Der Bischof tut’s, die Pfarreien sollen nicht

Der Bischof tut’s, die Pfarreien sollen nicht

  • Am 29. Novem­ber stim­men wir über die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive ab. Obschon kirch­lich­es Engage­ment zugun­sten poli­tis­ch­er Anliegen umstrit­ten ist, engagieren sich immer mehr Kirchge­mein­den zugun­sten der Ini­tia­tive – auch im Aar­gau.
  • Nicht allen passt dieses poli­tis­che Engage­ment: Ver­schiedentlich beschw­eren sich Pfar­reim­it­glieder wegen Inser­at­en und Ban­nern. Auch die Bistümer Chur und Basel rüf­feln ihre Pfar­reien – obschon Bischof Felix Gmür promi­nent als Unter­stützer der Ini­tia­tive auftritt.
  • In Kan­to­nen wie Zug hal­ten sich die Kirchen zurück – Unternehmen wie Glen­core, auf welche die Ini­tianten zie­len, zahlen dort hohe Sum­men an Kirchen­s­teuern.

Ban­ner an Kirchtür­men, Pfar­reizen­tren und Ver­wal­tungs­ge­bäu­den erin­nern uns: Ende Novem­ber stim­men wir darüber ab, ob Schweiz­er Fir­men mit Sitz in der Schweiz die inter­na­tion­al anerkan­nten Men­schen­rechte und Umwelt­stan­dards auch im Aus­land respek­tieren müssen. «Auf jeden Fall», find­en die Schweiz­er Bischof­skon­ferenz SBK, die Evan­ge­lisch-Reformierte Kirche der Schweiz, sowie 19 Kan­ton­alkirchen und Bis­tum­sre­gio­nen, über 600 reformierte Kirchge­mein­den und katholis­che Pfar­reien sowie über 60 kirch­liche Organ­i­sa­tio­nen wie Fas­tenopfer oder das HEKS.

Unter «Kirche für Konz­ern­ver­ant­wor­tung» konzen­tri­ert sich das kirch­liche Engage­ment. Wer alles mit­macht, zeigt die gle­ich­namige Web­seite. Gegen 700 Per­so­n­en ste­hen dort mit Namen und Bild für die Unter­stützung der Ini­tia­tive ein – aus dem Aar­gau unter anderem Beat Nieder­berg­er, Gemein­deleit­er der Pfar­rei Schöft­land, Christi­na Burg­er, Seel­sorg­erin in Kleindöt­tin­gen, und Patrik Suter, Pfar­reiseel­sorg­er in Aus­bil­dung in Oeschgen.

Support von einem Fünftel der Aargauer Pfarreien

[esf_wordpressimage id=“27911” width=“half” float=“left”][/esf_wordpressimage]

«Das Engage­ment für die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive hat für mich eine sehr per­sön­liche Seite», beken­nt Patrik Suter gegenüber Hor­i­zonte. Er habe sich schon vor zweiein­halb Jahren mit der Ini­tia­tive auseinan­derge­set­zt und in Gipf-Ober­frick auch schon ein­mal zur The­matik gepredigt, führt der Seel­sorg­er weit­er aus. Zusam­men mit Mar­tin Linzmeier aus Gipf-Ober­frick und Uli Feger aus Frick werde er noch besprechen, was für Aktio­nen bis zum Abstim­mungswoch­enende im Novem­ber stat­tfind­en sollen. Ob man Ban­ner aufhän­gen werde, sei eben­falls noch offen. «Wir wollen das Bewusst­sein für die Bewahrung der Schöp­fung und gegen die Mis­sach­tung von Men­schen­recht­en schär­fen, aber nicht Abstim­mung­spro­pa­gan­da betreiben», so Patrik Suter. Der Seel­sorg­er in Aus­bil­dung ist sich bewusst, dass poli­tis­ches Engage­ment seit­ens der Kirche von den Gläu­bi­gen nur bed­ingt goutiert wird.

