
Bild: © Roger Wehrli
Eine Krippe voller Leben
Seit zwanzig Jahren sind in Aarau ganz besondere Krippenfiguren zu bewundern
Immer am 1. Advent erwachen sie zum Leben: die Krippenfiguren in der Kirche Peter und Paul in Aarau. Jedes Detail an ihnen hat seine ganz eigene Bedeutung und Geschichte.
Auf den Stufen, die zum Altar führen, sitzen acht Personen. Vier von ihnen sind in Bewegung, suchen eine bequeme Position, richten ihre Frisuren, lachen und geben einander Anweisungen. Die anderen vier blicken ruhig in den Kirchenraum und lächeln still vor sich hin. Noemi, Hanna, Timo und Gabriel posieren zusammen mit ihren Erfindern und Erschafferinnen für den Fotografen.
Krippenfiguren in Aarau
Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums der Aarauer Krippenfiguren wird in der Kirche Peter und Paul eine kleine Ausstellung gezeigt. Sie erzählt die Geschichte(n) hinter den Figuren. Am Sonntag, 30. November findet um 10 Uhr der 1. Adventsgottesdienst statt.
Krippenweg in Basel
Vom 1. Advent bis nach Weihnachten sind auf dem Krippenweg durch die Basler Innenstadt 40 Krippen zu bewundern: in Schaufenstern von Geschäften in der Altstadt, in drei Kirchen und rund ums Petersschulhaus. Der Verein «Pro Krippenweg», bestehend aus Vertreterinnen der römisch-katholischen, der reformierten und der christkatholischen Kirchgemeinde, organisiert den Weg bereits zum neunten Mal. Die teilnehmenden Geschäfte haben bei der Gestaltung der Krippen freie Hand. So entsteht von abstrakten Figuren bis zur üppig dekorierten Szenerie jeweils eine bunte Vielfalt an Krippen. Eröffnet wird der Krippenweg am Freitag, 28. November, um 19 Uhr in der Kirche St. Marien in Basel. Der Weg hat keinen Start- und Zielpunkt, sondern lädt zu einer Entdeckungstour durch die Innenstadt ein. Die einzelnen Standorte finden Sie auf der Website. Brechen Sie auf zu einem besinnlichen, aber auch sehr unterhaltsamen Spaziergang für die ganze Familie!
www.krippenweg.ch
Ein Projekt mit vielen Beteiligten
Die Geschichte von Noemi und ihren Kolleginnen und Kollegen begann vor 20 Jahren. Damals startete die Pfarrei Peter und Paul Aarau zu ihrem 125-Jahr-Jubiläum ein besonderes Projekt. Eine Krippe sollte entstehen. Eine Krippe mit Figuren und Tieren, die nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit ihren Auftritt hätten, sondern auch unter dem Jahr für Gottesdienste, Feiern und den Unterricht eingesetzt werden könnten. Nachdem im Jahr 2004 die Kirche gebrannt hatte und danach der Kirchenraum neugestaltet wurde, nahm die Idee des Pfarreiteams langsam Form an.
Die Erschaffung der Krippenfiguren war ein grosses Projekt mit vielen Beteiligten. Der damalige Aarauer Pfarreiseelsorger Claudio Tomassini erinnert sich: «Viele verschiedene Menschen trugen mit ihren Begabungen dazu bei, dass die Figuren lebendig wurden.» Ruth Huckele hatte damals gerade das Amt als Kirchenpflegepräsidentin abgegeben, da wartete bereits die nächste Aufgabe auf sie: «Claudio fragte mich, ob ich die fertigen Figuren anziehen würde», erzählt sie. Zusammen mit weiteren erfahrenen Schneiderinnen entwarf sie für jede Figur massgeschneiderte Kleidung, bestehend aus Hose, Hemd, Unterkleid und einem kunstvoll gestalteten Gewand. Die Näherinnen fertigten mit viel Liebe und Sorgfalt auch Schuhe, Perücken und Accessoires. Dafür trugen die Frauen Stoffe zusammen, sortierten und recycelten teils eigene Kleidung: «Eine Hirtin trägt einen Jupe von mir», sagt Ruth Huckele.

