Brücken­baue­rin, Fähri­frau und ein Hut

In Basel-Stadt und Basel-Land gibt es 470 ver­schie­de­ne Kirch­ge­mein­den und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten. In die­ser Viel­falt ist das Brücken­bau­en eine Her­aus­for­de­rung, sagt Lilo Roost Vischer. Sie ist Lei­te­rin des Run­den Tischs der Reli­gio­nen bei­der Basel und Dozen­tin für ange­wand­te Eth­no­lo­gie mit Schwer­punkt sozia­le und reli­giö­se Vielfalt. 

Statt vom Brücken­bau spricht die Koor­di­na­to­rin lie­ber von einem Netz­werk, in wel­ches auch jene 45 Pro­zent der Bevöl­ke­rung in der Stadt Basel ein­be­zo­gen wer­den, die sich nicht zu einer Kon­fes­si­on beken­nen. In das Netz­werk gehört auch der Kon­takt zur staat­li­chen Ver­wal­tung. Roost Vischer bezeich­net ihre Auf­ga­be als Schnitt­stel­le. Es sei wich­tig, dass neue reli­giö­se Phä­no­me­ne ver­stan­den und ein­ge­ord­net wer­den. Zu Glau­bens­in­hal­ten habe sich der Staat aber gemäss Bun­des­ver­fas­sung nicht zu äus­sern. Lilo Roost Vischer nimmt in ihrer Funk­ti­on als Exper­tin und Koor­di­na­to­rin für Reli­gi­ons­fra­gen eine sehr star­ke Brücken­funk­ti­on wahr.

Gross und geschmei­dig
Brücken muss die Stel­len­in­ha­be­rin immer wie­der schla­gen, beson­ders wenn es zwi­schen Bevöl­ke­rung und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten zu Kon­flik­ten kommt. Ein wich­ti­ges Instru­ment dazu bil­det der «Run­de Tisch der Reli­gio­nen bei­der Basel», an dem die öffent­lich-recht­lich und die kan­to­nal aner­kann­ten Kir­chen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten betei­ligt sind, aber auch die bei­den Dach­ver­bän­de Evan­ge­li­sche Alli­anz und Bas­ler Mus­lim Kom­mis­si­on und eini­ge klei­ne Gemein­schaf­ten. Fili­gra­ne Brücken, die bereits bestehen, aber noch nicht ganz auf sta­bi­lem Fun­da­ment fus­sen und von den Reli­gi­ons­grup­pen nicht wei­ter­ge­baut wer­den, wer­den von Roost Vischer gestärkt und zusam­men­ge­hal­ten. Durch die­se dif­fi­zi­le und sorg­sam aus­ta­rier­te Arbeit wer­de der Zusam­men­halt in der Bevöl­ke­rung gestärkt und ein fried­li­ches, mul­ti­re­li­giö­ses Zusam­men­le­ben ermög­licht. «Das kann man als Brücken­bau ver­ste­hen. Aber manch­mal den­ke ich lie­ber an einen Hut, unter wel­chem alle Inter­es­sen zusam­men­ge­führt wer­den. Die­ser muss sehr gross und geschmei­dig sein.» So auch die Brücke zwi­schen den ver­schie­de­nen Gemein­schaf­ten in Basel. Auch sie muss gross und breit, aber eher dyna­misch als sta­tisch sein.

Hän­ge­brücken über­win­den
Vor schma­len Hän­ge­brücken haben vie­le Men­schen Angst. Sie trau­en sich nicht, die­se zu betre­ten. Das gilt auch für fra­gi­le Bezie­hun­gen zu Gemein­schaf­ten. Dann sieht Lilo Roost Vischer ihre Auf­ga­be dar­in, den Leu­te die­se Angst, ihren Schwin­del vor dem Hin­der­nis des Unbe­kann­ten zu neh­men, indem sie auf­klärt: «Die Schlucht ist nicht halb so tief, wie sie scheint. Die Brücke wackelt zwar, sie ist aber dyna­misch und stark. Sie hält jeden, der dar­über geht. An ihrer Sta­bi­li­tät arbei­ten wir gemein­sam. Wir müs­sen an alle Win­de den­ken, die auf die­se Brücke ein­wir­ken. Wir dür­fen aber kei­ne Wind­fah­ne sein.»

Zusam­men­ar­beit stärkt
Der Bau von Brücken wird von ver­schie­de­nen «Glau­bens­in­ten­si­tä­ten» beein­flusst. An der Sta­bi­li­tät arbei­ten sehr from­me, streng­gläu­bi­ge Men­schen und sol­che, für wel­che ihr Glau­be eine klei­ne Rol­le spielt oder die sehr kri­tisch gegen­über Reli­gi­on ein­ge­stellt sind. Die Brücken müs­sen sowohl zwi­schen Grup­pen geschla­gen wer­den, die bereit sind, eine sol­che zu benüt­zen, und jenen Grup­pie­run­gen, die nichts von einem Brücken­schlag wis­sen wol­len. Der «Run­de Tisch», inter­re­li­giö­se Ver­an­stal­tun­gen und Work­shops die­nen als Platt­form für alle, die bereit sind zusam­men­zu­ar­bei­ten. «Die­se Zusam­men­ar­beit stärkt uns», sagt die Bas­le­rin. Schwie­ri­ger ist es hin­ge­gen, Men­schen und Grup­pen zusam­men­zu­brin­gen, die auf eine star­ke Tren­nung bedacht sind.

Auch Eng­stir­nig­keit über­win­den
«Sor­ge berei­tet mir, dass es immer salon­fä­hi­ger wird, Isla­mis­mus und sogar Jiha­dis­mus mit Islam gleich­zu­set­zen», sag­te die Bas­ler Koor­di­na­to­rin für Reli­gi­ons­fra­gen. ” Gera­de bei die­sem The­ma brau­che es gute Inge­nieu­re für den Bau einer soli­den und doch nicht zu wuch­ti­gen Brücke. Bei die­sem The­ma sei es enorm wich­tig, auch die Äng­ste zu berück­sich­ti­gen. Dies errei­chen wir nur durch Trans­pa­renz und Auf­klä­rung.» Wenig nütz­lich ist es auch, wenn Gläu­bi­ge den Stand­punkt ver­tre­ten, den Koran oder die Bibel müs­se man auf eine ganz bestimm­te Art und Wei­se lesen, und auf die­ser Posi­ti­on behar­ren. «Das ist eine Art von Gene­ra­li­sie­rung und Umgang mit einer Hei­li­gen Schrift, die unse­rer Gesell­schaft nicht wür­dig ist.» Ein­zel­per­so­nen berei­te­ten in die­sem Zusam­men­hang am mei­sten Probleme.

Mit der Fäh­re über­set­zen
Die Rhein-Stadt Basel ist bekannt für ihre Fäh­ren. Zuwei­len sieht sich Lilo Roost Vischer als «Fähri­frau», die zu den Leu­ten hin­fährt. «Dann schaue ich, inwie­weit die­se gewillt sind, mit mir über den Fluss zu set­zen.» Dazu zwin­gen kann man nie­man­den, und nicht jeder, der den Fuss auf die Fäh­re setzt, wird auch auf die­ser blei­ben. Es braucht zum Teil viel Über­win­dung­wil­len, aber auch viel Über­zeu­gungs­kraft. Eine Brücke zu betre­ten ist ein­fa­cher und ver­mit­telt eher das Gefühl der Gemein­schaft als die Fahrt mit der Fäh­re. Auf der Brücke kann sich jeder bewe­gen wie er will, und das ist ange­nehm. Die Fäh­re ist anstren­gen­der, aber wenn das Über­set­zen gelingt, dann ist das ein «star­kes Signal». Es sind noch nicht alle Brücken über den Rhein geschla­gen. Die Lei­te­rin des Run­den Tischs sieht sich manch­mal auch als Mah­ne­rin, vor allem in Bezug auf die Reli­gi­ons­frei­heit, zu der man Sor­ge tra­gen müs­se. Als «Fähri­frau» müs­se sie jeweils «auf Kurs blei­ben», sagt sie. «Doch eine gute Seg­le­rin muss auch gegen den Wind kreu­zen kön­nen, um vor­wärts zu kom­men», erklärt Lilo Roost Vischer.

Geor­ges Scher­rer, kipa

 

Redaktion Lichtblick
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