Die Bistümer sagen klar: «Keine Ban­ner»

[esf_wordpressimage id=“27910” width=“half” float=“right”][/esf_wordpressimage]

Ein­er­seits fig­uri­ert die Schweiz­er Bischof­skon­ferenz als Unter­stützerin auf der «Kirche für Kovi»-Webseite, ander­er­seits hat das Bis­tum Chur unlängst seine Pfar­reien wegen der Pro-Kovi-Ban­ner gerüf­felt. Die «Instru­men­tal­isierung von Kirchenge­bäu­den und kirch­lichen Baut­en» im Bis­tum Chur werde grund­sät­zlich abgelehnt, erk­lärte Bis­tumssprech­er Giuseppe Gra­cia in ein­er Mit­teilung bere­its Anfang Sep­tem­ber.

Etwas diplo­ma­tis­ch­er kommt die For­mulierung aus Solothurn daher – aber in der Aus­sage zielt sie in dieselbe Rich­tung wie das Bis­tum Chur. Auf Anfrage sagt Bis­tum­sprech­er Han­srue­di Huber: «Die Pfar­rei kann ein Ort sein für poli­tis­che Diskus­sion, aber nicht für Abstim­mungsparolen.» Das heisst: «Keine poli­tis­chen Parolen und auch keine Ban­ner», bestätigt Nicole Jörg vom Kom­mu­nika­tion­sstab des Bis­tums Basel.

Auf die Frage, warum denn Bischof Felix gar auf der Web­seite der Ini­tianten mit Foto als promi­nen­ter Unter­stützer neben erlaucht­en poli­tis­chen Per­sön­lichkeit­en wie dem Ex-FDP-Stän­der­at Dick Mar­ty und dem Bern­er Stadt­präsi­den­ten Alec von Graf­fen­ried auf­taucht, meint Nicole Jörg nur: «Das tut Bischof Felix in sein­er Funk­tion als Präsi­dent des Stiftungsrates des Fas­tenopfers.» Allerd­ings: Unter dem Foto des Basler Ober­hirten ste­ht zum Zeit­punkt der Anfrage beim Bis­tum schlicht und ein­fach: Bischof (siehe auch Screen­shot). Die Funk­tion auf der Web­site der Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive sei zwis­chen­zeitlich geän­dert wor­den von «Bischof» zu «Stiftungsrat­spräsi­dent Fas­tenopfer», lässt Solothurn diese Woche ver­laut­en.

Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki: «Die Kirche ist wieder ein Macht­fak­tor!»

[esf_wordpressimage id=“19661” width=“half” float=“left”][/esf_wordpressimage]

Was ist der Grund für dieses wider­sprüch­liche Ver­hal­ten? Fürcht­en die Bis­chöfe Kirchenaus­tritte? «Nein», sagt der pro­fil­ierte katholis­che Sozialethik­er und Poli­t­ex­perte Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki. «Die Bis­chöfe sind wohl erschrock­en ob der Wirkung des aktuellen kirch­lichen Engage­ments. Die Forderun­gen der kirch­lichen Soziallehre kön­nen nun ganz konkret umge­set­zt wer­den. Das bedeutet aber auch, sich mit reichen und ein­flussre­ichen Per­sön­lichkeit­en und Kräften auseinan­derzuset­zen. Es gibt Bis­chöfe, die kön­nen damit umge­hen, andere scheuen das.»

Im Übri­gen, so der Sozialethik­er und Leit­er des christlichen sozialethis­chen Insti­tuts «ethik22», könne man mit Stolz zur Ken­nt­nis nehmen, dass das Engage­ment für die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive die Kirche wieder zu einem Macht­fak­tor mache. «Das poli­tis­che und wirtschaftliche Estab­lish­ment im Land hat die Kirchen in den let­zten Jahrzehn­ten doch meist nur noch belächelt, wenn sie zur Poli­tik etwas gesagt haben.»

«Aus den Kan­ton­alkirchen und von Seit­en der Kirchge­mein­den und Pfar­reien ist die Zus­tim­mung sehr gross», heisst es auf Nach­frage bei «Kirche für Konz­ern­ver­ant­wor­tung». Schaut man die Zahlen genauer an, rel­a­tiviert sich allerd­ings das Bild. Gemäss Stand Ende Sep­tem­ber unter­stützen im Aar­gau lediglich 44 Kirchge­mein­den die Ini­tia­tive – darunter 25 katholis­che Pfar­reien (also weniger als ein Fün­f­tel). Der katholis­che Aar­gau offen­bart sich somit deut­lich zurück­hal­tender als beispiel­sweise Zürich, wo 34 von 95 Pfar­reien für die Ini­tia­tive ein­treten. Nochmals umfassender ist der Sup­port im Kan­ton Luzern: 48 Pfar­reien von gesamthaft 76 unter­stützen die Ini­tia­tive – das sind deut­lich mehr als die Hälfte.

