Die junge Generation sieht keine Zukunft in Palästina

Die junge Generation sieht keine Zukunft in Palästina

Die junge Generation sieht keine Zukunft in Palästina

Eindrücke von der Reise einer internationalen Delegation von Bischöfen nach Israel und Gaza

Die meis­ten jun­gen Chris­ten in Israel und Palästi­na sehen ihre Zukun­ft nicht in ihrer Heimat, son­dern ander­swo, sagt der Gen­er­alsekretär der Schweiz­er Bischof­skon­ferenz, Erwin Tan­ner-Tiziani. Er gehörte ein­er Del­e­ga­tion von zwölf europäis­chen und nor­damerikanis­chen Bischof­skon­feren­zen sowie aus Südafri­ka an, die vom 13. bis 18. Jan­u­ar Israel und den Gaza­s­treifen besuchte.Was sind spon­tan Ihre stärk­sten Ein­drücke dieser Reise? Erwin Tan­ner-Tiziani: Lassen Sie mich mit den pos­i­tiv­en Ein­drück­en begin­nen: Die lachen­den Kinder in den besucht­en Gebi­eten der West­bank und im Gaza-Streifen. Die spon­ta­nen Gespräche mit besorgten Chris­ten und Mus­li­men in Jerusalem, im palästi­nen­sisch-christlichen Ort Beit Jala, in der palästi­nen­sis­chen Stadt Beit Sahour und Gaza City und deren inständi­ge Bit­ten, sie nicht zu vergessen und über­all davon zu erzählen, was im Un-Heili­gen Land wirk­lich passiert. Die Teil­nahme am Sch­ab­bat-Aben­dessen bei ein­er lib­eralen jüdis­chen Fam­i­lie und die angeregte Diskus­sion mit ver­schiede­nen, teil­weise provozieren­den Rab­bin­ern zum Ver­hält­nis Judentum/Christentum.Daneben gibt es lei­der auch neg­a­tive Ein­drücke: Der despek­tier­liche Umgang der israelis­chen Beamten mit den Bis­chöfen beim Ver­lassen des Gaza-Streifens nach Israel. Ein auf­fal­l­end geringes Wis­sen von der Reli­gion des je anderen und eine fehlende per­sön­liche Begeg­nung zwis­chen den Ange­höri­gen der ver­schiede­nen Reli­gio­nen.Im Zen­trum standen Begeg­nun­gen mit jun­gen Chris­ten. Wie sind deren Bil­dungschan­cen und beru­fliche Per­spek­tiv­en? Für die jun­gen Chris­ten stellen die Schulen des Lateinis­chen Patri­ar­chates – gle­ich­sam als Schulen ohne Mauern – eine uner­lässliche Bil­dungsstätte dar. Hier erhal­ten sie zusam­men mit mus­lim­is­chen Mitschülern nicht nur Fach­wis­sen ver­mit­telt, son­dern erler­nen – unter Ein­bezug der Eltern – auch Ver­hal­tensregeln, die sie zu einem friedlichen und gerecht­en Zusam­men­leben befähi­gen sollen. Aber die beru­fliche Zukun­ft sieht für sie schwarz aus. Die meis­ten jun­gen Chris­ten sehen diese im Aus­land, also wed­er in Israel noch in Palästi­na, obschon für sie hier eigentlich ihre Heimat liegt. Die sehr hohe Arbeit­slosigkeit und die israelis­che Poli­tik gegenüber Palästi­nensern lässt ihre Hoff­nung auf eine tragfähige beru­fliche und famil­iäre Zukun­ft gegen null sinken. Im Gaza­s­treifen liegt die Arbeit­slosigkeit bei der jun­gen Gen­er­a­tion gar bei 70 Prozent.Wie kann die Kirche vor Ort die jun­gen Men­schen unter­stützen? Das Lateinis­che Patri­ar­chat ver­sucht die jun­gen Men­schen mit Bil­dungs- und Arbeits­beschaf­fung­spro­gram­men zu fördern. In den Genuss der Let­zteren kom­men Chris­ten allerd­ings nur sel­ten, da diese auf die Ärm­sten der Armen zie­len, zu denen sie in der Regel nicht gehören. Doch die Chris­ten haben es immer schw­er­er, ihren Leben­sun­ter­halt zu ver­di­enen. Die Unter­stützung der Kirchen vor Ort reicht nicht aus, weshalb Unter­stützung aus dem Aus­land notwendig ist.Welche Rolle kommt den jun­gen Men­schen im Frieden­sprozess zu? Die Angst vor einem neuen Krieg steckt den Men­schen tief in die Knochen, quer durch alle Reli­gion­s­ge­mein­schaften. Ihr Durst nach Frieden ist gross! Ger­ade junge Men­schen ste­hen dem poli­tis­chen Estab­lish­ment skep­tisch gegenüber und wün­schen sich endlich langfristig Ruhe und Ord­nung.Der Erhalt des Sta­tus quo der Stadt Jerusalem war ein weit­er­er inhaltlich­er Schw­er­punkt. Wie haben Sie die Stim­mung in dieser Frage erlebt, nach­dem US-Präsi­dent Don­ald Trump Jerusalem als Haupt­stadt Israels anerkan­nt hat und die US-Botschaft dor­thin ver­legen will? Die his­torisch, kul­turell und poli­tisch unsen­si­ble Erk­lärung des amerikanis­chen Präsi­den­ten hat den Traum der Chris­ten und Mus­lime von ein­er Zwei-Staat­en-Lösung in weite Ferne gerückt, ja prak­tisch zer­stört. Die in der Heilig-Land-Koor­di­na­tion vertrete­nen Bischof­skon­feren­zen set­zen sich in ein­er Lin­ie mit Papst Franziskus aber weit­er­hin für eine Zwei-Staat­en-Lösung ein. Die Vertreter der einzel­nen Bischof­skon­feren­zen wer­den in ihren Herkun­ft­slän­dern bei den zuständi­gen staatlichen Stellen entsprechend vorstel­lig wer­den.Sie haben bere­its mehrfach an solchen Reisen ins Heilige Land teilgenom­men. Stellen Sie Entwick­lun­gen fest – pos­i­tiv­er wie neg­a­tiv­er Art? Der poli­tis­che Prozess des israelis­chen Mauer- und Sied­lungs­baus hält trotz inter­na­tionalem Protest an, was bei einem Teil der christlichen und mus­lim­is­chen Palästi­nenser den Zorn erhöht und bei einem anderen Teil zu völ­liger Ent­mu­ti­gung und Hoff­nungslosigkeit geführt hat. Die Trump-Erk­lärung zu Jerusalem hat diese Sit­u­a­tion noch ver­schärft. Die Aufräu­mar­beit­en im Gaza­s­treifen machen Fortschritte. Viele Häuser wur­den wieder aufge­baut. Doch der Schein trügt: Es sind noch viele Auf­bauar­beit­en zu tun und die Armut hat weit­er zugenom­men; die Zahl der Chris­ten bewegt sich heute bei unter 1000. Weniger als 200 von ihnen gehören der römisch-katholis­chen Kirche an.Was nehmen Sie konkret von dieser Reise in Ihren All­t­ag mit? Dass ich mich noch mehr für die Chris­ten im Heili­gen Land, für ihren Verbleib in ihrer Heimat und für die Ver­ständi­gung zwis­chen den Ange­höri­gen jüdis­chen, christlichen und mus­lim­is­chen Glaubens ein­set­zen möchte.Inter­view: Sylvia Stam, kath.ch
Redaktion Lichtblick
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