Das Leben Jesu als Gebet

Das Leben Jesu als Gebet

  • «Das Rosenkranzge­bet ist die stärk­ste Waffe gegen alles Böse und Unheil auf dieser Welt», schrieb der Hor­i­zon­te­leser Urs Bug­mann an die Redak­tion.
  • Sein Brief war Anlass, der Fasz­i­na­tion für das im Volks­glauben gewach­sene Gebet nachzuge­hen. Die Tra­di­tion ist im Aar­gau dur­chaus lebendig, denn in allen Aar­gauer Pas­toral­räu­men wird der Rosenkranz regelmäs­sig gebetet.
  • Gläu­bige schätzen den Rosenkranz als schlichte, aber tief­gründi­ge Med­i­ta­tion.

«Das Rosenkranzge­bet ist in der heuti­gen Zeit total in Vergessen­heit ger­at­en, viele Mit­bürg­er ken­nen es ver­mut­lich nicht ein­mal. Völ­lig zu Unrecht, denn das Rosenkranzge­bet ist die stärk­ste Waffe gegen alles Böse und Unheil auf dieser Welt», schrieb der Hor­i­zon­te­leser Urs Bug­mann an die Redak­tion. Sein Brief war Anlass, der Fasz­i­na­tion für das Rosenkranzge­bet nachzuge­hen.

Der Glaube in einer Hand

Die heutige Form des Rosenkranzge­betes hat sich aus früh­mit­te­lal­ter­lichen Gebeten ent-​wick­elt. Im Jahr 1569 wurde sie von Papst Pius V. offiziell fest­gelegt. Das lateinis­che «rosar­i­um» bedeutet «Rosen­garten» und wurde für Blu­menkränze aus Rosen ver­wen­det, die unter anderem Marien­stat­uen schmück­ten. Im 16. Jahrhun­dert tauchte der Begriff erst­mals als Beze­ich­nung für die Gebetss­chnur auf. Der deutsche The­ologe Man­fred Beck­er-Huber­ti schreibt: «Gerne wird der Rosenkranz der Marien­fröm­migkeit zuge­ord­net. In Wirk­lichkeit ist er eine bib­lis­che Med­i­ta­tion des Lebens Jesu aus dem Blick­winkel […] der Gottes­mut­ter Maria.» Der Rosenkranz sei kein Pro­dukt der hohen The­olo­gie, der Kirchen­väter oder Päp­ste, son­dern eine im Volks­glauben gewach­sene, schlichte und zugle­ich tief greifende Med­i­ta­tion, die man nur durch Einüben erler­nen und schätzen ler­nen könne.

Marienpsalter

Die Web­seite der katholis­chen Kirche Öster­re­ichs fasst die Geschichte des Rosenkranzes zusam­men. Schon die Buss­büch­er des 8. Jahrhun­derts hät­ten fest­ge­hal­ten, dass, wer die Psalmen wed­er lesen noch auswendig kon­nte, an ihrer Statt das Vaterunser beten könne. Vaterunser statt der Psalmen beteten auch die des Latein unkundi­gen Laien­mönche in den Klöstern. Damit ver­ban­den sie sich dem Chorge­bet der Priester­mönche. Auch das Ave Maria galt als Ersatzge­bet. Für eine Rei­he von 150 Ave Maria ent­stand in Anlehnung an die 150 Psalmen der Bibel der Name «Marienpsalter».

Trost und Meditation

Die Recherche in unserem Kan­ton zeigt, dass in jedem Aar­gauer Pas­toral­raum regelmäs­sig Rosenkranzge­bete stat­tfind­en, etwa 60 Pfar­reien pfle­gen diese Tra­di­tion. Beson­ders inten­siv beten die Pil­gerin­nen und Pil­ger, die jew­eils am Mon­tag vor Pfin­g­sten zu Fuss von Hor­nussen nach Todt­moos wall­fahren. Auf der gesamten Strecke betet die Gruppe 32 Rosenkränze. Das Gehen im Gebet bewirke einen beson­deren Zus­tand, schildert Pil­ger­leit­er Karl Her­zog: «Wenn man betet, wird man nicht müde, weil das Beten die Gedanken an die schlap­pen Beine ver­drängt.» Eine ähn­liche Wirkung beschreibt Urs Bug­mann: «Die Erfahrung zeigt, dass Rosenkranz­beten hil­fre­ich ist, um das Leben zu meis­tern. Es gibt einem sehr viel Kraft und lässt die Sor­gen unwichtiger wer­den, ja es ist mir schon öfters passiert, dass sich Prob­leme ein­fach wun­der­bar lösten.»

Der Rosenkranz

[esf_wordpressimage id=37527][/esf_wordpressimage]Der Rosenkranz beste­ht aus einem Kreuz und 59 Perlen. Mit Hil­fe der grossen und kleinen Perlen beten die Gläu­bi­gen eine Abfolge ver­schieden­er Gebete. Ein «Vaterunser», zehn «Ave Maria» und ein «Ehre sei dem Vater» bilden ein «Gesätz». Dazu gibt es die soge­nan­nten «Geheimnisse», die an den ersten Teil des Ave Maria ange­fügt wer­den und das Leben Jesu nachze­ich­nen. Tra­di­tionell sind die «freuden­re­ichen», «schmerzhaften» und «glo­r­re­ichen» Geheimnisse mit je fünf Sätzen. Diesen fün­fzehn Geheimnis­sen hat Papst Johannes Paul II. eine vierte Fün­fer­gruppe, die «lichtre­ichen» Geheimnisse, hinzuge­fügt.

Eine Anleitung zum Rosenkranzge­bet find­en Sie hier.

Rosenkranzwunder

In Medi­en und Lit­er­atur ist immer wieder von «Rosenkranzwun­dern» die Rede. Das meistz­i­tierte ist das­jenige von Hiroshi­ma, wo am 6. August 1945 vier rosenkranz­be­tende Jesuit­en­pa­tres den Atom­bomben­ab­wurf über­lebten und später über dieses Erleb­nis berichteten. Urs Bug­mann erin­nert sich sein­er­seits an eine wun­der­bare Begeben­heit aus seinem Dorf: «Vor dem zweit­en Weltkrieg wohnte eine deutsche Fam­i­lie mit mehreren Söh­nen in Döt­tin­gen. Als Hitler alle Deutschen auf­forderte, für das Vater­land in den Krieg zu ziehen, fol­gten vier von ihnen der Auf­forderung. Meine Mut­ter erzählte, die Mut­ter dieser Söhne, eine sehr fromme Frau, hätte uner­müdlich das Rosenkranzge­bet gebetet, damit ihre Söhne wieder heimkehren mögen. Alle kamen zurück. Einen davon habe ich noch sel­ber gekan­nt. Er war öfters bei uns auf dem Hof zu Besuch. Manch­mal hat er von seinen Erleb­nis­sen im Krieg erzählt, meis­tens mit wäss­ri­gen Augen, unglaubliche Geschicht­en.»

Geschnitzte Geheimnisse

In der Sebas­tians- und Fridolin­skapelle in Mell­storf bei Wis­likofen sind die tra­di­tionellen 15 Rosenkranzge­heimnisse (siehe Box) als Schnitzereien am Altar zu bewun­dern. Clau­dia Men­nen, Lei­t­erin der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei, schreibt im spir­ituellen Impuls zur Mell­stor­fer Kapelle: «In kleine Gesätze ver­packt, erzählt der Rosenkranz eine ganze Lebens­geschichte. Er hat aus der Geschichte Jesu ein Gebet gemacht.»

Marie-Christine Andres Schürch
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