Um der Freiheit willen keine Banner auf dem Mutschellen

Ob die Ini­tia­tive bei den Reformierten mehr Rück­halt geniesst als bei den Katho­liken? Von den 75 reformierten Aar­gauer Kirchge­mein­den ste­hen 18 für die Ini­tia­tive ein, das sind im Ver­gle­ich zu den Katho­liken etwas mehr. Und von den 220 Bern­er Kirchge­mein­den posi­tion­ieren sich mit 118 immer­hin mehr als die Hälfte für die Ini­tia­tive. Allerd­ings unter­stützen im Raum Zürich nur 23 von 126 reformierten Kirchge­mein­den die Ini­tia­tive. Bei «Kirche für Konz­ern­ver­ant­wor­tung» will man nichts von kon­fes­sionellen Unter­schieden wis­sen. In der Gesamtheit sei der Umfang der Unter­stützung aus­geglichen, erk­lärt Katha­ri­na Boer­lin.

Aber ger­ade poli­tis­ches Engage­ment von Seit­en der Kirchen stösst vie­len Kirchen­mit­gliedern sauer auf. «Sehr unan­genehm aufge­fall­en ist mir, dass ver­steckt Reklame für die Annahme der Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive gemacht wird», schreibt beispiel­sweise Bern­hard Schmid aus Erlins­bach an die Hor­i­zonte-Redak­tion und bezieht sich auf die Inser­ate im Pfar­reien­teil, wo ver­schiedene Pfar­reien für ein «Ja» wer­ben.

Robert Wein­buch, Pas­toral­raum­leit­er im Pas­toral­raum «am Mutschellen» nimmt in der aktuellen Hor­i­zonte-Aus­gabe präven­tiv Stel­lung: Er sei neulich ange­fragt wor­den, ob er nicht an den Kirchtür­men des Pas­toral­raums Fah­nen mit der Auf­schrift «Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive – Ja!» anbrin­gen werde. «Kirche ist poli­tisch, wenn sie für die Werte ein­tritt, die Chris­tus vorgelebt hat: für das Leben, für Frei­heit und Gerechtigkeit, für die Men­schen. Durch die Taufe wurde uns diese poli­tis­che Auf­gabe über­tra­gen. Ob ein Ja zur Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive unser­er Beru­fung als Getaufte entspricht – das jedoch muss jed­er und jede christliche Stimm­berechtigte selb­st entschei­den; um dieser Frei­heit willen hän­gen an unseren Kirchtür­men keine orangen Ban­ner.»

Aargauer Landeskirche gibt keine Abstimmungsempfehlung

[esf_wordpressimage id=“17877” width=“half” float=“right”][/esf_wordpressimage]

Offen­siv­er gehen es da die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche und der Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch an. Am Ver­wal­tungs­ge­bäude der Kan­ton­alkirche prangen gle­ich zwei Pro-Kovi-Ban­ner. Es sei aber nicht so, dass man die Kirchge­mein­den auf­fordere, eben­falls aktiv zu wer­den», erk­lärt Gen­er­alsekretär Mar­cel Not­ter. «Der Kirchen­rat trägt das Grun­dan­liegen der Ini­tia­tive zwar mit, gibt aber keine Abstim­mungsempfehlung her­aus. Auch der Entscheid für den Auftritt auf der Web­seite «Kirche für Kovi» sei nicht ein­stim­mig, son­dern per Mehrheit­sentscheid gefall­en. «Die Hal­tung des Kirchen­rates ist es, zu sen­si­bil­isieren und die Mei­n­ungs­bil­dung und Diskus­sion anzure­gen», fasst es Mar­cel Not­ter zusam­men.

