Eine Krippe voller Leben
Von links nach rechts: Claudio Tomassini, Berta Lammer, Ruth Huckele und Christina Keinath mit Gabriel, Timo, Hannah und Noemi.
Bild: © Roger Wehrli

Eine Krippe voller Leben

Seit zwanzig Jahren sind in Aarau ganz besondere Krippenfiguren zu bewundern

Immer am 1. Advent erwachen sie zum Leben: die Krippenfiguren in der Kirche Peter und Paul in Aarau. Jedes Detail an ihnen hat seine ganz eigene Bedeutung und Geschichte.


Auf den Stufen, die zum Altar führen, sitzen acht Per­so­n­en. Vier von ihnen sind in Bewe­gung, suchen eine bequeme Posi­tion, richt­en ihre Frisuren, lachen und geben einan­der Anweisun­gen. Die anderen vier blick­en ruhig in den Kirchen­raum und lächeln still vor sich hin. Noe­mi, Han­na, Timo und Gabriel posieren zusam­men mit ihren Erfind­ern und Erschaf­ferin­nen für den Fotografen.

Krip­pen­fig­uren in Aarau
Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums der ­Aarauer Krip­pen­fig­uren wird in der Kirche Peter und Paul eine kleine Ausstel­lung gezeigt. Sie erzählt die Geschichte(n) hin­ter den Fig­uren. Am Son­ntag, 30. Novem­ber find­et um 10 Uhr der 1. Advents­gottes­di­enst statt.

Krip­pen­weg in Basel
Vom 1. Advent bis nach Wei­h­nacht­en sind auf dem Krip­pen­weg durch die Basler Innen­stadt 40 Krip­pen zu bewun­dern: in Schaufen­stern von Geschäften in der Alt­stadt, ​in drei Kirchen und rund ums Peterss­chul­haus. Der Vere­in «Pro Krip­pen­weg», ­beste­hend aus Vertreterin­nen der römisch-katholis­chen, der reformierten und der christ­katholischen Kirchge­meinde, organ­isiert den Weg bere­its zum neun­ten Mal. Die teil­nehmenden Geschäfte haben bei der Gestal­tung der Krip­pen freie Hand. So entste­ht von abstrak­ten Fig­uren bis zur üppig deko­ri­erten Szener­ie jew­eils eine bunte Vielfalt an Krip­pen. Eröffnet wird der Krip­pen­weg am Fre­itag, 28. Novem­ber, um 19 Uhr in der ​Kirche St. Marien in Basel. Der Weg hat keinen Start- und Zielpunkt, son­dern lädt zu ein­er Ent­deck­ungs­tour durch die Innen­stadt ein. Die einzel­nen Stan­dorte find­en Sie auf der Web­site. Brechen Sie auf zu einem besinnlichen, aber auch sehr unter­halt­samen Spazier­gang für die ganze Fam­i­lie!
www.krippenweg.ch

Ein Projekt mit vielen Beteiligten

Die Geschichte von Noe­mi und ihren Kol­legin­nen und Kol­le­gen begann vor 20 Jahren. Damals startete die Pfar­rei Peter und Paul Aarau zu ihrem 125-Jahr-Jubiläum ein beson­deres Pro­jekt. Eine Krippe sollte entste­hen. Eine Krippe mit Fig­uren und Tieren, die nicht nur in der Advents- und Wei­h­nacht­szeit ihren Auftritt hät­ten, son­dern auch unter dem Jahr für Gottes­di­en­ste, Feiern und den Unter­richt einge­set­zt wer­den kön­nten. Nach­dem im Jahr 2004 die Kirche gebran­nt hat­te und danach der Kirchen­raum neugestal­tet wurde, nahm die Idee des Pfar­re­it­eams langsam Form an.

Die Erschaf­fung der Krip­pen­fig­uren war ein gross­es Pro­jekt mit vie­len Beteiligten. Der dama­lige Aarauer Pfar­reiseel­sorg­er Clau­dio Tomassi­ni erin­nert sich: «Viele ver­schiedene Men­schen tru­gen mit ihren Begabun­gen dazu bei, dass die Fig­uren lebendig wur­den.» Ruth Huck­ele hat­te damals ger­ade das Amt als Kirchenpflegepräsi­dentin abgegeben, da wartete bere­its die näch­ste Auf­gabe auf sie: «Clau­dio fragte mich, ob ich die fer­ti­gen Fig­uren anziehen würde», erzählt sie. Zusam­men mit weit­eren erfahre­nen Schnei­derin­nen ent­warf sie für jede Fig­ur mass­geschnei­derte Klei­dung, beste­hend aus Hose, Hemd, Unterkleid und einem kun­stvoll gestal­teten Gewand. Die Näherin­nen fer­tigten mit viel Liebe und Sorgfalt auch Schuhe, Perück­en und Acces­soires. Dafür tru­gen die Frauen Stoffe zusam­men, sortierten und recycel­ten teils eigene Klei­dung: «Eine Hirtin trägt einen Jupe von mir», sagt Ruth Huck­ele.

Schwerter zu Pflugscharen

In den Fig­uren leben viele weit­ere Mate­ri­alien weit­er, die zum Teil eine aben­teuer­liche Geschichte haben. Die Bleifüsse der Fig­uren haben Insassen im Mass­nah­mezen­trum St. Johannsen in Le Lan­deron gegossen. Das Blei dafür hat Clau­dio Tomassi­ni als Kind und Jugendlich­er in Riehen gesam­melt. Über Jahre hat er herum­liegende Hülsen beim Schiess­stand aufge­hoben. Dazu passe der bib­lis­che Ausspruch «Schw­ert­er zu Pflugscharen» , find­et er. Leere Patro­nen­hülsen geben den Krip­pen­fig­uren einen sicheren Stand.

Jedes Teil ist bedeutungsvoll

Arbeit­slose Men­schen haben in der ­Tri­namo AG im Aarauer Telli­quarti­er das Rück­grat der Fig­uren geschrein­ert. Die Benedik­tiner­in Sr. Mat­täa im Kloster Fahr hat die aus­drucksvollen Gesichter und Hände aus Ton mod­el­liert. Sie war es auch, die den Fig­uren einen Kör­p­er gab, indem sie die Holzskelette mit Holz­wolle und Ban­da­gen umwick­elte.

Eine Figur hat verschiedene Rollen

Aus ein­er Idee, viel Begeis­terung und soli­dem Handw­erk wur­den so 22 Fig­uren geboren. Welch­es Per­son­al eine Krippe neben Maria, Josef und dem Jesuskind zusät­zlich braucht, war Gegen­stand einiger Diskus­sio­nen im dama­li­gen Pfar­re­it­eam. Eben­so die Frage, ob die Fig­uren eine feste Rolle haben soll­ten, oder ob sie ver­schiedene Rollen übernehmen kön­nen. «Wir hand­haben es so: Die Fig­uren haben feste Namen, wer­den aber unter­schiedlich einge­set­zt. So kann Timo, der Hirtenkn­abe, auch einen Diener, einen Bet­tler oder einen Königssohn verkör­pern» , erk­lärt Berta Lam­mer, die seit den Anfän­gen als Kat­e­chetin dabei ist und lange Hauptver­ant­wortliche für das Stellen der Fig­uren war. Neu liegt die Hauptver­ant­wor­tung bei Christi­na Keinath. Sie war eben­falls Kat­e­chetin in der Pfar­rei und freut sich, aus der Fülle der Fig­uren immer wieder neue Szenen zu schaf­fen: «Jede Fig­ur ist eine eigene Per­sön­lichkeit», sagt sie.

Es gibt viele Details zu entdecken

Ab dem 1. Advent ist die Krippe in der Kirche Peter und Paul zu bewun­dern. Die Krip­pen­land­schaft wächst im Lauf der Adventszeit Szene um Szene. Das grosse Finale bildet jew­eils der Auftritt der heili­gen drei Könige mit ihren schö­nen Gewän­dern. Zu jed­er Szene machen die Kat­e­chetinnen ein Begleit­blatt mit dem zugrunde liegen­den Text, um den Besuchen­den etwas mit nach Hause zu geben.

Jedes Jahr sieht die Krippe anders aus. Den roten Faden bildet mal ein Bilder­buch, mal eines der Evan­gelien. Um die Fig­uren möglichst real­itäts­ge­treu zu stellen, ver­suchen die Auf­stel­lerin­nen, ihre Emo­tio­nen nachzuempfind­en. «Wie sieht jemand aus, der erschrickt?», fra­gen sie sich beispiel­sweise.

Wenn Kulis­sen, Pflanzen und die Fig­uren am richti­gen Ort ste­hen, die Kabel ver­legt sind und die Szener­ie schön beleuchtet ist, kom­men die Besucherin­nen und Besuch­er. «X‑mal am Tag geht die Türe auf», freut sich Berta Lam­mer.

Die Krip­pen­fig­uren brin­gen Men­schen zusam­men, in der Pfar­rei und darüber hin­aus. Berta Lam­mer und Clau­dio Tomassi­ni sind sich einig: «Das Feuer der Begeis­terung verbindet uns auch mit jenen, die an den Fig­uren und der Krippe mit­gear­beit­et haben und bere­its gestor­ben sind. Ihre Arbeit, ihre Ideen und ihr Herzblut steck­en in der Krippe und leben dort weit­er.»

Marie-Christine Andres Schürch
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