Kirchengipfel und Friedenshoffnung

Dass der Streik der israelis­chen Diplo­mat­en die Vor­bere­itun­gen der Pap­streise monate­lang block­ierte, dürfte eines der kleineren Prob­leme bleiben. Bei seinem zweit­en Aus­lands­be­such vom 24. bis 26. Mai in Jor­danien, den Palästi­nenserge­bi­eten und Israel beg­ibt sich Papst Franziskus in eine der poli­tisch heiss­es­ten und kirch­lich schwierig­sten Regio­nen der Welt. Die Reise ver­langt ihm und seinen Beratern höch­stes diplo­ma­tis­ches Geschick und öku­menis­ches sowie inter­re­ligiös­es Ein­füh­lungsver­mö­gen ab. Zudem will er seinen bedrängten Gläu­bi­gen Sol­i­dar­ität und Rück­en­stärkung ver­mit­teln.

Zum vierten Mal untern­immt ein Papst eine Reise ins Heilige Land. Alle Päp­ste seit dem Konzil – sieht man vom 33-Tage-Papst Johannes Paul I. ab – haben die irdis­che Heimat Jesu besucht. Franziskus hat für seine Vis­ite bewusst den 50. Jahrestag der ersten päp­stlichen Nahostreise zum Anlass genom­men: Anfang 1964 war der Konzilspapst Paul VI. in Jerusalem mit dem ortho­dox­en Ehrenober­haupt Athenago­ras zu einem sen­sa­tionellen Gipfel zusam­mengetrof­fen und hat­te die seit 1054 getren­nten Kirchen wieder ins öku­menis­che Gespräch gebracht.

Kom­plizierte Lage
Franziskus fol­gt fast der gle­ichen Route wie Paul VI: Amman, Beth­le­hem, Jerusalem. Freilich ist die Lage dies­mal kom­pliziert­er als bei früheren Reisen. Da sind die Unruhen in Teilen der ara­bis­chen Welt, vor allem der Krieg im Nach­bar­land Syrien. Da ist der israelisch-palästi­nen­sis­che Frieden­sprozess, an den sich beim Besuch von Johannes Paul II. im Jahr 2000 noch viele Hoff­nun­gen knüpften, und der heute am Boden liegt. Neu ist, dass der Vatikan jet­zt von einem «Staat Palästi­na» spricht; noch Benedikt XVI. betrat 2009 in Beth­le­hem die «Palästi­nenser-Gebi­ete» und wurde vom «PLO-Vor­sitzen­den» begrüsst. Die neue Sit­u­a­tion ver­langt auch vom Papst neue Wege: Franziskus fliegt von Amman direkt nach Beth­le­hem, was ihm viel Zeit – und eine Begeg­nung mit israelis­chem Pro­tokoll an der umstrit­te­nen Jor­dan-Gren­ze erspart. Und nach Israel reist Franziskus dann pro­tokol­lar­isch kor­rekt per Hub­schrauber über den Flughafen Ben Guri­on bei Tel Aviv ein.

Wieder­beleben
Im Mit­telpunkt der Reise ste­hen die Tre­f­fen von Franziskus mit dem ortho­dox­en Ehrenober­haupt Bartholo­maios I. in Jerusalem. Wie ihre Vorgänger vor 50 Jahren unterze­ich­nen sie eine gemein­same Erk­lärung und tre­f­fen sich in der Grabeskirche zu ein­er Gebets­feier. Die Ökumene spielte bei den bei­den let­zten Pap­streisen in der Region eine auf­fal­l­end unter­ge­ord­nete Rolle. Der Papst aus Argen­tinien will den Enthu­si­as­mus der ersten Stun­den nun wieder­beleben. Neben der Ökumene geht es bei der bevorste­hen­den Pap­streise auch um den Kon­takt mit Mus­li­men sowie mit Juden. Zwar betritt Franziskus wed­er eine Moschee noch eine Syn­a­goge, aber bei sein­er grossen Begeg­nung im jor­danis­chen Königspalast sind neben Poli­tik­ern auch Mus­lim­führer anwe­send. In Jerusalem besucht er den mus­lim­is­chen Tem­pelplatz und trifft dort den Gross-Imam, bevor er an die jüdis­che Klage­mauer tritt, die bei­den Ober-Rab­bin­er auf­sucht und in der Gedenkstätte Yad Vashem der Opfer des Holo­caust gedenkt.

Genug Gesprächsstoff
Poli­tis­che Fra­gen dürften vor allem bei den offiziellen Staat­ster­mi­nen zur Sprache kom­men. Mit Jor­daniens König Abdul­lah II. wer­den es die grossen Fra­gen der Region, der Krieg in Syrien, seine Fol­gen für die Nach­barstaat­en, die Flüchtlingsströme sein. Noch offen ist, ob Franziskus in Beth­le­hem neben Präsi­dent Mah­mud Abbas auch mit Vertretern der Hamas zusam­men­trifft, zu der dieser ger­ade den Schul­ter­schluss sucht. In Jerusalem sind Begeg­nun­gen mit Israels schei­den­dem Präsi­den­ten und Frieden­sno­bel­preisträger Schi­mon Peres vorge­se­hen, sowie mit Min­is­ter­präsi­dent Ben­jamin Netan­jahu. Nur wenig Zeit bleibt bei dem dicht­en Pro­gramm – die Reise dauert drei Tage, die Vorgänger waren dop­pelt so lange hier – für die Begeg­nung mit den ein­heimis­chen Chris­ten. Frei zugängliche Open-Air-Messen gibt es in Amman und in Beth­le­hem, nicht in Jerusalem. Dort ste­ht nur ein Gottes­di­enst mit Klerik­ern im engen Abendmahlssaal auf dem Pro­gramm. Und Reisen nach Nazareth oder an den See Genezareth mit den bib­lis­chen Stät­ten und den Chris­tenge­mein­den ent­fall­en völ­lig.

Die richti­gen Worte
Den­noch gehen Beobachter davon aus, dass die Heilig-Land-Reise ohne grössere Mis­sklänge ver­läuft. Franziskus besucht alle wichti­gen Orte, hält sich strikt an das poli­tis­che Pro­tokoll, trifft die entschei­den­den Per­so­n­en. Man kann erwarten, dass er mit seinen Gesten überzeugt und die richti­gen Worte wählt: an die Staatsmän­ner und Poli­tik­er für einen dauer­haften und gerecht­en Frieden; an Mus­lime und Juden zum inter­re­ligiösen Dia­log; und an die Chris­ten zur Ökumene und zur Ermu­ti­gung in ihrer schwieri­gen Sit­u­a­tion als Min­der­heit.

Johannes Schidelko / Kipa

Redaktion Lichtblick
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