
Die Frau, die nicht aufgibt
Bereits zum zweiten Mal nimmt Helena Jeppesen-Spuhler an einer Weltsynode teil. Ein Gespräch über Streitkultur, Solidarität und die Ehrfurcht vor dem Papst.
Sie nehÂmen an der WeltÂsynÂode in Rom teil, die heuÂte eröffÂnet wird. Sind Sie unter Druck?
HeleÂna JepÂpeÂsen-SpuhÂler: In der Schweiz begegÂnen vieÂle dem SynÂodaÂlen ProÂzess mit starÂker ZurückÂhalÂtung oder gar ResiÂgnaÂtiÂon. Zu oft wurÂde schon debatÂtiert, ohne dass sich wirkÂlich etwas verÂänÂdert hat. DesÂhalb steÂhen wir als DeleÂgaÂtiÂon im OktoÂber unter Druck. Wir müsÂsen dem Papst VorÂschläÂge unterÂbreiÂten, die er überÂnimmt und die zu konÂkreÂten ReforÂmen führen.
Und ganz persönlich?
Ja, auch da spüÂre ich einen enorÂmen Druck. Ich fühÂle mich verÂpflichÂtet, die AnlieÂgen und EmpÂfehÂlunÂgen aus den euroÂpäiÂschen LänÂdern und mit ihnen auch jene aus der Schweiz einÂzuÂbrinÂgen. Ganz besonÂders die AnlieÂgen der FrauÂen und der LaiÂen. Ich bin desÂhalb enorm geforÂdert. Es sind vieÂle, sehr vieÂle StunÂden, die ich dafür herÂgeÂbe. Alles in meiÂner Freizeit.
Am MittÂwoch, 2. OktoÂber, starÂtet die WeltÂsynÂode in Rom. Eine BussÂfeiÂer am VorÂabend bilÂdeÂte den AufÂtakt. Bis am 27. OktoÂber werÂden die 368 SynÂodaÂlen – 272 BischöÂfe, 96 nicht BischöÂfe davon 45 FrauÂen – das ArbeitsÂpaÂpier «InstruÂmenÂtum laboÂris» disÂkuÂtieÂren. Aus der Schweiz sind HeleÂna JepÂÂpeÂÂsen-SpuhÂÂler, Bischof Felix Gmür und ClaiÂre Jonard (als ModeÂraÂtoÂrin) mit dabei.
Die SynÂodaÂlen trefÂfen sich von MonÂtag bis SamsÂtag um 8.45 Uhr und arbeiÂten bis 19.30 Uhr mit einer dreiÂeinÂhalbÂstünÂdiÂgen MitÂtagsÂpauÂse. Am Ender der SynÂode werÂden die ResulÂtaÂte der GespräÂche dem Papst vorÂgeÂlegt. Die synÂodaÂle DisÂkusÂsiÂonsÂmeÂthoÂde ist eine Mischung aus Gespräch und MediÂtaÂtiÂon und wird als «spiÂriÂtuÂelÂle KonÂverÂsaÂtiÂon» bezeichÂnet. Die KleinÂgrupÂpen werÂden modeÂriert. Die zehn bis zwölf TeilÂnehÂmenÂden dürÂfen bis zu dreiÂmiÂnüÂtiÂgen StateÂment abgeÂben. Auf die WortÂmelÂdunÂgen wird nicht direkt reagiert, sonÂdern es gibt eine kurÂze SchweiÂgeÂzeit, erst darÂauf äusÂsern sich die TeilÂnehÂmenÂden zum GehörÂten. Auf eine weiÂteÂre UnterÂbreÂchung in StilÂle, wird das GehörÂte zuhanÂden der GeneÂralÂverÂsammÂlung zusammengefasst.

Woher kommt der WiderÂstand konÂserÂvaÂtiÂver KreiÂse gegen den SynÂodaÂlen ProÂzess, den ja immerÂhin der Papst selbst angeÂstosÂsen hat?