Schwerter zu Pflugscharen
In den Figuren leben viele weitere Materialien weiter, die zum Teil eine abenteuerliche Geschichte haben. Die Bleifüsse der Figuren haben Insassen im Massnahmezentrum St. Johannsen in Le Landeron gegossen. Das Blei dafür hat Claudio Tomassini als Kind und Jugendlicher in Riehen gesammelt. Über Jahre hat er herumliegende Hülsen beim Schiessstand aufgehoben. Dazu passe der biblische Ausspruch «Schwerter zu Pflugscharen» , findet er. Leere Patronenhülsen geben den Krippenfiguren einen sicheren Stand.
Jedes Teil ist bedeutungsvoll
Arbeitslose Menschen haben in der Trinamo AG im Aarauer Telliquartier das Rückgrat der Figuren geschreinert. Die Benediktinerin Sr. Mattäa im Kloster Fahr hat die ausdrucksvollen Gesichter und Hände aus Ton modelliert. Sie war es auch, die den Figuren einen Körper gab, indem sie die Holzskelette mit Holzwolle und Bandagen umwickelte.
Eine Figur hat verschiedene Rollen
Aus einer Idee, viel Begeisterung und solidem Handwerk wurden so 22 Figuren geboren. Welches Personal eine Krippe neben Maria, Josef und dem Jesuskind zusätzlich braucht, war Gegenstand einiger Diskussionen im damaligen Pfarreiteam. Ebenso die Frage, ob die Figuren eine feste Rolle haben sollten, oder ob sie verschiedene Rollen übernehmen können. «Wir handhaben es so: Die Figuren haben feste Namen, werden aber unterschiedlich eingesetzt. So kann Timo, der Hirtenknabe, auch einen Diener, einen Bettler oder einen Königssohn verkörpern» , erklärt Berta Lammer, die seit den Anfängen als Katechetin dabei ist und lange Hauptverantwortliche für das Stellen der Figuren war. Neu liegt die Hauptverantwortung bei Christina Keinath. Sie war ebenfalls Katechetin in der Pfarrei und freut sich, aus der Fülle der Figuren immer wieder neue Szenen zu schaffen: «Jede Figur ist eine eigene Persönlichkeit», sagt sie.
Es gibt viele Details zu entdecken
Ab dem 1. Advent ist die Krippe in der Kirche Peter und Paul zu bewundern. Die Krippenlandschaft wächst im Lauf der Adventszeit Szene um Szene. Das grosse Finale bildet jeweils der Auftritt der heiligen drei Könige mit ihren schönen Gewändern. Zu jeder Szene machen die Katechetinnen ein Begleitblatt mit dem zugrunde liegenden Text, um den Besuchenden etwas mit nach Hause zu geben.
Jedes Jahr sieht die Krippe anders aus. Den roten Faden bildet mal ein Bilderbuch, mal eines der Evangelien. Um die Figuren möglichst realitätsgetreu zu stellen, versuchen die Aufstellerinnen, ihre Emotionen nachzuempfinden. «Wie sieht jemand aus, der erschrickt?», fragen sie sich beispielsweise.
Wenn Kulissen, Pflanzen und die Figuren am richtigen Ort stehen, die Kabel verlegt sind und die Szenerie schön beleuchtet ist, kommen die Besucherinnen und Besucher. «X‑mal am Tag geht die Türe auf», freut sich Berta Lammer.
Die Krippenfiguren bringen Menschen zusammen, in der Pfarrei und darüber hinaus. Berta Lammer und Claudio Tomassini sind sich einig: «Das Feuer der Begeisterung verbindet uns auch mit jenen, die an den Figuren und der Krippe mitgearbeitet haben und bereits gestorben sind. Ihre Arbeit, ihre Ideen und ihr Herzblut stecken in der Krippe und leben dort weiter.»
