Bis zum Umfallen

Bis zum Umfallen

Zum The­ma «Der Kampf gegen Armut geht weit­er» wird am 26. Jan­u­ar 2014 in den Aar­gauer Pfar­reien das Opfer für Car­i­tas Aar­gau aufgenom­men. Neben der Beratungs- und Pro­jek­tar­beit engagiert sich die Regionale Car­i­tas-Organ­i­sa­tion auch für Armuts­bekämp­fung, damit Men­schen am Exis­tenzmin­i­mum Teil der Gesellschaft sind.Als Mari­na S. das Büro der Car­i­tas zum ersten Mal betrat, wurde bald klar: Die bricht jet­zt dann gle­ich zusam­men. Konkret kam sie, weil sie mehrere Mietrech­nun­gen offen hat­te und langsam befürcht­en musste, die Woh­nung zu ver­lieren. Das war allerd­ings nur die Spitze des Eis­bergs, ein­er Geschichte, in der eine Frau viel zu lange um ihre Exis­tenz und jene ihres Sohnes gekämpft hat­te. Wie lange sie wohl gewartet hat­te, bis sie sich selb­st eingeste­hen musste, dass sie mit ihren Kräften am Ende war?Selb­ständigkeit endete in Schulden Mari­na S., vor zwanzig Jahren aus dem Ost­block in die Schweiz gekom­men, ist allein erziehende Mut­ter eines 12-jähri­gen, chro­nisch kranken Sohnes. Der geschiedene Mann unter­stützte sie mit Kinder­al­i­menten und über­nahm bere­itwillig Betreu­ungsauf­gaben. In ihrer Heimat war Mari­na S. Kos­metik­erin gewe­sen, hier in der Schweiz arbeit­ete sie als Verkäuferin. Doch plöt­zlich arbeit­s­los, wollte und wollte ihre Stel­len­suche nicht frucht­en, und das während zwei Jahren. Mutig und vielle­icht auch ein biss­chen naiv entsch­ied sie sich schliesslich für eine offen­sive Strate­gie. Zusam­men mit ein­er Fre­undin beschloss sie, ein Kos­metik­stu­dio zu eröff­nen. Dazu investierte sie ihr Pen­sion­skas­sen­geld und nahm ein Dar­lehen von 30 000 Franken bei einem Fre­und auf. Sie hat­te jedoch zu wenig berück­sichtigt, dass sie am Anfang kein Einkom­men haben würde. Und so häuften sich ihre Rech­nun­gen, die sie nicht zahlen kon­nte. Es ging nicht lange, und die Beziehung zu ihrer Fre­undin und Geschäftspart­ner­in wurde durch die Schwierigkeit­en stra­paziert. So beschloss Frau S., das Geschäft voll­ständig der Fre­undin zu übergeben. Was blieb, war ein Haufen Schulden.Der Druck war zu gross gewor­den  Wie durch ein Wun­der fand Mari­na S. eine Anstel­lung als Verkäuferin in ein­er Bäck­erei mit einem Einkom­men am Exis­tenzmin­i­mum. Damit sie ihre Schulden beim Bekan­nten tilgen kon­nte, ver­richtete sie zusät­zlich nach den lan­gen Arbeit­sta­gen noch eine zwei- bis dreistündi­ge Heimar­beit. Inner­halb der fol­gen­den zwei Jahre schaffte es Mari­na S., die unglaubliche Summe von 15 000 Franken abzuzahlen. Aber die Rech­nun­gen blieben. Diese kon­nte sie nicht bezahlen. Der Druck und die moralis­che Verpflich­tung, einem pri­vat­en Fre­und Geld zu schulden, waren gross, und Mari­na S. wollte als unab­hängige und stolze Frau nichts schuldig bleiben. Die Krankheit des Sohnes kam erschw­erend hinzu. Nicht nur gab es Mehraus­la­gen durch Zug­fahrten zu seinen Ther­a­piesitzun­gen. Mari­na S. war ständig begleit­et von einem Gefühl, dem Sohn nicht gerecht zu wer­den. Sie wün­schte sich, dass ihr Kind nichts ent­behren muss.Ein schw­er­er Gang aus der Not her­aus Unter­dessen beschlossen einige Gläu­biger, Mari­na S. zu betreiben. Dies bewog die Osteu­ropäerin zum Schritt, die Sozial­ber­atung aufzusuchen. Das emp­fand sie für sich selb­st als Aus­druck des Gescheit­ert­seins. Neb­st den prak­tis­chen Schrit­ten, die nun zu unternehmen waren, bestärk­te die Sozialar­bei­t­erin Mari­na S. allerd­ings auf ihrem Weg, Lösun­gen zu find­en. In ein­er unter­stützen­den Art schaute sie, was nun zu unternehmen war.Dank Unter­stützung wieder Licht­blicke Mari­na S. musste die Heimar­beit reduzieren, weil dies kräftemäs­sig nicht mehr zu schaf­fen war. Nach­dem die Sozialar­bei­t­erin Gesuche geschrieben hat­te, über­nahm die Ort­sp­far­rei die Mietschulden. Sie bekam auch die Kul­turle­gi, mit welch­er sie unter anderem gün­stig im Car­i­tas-Markt einkaufen kann. Die Sozialar­bei­t­erin begleit­ete Mari­na S. auch auf das Betrei­bungsamt, um den Ablauf zu besprechen. Eben­falls suchte die Sozialar­bei­t­erin nach ein­er Fach­stelle, welche die Mut­ter mit dem kranken Kind begleit­en kon­nte. Obwohl für Frau S. der Schritt zur Beratung schwierig gewe­sen war, gab ihr diese gemein­same Pla­nung wieder eine klarere Ord­nung in der Sicht auf ihre Ver­hält­nisse. Und nach ein­er Weile, mit einem klaren Plan für die Schulden­til­gung, kam Mari­na S. inner­lich mehr und mehr zur Ruhe.Karin Sarafoglu
Redaktion Lichtblick
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