Unter den KonÂserÂvaÂtiÂven gibt es ein NarÂraÂtiv, das gezielt verÂbreiÂtet wird: Mit dem SynÂodaÂlen ProÂzess würÂden der SynÂodaÂle Weg aus DeutschÂland für die WeltÂkirÂche kopiert und die AutoÂriÂtät der BischöÂfe und des PapÂstes unterÂgraÂben. KonÂserÂvaÂtiÂve VerÂtreÂter sehen bei den TheÂmen GleichÂbeÂrechÂtiÂgung und HomoÂseÂxuaÂliÂtät schnell rot. Die FronÂten sind verÂhärÂtet. Da braucht es enorm viel AusÂtausch und ein Gespür für perÂsönÂliÂche Begegnung.
Die DisÂkusÂsiÂons- und StreitÂkulÂtur ist in der kathoÂliÂschen KirÂche nur schwach ausÂgeÂbilÂdet. Hat sich da in den zwei JahÂren, in denen Sie sich im SynÂodaÂlen ProÂzess engaÂgieÂren, etwas verändert?
Ich finÂde schon. An vieÂlen Orten ist VerÂtrauÂen gewachÂsen. Und damit kann auch besÂser gestritÂten werÂden. Es gibt beiÂspielsÂweiÂse SynÂodaÂle, die auf mich zukomÂmen und mit mir über GleichÂbeÂrechÂtiÂgung spreÂchen wolÂlen. Das HauptÂproÂblem in der kathoÂliÂschen KirÂche bleibt jedoch, dass zu vieÂle FraÂgen nur unter KleÂriÂkern besproÂchen und entÂschieÂden werÂden. DesÂhalb sitÂzen BischöÂfe dann in einer ArbeitsÂgrupÂpe, ohne die RolÂle der FrauÂen überÂhaupt anzuÂspreÂchen. Das müsÂsen dann wir FrauÂen tun, weil sie selbst nicht auf die Idee kommen.
HeleÂna Jeppesen-Spuhler
HeleÂna JepÂÂpeÂÂsen-SpuhÂÂler (58) ist bei «FastenÂakÂtiÂon» verÂantÂwortÂlich für das LanÂdesÂproÂgramm PhilÂipÂpiÂnen und AsiÂen allÂgeÂmein sowie für die KoopeÂraÂtiÂon Inland. Sie ist zudem in der AlliÂanz GleichÂwürÂdig KathoÂlisch, im CathoÂlic Women’s CounÂcil und in der BegleitÂgrupÂpe SynÂodaÂler ProÂzess im BisÂtum Basel engagiert.

Gilt das auch für die SchweiÂzer Bischöfe?
Felix Gmür ist als DeleÂgierÂter der SchweiÂzer BischöÂfe in dieÂser HinÂsicht eine löbÂliÂche AusÂnahÂme, ebenÂso ErzÂbiÂschof LadisÂlav NemeÂth aus BelÂgrad und Bischof Franz-Josef OverÂbeck aus DeutschÂland. Aber die allerÂmeiÂsten BischöÂfe zögern immer noch, die briÂsanÂten TheÂmen auf den Tisch zu bringen.
Wo könÂnen Sie BeweÂgung in die SynÂode bringen?
Wir müsÂsen vor allem jene BischöÂfe erreiÂchen, die sich im MitÂtelÂfeld beweÂgen. Da spüÂre ich eine BereitÂschaft zur VerÂänÂdeÂrung. Aber es braucht auch hier viel Zeit und Geduld.
GlauÂben Sie darÂan, dass die SynÂode nachÂhalÂtig wirÂken wird?
Es wird entÂscheiÂdend sein, dass wir den SchlussÂbeÂricht nochÂmals disÂkuÂtieÂren könÂnen. Dass der SchlussÂbeÂricht nicht – wie bisÂlang üblich – von einer intransÂpaÂrenÂten RedakÂtiÂon geschrieÂben wird. TransÂpaÂrenz und die ErarÂbeiÂtung von LösunÂgen, die von den GläuÂbiÂgen und von den AmtsÂträÂgern mitÂgeÂtraÂgen werÂden, sind wichÂtiÂge MerkÂmaÂle einer synÂodaÂlen KirÂche. Da muss sich etwas ändern.