Im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch wer­den in Windisch und Brugg eben­falls Ban­ner aufge­hängt. Zudem werde es in den übri­gen Seel­sorgestellen Plakate geben, wie die Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortliche Dorothee Fis­ch­er auf Anfrage erk­lärt. Man sei sich schon dessen bewusst, dass es Kri­tik geben kön­nte. Man wolle die Kri­tik­er aber mit geboten­em Feinge­fühl abholen, so Dorothee Fis­ch­er.

Brugg-Windisch: Argumente gegen den Kirchenaustritt

Man habe ein Argu­men­tar­i­um erar­beit­et, mit dem die Mitar­bei­t­en­den den Gläu­bi­gen begeg­nen kön­nten, führt Dorothee Fis­ch­er aus. In diesem find­en sich beispiel­sweise Han­dre­ichun­gen zum «Vor­wurf der poli­tis­chen Bee­in­flus­sung der Kirchgänger». Oder aber auch Vorschläge, wie der Andro­hung eines Kirchenaus­tritts begeg­net wer­den kann. Man solle im Kon­takt mit diesen Men­schen dar­legen, dass die Kirche sich bei ihrem Engage­ment zugun­sten der Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive an ihrem bib­lis­chen Grun­dauf­trag ori­en­tiere, und dass in den let­zten Jahren eben sehr viele Men­schen aus der Kirche aus­ge­treten seien, weil sich die Kirche ihrem Ermessen nach zu wenig am Evan­geli­um ori­en­tiert habe.

Schreiben Sie uns Ihre Mei­n­ung

[esf_wordpressimage id=“26782”][/esf_wordpressimage]

Sollen Kirchge­mein­den und Pfar­reien mit Ban­nern und Plakat­en auf Ihr Engage­ment zugun­sten der Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive aufmerk­sam machen? Ihre Zuschriften veröf­fentlichen wir gerne als Leser­beitrag auf unser­er Web­seite. Sie erre­ichen uns per ">Mail an die Redak­tion.

Im Übri­gen werde nie­man­dem vorgeschrieben, wie er abstim­men solle, heisst es in besagtem Argu­men­tar­i­um. Die Frage sollte nicht sein: «Darf sich die Kirche poli­tisch engagieren?», son­dern: «Darf die Kirche wegschauen, wenn es um die Beschnei­dung der Gerechtigkeit und der Mis­sach­tung grundle­gen­der christlich­er Werte geht?»

Kanton Zug: Schweigen wegen Steuergeldern?

Zur Frage, ob und inwieweit Kirche poli­tisch sein darf, wird ger­ade inner­halb der katholis­chen Kirche seit Jahren gestrit­ten. Der Pas­toral­raum Aare-Rhein will dazu am 20. Novem­ber, anlässlich der anste­hen­den Abstim­mung, ein öffentlich­es Diskus­sion­scafé ver­anstal­ten. «Wir wollen so auf die Kri­tik jen­er einge­hen, die unser Engage­ment zugun­sten der Ini­tia­tive nicht gutheis­sen, erk­lärt Christi­na Burg­er, Seel­sorg­erin in Kleindöt­tin­gen. Das Seel­sorgeper­son­al aller sieben Pfar­reien stünde hin­ter der Ini­tia­tive, so Christi­na Burg­er. Inner­halb der Kirchenpfle­gen gebe es jedoch zum Teil divergierende Mei­n­un­gen. Gle­ich­wohl wür­den Ban­ner an den Fah­nen­mas­ten vor den Kirchen aufge­hängt.

Doch nicht über­all engagieren sich die Kirchen für die Ini­tia­tive. Im Kan­ton Zug unter­stützt kaum eine Pfar­rei offiziell die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive. «Die Pfar­reien lehnen sich poli­tisch nicht aus dem Fen­ster», erk­lärt Margrit Ham­mer von der Vere­ini­gung der Katholis­chen Kirchge­mein­den des Kan­tons Zug VKKZ. Nahezu die Hälfte der Steuere­in­nah­men der Pfar­reien stam­men von juris­tis­chen Per­so­n­en. VKKZ-Präsi­dent Karl Huwyler dazu: «Natür­lich haben Steuere­in­nah­men bei den Kirchge­mein­den einen wichti­gen Stel­len­wert, sie sind aber nicht das entschei­dende Kri­teri­um.»

Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben