­che­nen Unsi­cher­heit in Bezug auf Fran­zis­kus’ neue Her­an­ge­hens­wei­se scheint sei­ne Stra­te­gie in die­ser Hin­sicht auf­zu­ge­hen: Die Klein­grup­pen dis­ku­tie­ren inten­siv, vor allem aber hören die Ver­tre­ter aus den unter­schied­lich­sten sozia­len und kirch­li­chen Rea­li­tä­ten ein­an­der zu und tau­schen sich aus. Im Ple­num von 270 Syn­oden­vä­tern aus fünf Kon­ti­nen­ten wäre dies wohl kaum mög­lich.Heis­se Eisen wer­den erst noch behan­delt Auch wenn es zum Ende der ersten Woche laut Vati­kan­spre­cher Feder­i­co Lom­bar­di «klei­ne Anfän­ge einer Debat­te mit den bekann­ten unter­schied­li­chen Posi­tio­nen» gege­ben hat: Der befürch­te­te Rich­tungs­kampf zwi­schen den Lagern von Refor­mern und Kon­ser­va­ti­ven blieb bis­lang wei­test­ge­hend aus. Aller­dings wer­den die wirk­lich heis­sen Eisen — der Umgang mit wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen und mit Homo­se­xu­el­len – auch erst in der drit­ten Syn­oden­wo­che behandelt.
Marie-Christine Andres Schürch
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