GeraÂde in dieÂser HinÂsicht senÂdet Papst FranÂzisÂkus jedoch widerÂsprüchÂliÂche SignaÂle, wenn er sich beiÂspielsÂweis kateÂgoÂrisch gegen das DiaÂkoÂnat der Frau ausÂspricht, noch bevor die SynÂode dazu beraÂten kann.
Ja, das finÂde ich auch sehr schwieÂrig. EinerÂseits ermuÂtigt er uns, neue ForÂmen und ProÂzesÂse zu denÂken. AndeÂrerÂseits bleibt er aber selbst immer wieÂder hinÂter seiÂnen eigeÂnen ForÂdeÂrunÂgen zurück.
WorÂan liegt das?
Ich kann nur verÂmuÂten, dass er vom System im VatiÂkan stark abgeÂschirmt und nicht zu mutiÂgen EntÂscheiÂdunÂgen herÂausÂgeÂforÂdert wird. Da gibt es immer noch kaum kolÂleÂgiaÂle BeraÂtung. Es sind dann einÂzelÂne BeraÂter, die dem Papst einÂflüÂstern, was mögÂlich ist und was die EinÂheit der KirÂche gefährÂdet. Auf dieÂser GrundÂlaÂge entÂscheiÂdet dann der Papst, was zu tun ist. Da wird er auch nicht herÂausÂgeÂforÂdert. Das ist bei uns in der Schweiz anders. Wir gehen direkt auf BischöÂfe zu und forÂdern auch DinÂge ein.
SchüchÂtert Sie der Papst ein?
Nein. Ich brauchÂte zwar etwas Zeit, um mich zurechtÂzuÂfinÂden. Wie läuft das im VatiÂkan? WelÂche KräfÂte herrÂschen hier? Wie verÂhalÂten sich die MenÂschen dem Papst gegenÂüber? Aber ich bleiÂbe eine demoÂkraÂtiÂsche SchweiÂzeÂrin und habe keiÂne Angst, mich auch so zu verÂhalÂten. Ich habe nie in dieÂsem kleÂriÂkaÂlen System gelebt. Ich habe desÂhalb auch keiÂne Mühe, meiÂne ÃœberÂzeuÂgung offen vorzutragen.
AllerÂdings: Wir könÂnen den Papst nur mit AlliÂanÂzen erreiÂchen. Wenn sich beiÂspielsÂweiÂse die 54 FrauÂen zusamÂmenÂtun, die an der SynÂode teilÂnehÂmen, dann könÂnen weder Papst noch BischöÂfe sie überhören.
Wie alliÂanzÂfäÂhig sind Bischöfe?
Die BischöÂfe aus DeutschÂland, ÖsterÂreich und der Schweiz müssÂten viel geeinÂter aufÂtreÂten. Ich sehe beiÂspielsÂweiÂse nicht, wo sich die SchweiÂzer BischöÂfe mit den deutÂschen BischöÂfen effekÂtiv soliÂdaÂriÂsieÂren oder verÂnetÂzen. Das schwächt ihren EinÂfluss erheblich.
Und wie steht es mit der SoliÂdaÂriÂtät unter den 54 FrauÂen, die an der SynÂode teilnehmen?
Viel besÂser, auch wenn wir FrauÂen ebenÂfalls von ganz unterÂschiedÂliÂchen Orten und mit ganz unterÂschiedÂliÂchen PosiÂtioÂnen aufÂeinÂanÂderÂtrefÂfen. TrotzÂdem herrscht unter uns echÂte Solidarität.
Wie zeigt sich diese?
Wir haben sofort mitÂeinÂanÂder gereÂdet, haben uns verÂnetzt und haben KonÂtakt gehalÂten. Das hängt wahrÂscheinÂlich damit zusamÂmen, dass vieÂle von uns in ihren LänÂdern den SynÂodaÂlen ProÂzess prakÂtisch allein orgaÂniÂsieÂren müsÂsen, weil sich die BischöÂfe nicht wirkÂlich dafür interÂesÂsieÂren. DesÂhalb unterÂstütÂzen wir uns gegenÂseiÂtig. Aus dieÂser ErfahÂrung stellt sich eine meiÂner grosÂsen FraÂgen zur NachÂhalÂtigÂkeit: Was geschieht, wenn die FrauÂen nach der SynÂode im OktoÂber wieÂder aus dem ProÂzess raus sind und die BischöÂfe wie üblich übernehmen?
Stellt sich dieÂse FraÂge auch in der Schweiz?
Dazu nur so viel: Ich habe es mir nach der SynÂode im letzÂten Jahr richÂtigÂgeÂhend erstreiÂten müsÂsen, dass ich in der BischofsÂkonÂfeÂrenz berichÂten durfÂte. Sie dachÂten dort, es reicht doch, wenn Felix Gmür ein wenig berichÂte. Und in dieÂsem Jahr ist es wieÂder das GleiÂche. Es gibt leiÂder immer noch BischöÂfe – die BischöÂfe der DeutschÂschweiz allerÂdings ausÂgeÂnomÂmen – die es unnöÂtig finÂden, dass ich als SynÂodenÂmitÂglied in der BischofsÂkonÂfeÂrenz berichte.
Auf welÂche TheÂmen werÂden Sie sich wähÂrend der SynÂode fokussieren?
Auf die ParÂtiÂziÂpaÂtiÂon auf LeiÂtungsÂebeÂne und auf die KomÂpeÂtenÂzen der OrtsÂkirÂche. Nur wenn die OrtsÂkirÂche mehr KomÂpeÂtenz erhält, könÂnen wir die KirÂche auch umbauÂen. Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit, davon bin ich überÂzeugt. Und selbstÂverÂständÂlich werÂde ich mich auch für GerechÂtigÂkeit und GleichÂbeÂrechÂtiÂgung einsetzen.
In ProÂzentÂzahÂlen: Wie gross ist die BereitÂschaft der SynÂodaÂlen zu Reformen?
Mein EinÂdruck ist: Es sind über 50%. AllerÂdings haben wir immer noch das ProÂblem, dass die deleÂgierÂten BischöÂfe oft nur wenig EinÂfluss auf ihre jeweiÂliÂgen BischofsÂkonÂfeÂrenÂzen haben. Das ist für die nachÂhalÂtiÂge WirÂkung der SynÂode eine Gefahr. Und das wird so bleiÂben, solanÂge der Papst das KirÂchenÂrecht nicht ändert und parÂtiÂziÂpaÂtiÂve und demoÂkraÂtiÂsche StrukÂtuÂren in der KirÂche verankert.
Was bereiÂtet Ihnen Sorgen?
Vor allem die KomÂmisÂsiÂon 5, in der auch die ParÂtiÂziÂpaÂtiÂon der FrauÂen behanÂdelt wird. Da wisÂsen wir bisÂlang nicht einÂmal, wer in dieÂser KomÂmisÂsiÂon EinÂsitz hat. VölÂlig intransÂpaÂrent und desÂhalb beunruhigend.
Wie stark ist Ihr GeduldsÂfaÂden noch?
ZiemÂlich stark, weil ich aus der MenÂschenÂrechtsÂarÂbeit komÂme. Ich setÂze mich beiÂspielsÂweiÂse seit JahÂren für KliÂmaÂgeÂrechÂtigÂkeit ein, auch wenn es manchÂmal ausÂsichtsÂlos scheint. Ich habe einen lanÂgen Atem und bin es gewohnt, parÂtout nicht aufzugeben.
Das Gespräch ist zuerst im Forum PfarrÂblatt der kathoÂliÂschen KirÂche im KanÂton Zürich erschienen.