Biblische Rollenspiele öffnen den Zugang zum Text und zum Ich

Biblische Rollenspiele öffnen den Zugang zum Text und zum Ich

  • Seit 22 Jahren ver­mit­telt die Wis­likofer Schule für Bib­lio­dra­ma und Seel­sorge einen ganz beson­deren Zu- und Umgang mit bib­lis­chen Tex­ten.
  • Eine Aus­bil­dung, die Fach­leuten der prak­tis­chen Seel­sorge neue Wege eröffnet, um die Bibel erleb­bar zu machen.
  • Durch Rol­len­spiele ler­nen die Teil­nehmer mehr über bib­lis­che Fig­uren und über sich sel­ber.

Bib­lis­che Texte sind für heutige Men­schen oft schw­er zu ver­ste­hen. Das liegt zum einen an der Sprache, die zahlre­iche Wörter und For­mulierun­gen aufweist, die heute nicht mehr gebräuch­lich sind. Zum anderen spie­len die bib­lis­chen Geschicht­en in ein­er Zeit und in ein­er Gesellschaft, die die meis­ten Leser der Gegen­wart wed­er nachvol­lziehen noch richtig inter­pretieren kön­nen. Was kann man also tun, um die lehrre­ichen und wichti­gen Texte der Bibel nicht ungenutzt oder unver­standen in irgen­deinem Bücher­re­gal ver­stauben zu lassen? Auf diese Frage fand die Wis­likofer Schule für Bib­lio­dra­ma und Seel­sorge im Jahr 2000 eine eben­so ein­fache wie überzeu­gend wirkungsvolle Antwort: das Bib­lio­dra­ma.

Dem Familienstellen ähnlich

Vielle­icht ist dem einen oder anderen Leser die psy­chol­o­gis­che Ther­a­piemeth­ode des Fam­i­lien­stel­lens ein Begriff. Da wer­den Per­so­n­en in einem Raum plac­i­ert, die stel­lvertre­tend für real existierende Fam­i­lien­mit­glieder eines Patien­ten von dessen Ther­a­peuten befragt, je nach­dem auch umplac­i­ert und zum Aus­tausch mit dem Patien­ten angeregt wer­den, um tief liegende Ver­let­zun­gen, Missver­ständ­nisse oder andere Belas­tun­gen der Seele endlich aussprechen und dadurch let­ztlich über­winden zu kön­nen. So ähn­lich kann man sich eine bib­lio­drama­tis­che Ver­anstal­tung vorstellen.

«Wobei es aber schon einen Unter­schied gibt», räumt Clau­dia Men­nen, Aus­bild­ner­in in Bib­lio­dra­maleitung an der Wis­likofer Schule für Bib­lio­dra­ma, ein. «Beim Fam­i­lien­stellen bleibe ich in meinem eige­nen Fam­i­lien- und Psy­chodra­ma. Beim Bib­lio­dra­ma spiele ich im Rah­men ein­er Geschichte. Das heisst, da wer­den The­men einge­tra­gen, die nicht zu mein­er Erfahrungswelt gehören. Und vor allem ste­ht das The­ma Gott und Glaube beim Bib­lio­dra­ma im Zen­trum, mit Gott als riesen­grossem Gast­ge­ber, der nicht auf das Anse­hen der Per­son schaut und sich schon gar nicht von Sün­dern abwen­det. Wir arbeit­en dabei schon mit eini­gen Struk­turmerk­malen, die Ähn­lichkeit haben mit dem Organ­i­sa­tions- oder Fam­i­lien­stellen, aber wir machen kein Psy­chodra­ma. Wir sind auch keine Ther­a­peuten, son­dern wir sagen, wir sind Seel­sor­gende.»

Für Seelsorgeprofis

Neben Men­nen, bekan­nt im Kirchenaar­gau als Lei­t­erin der Fach­stelle Bil­dung und Prop​stei, bilden seit der Grün­dung der Wis­likofer Schule für Bib­lio­dra­ma und Seel­sorge auch noch Sabine Tsch­ern­er und Nico­laas Derk­sen neue Bib­lio­dra­maleit­er aus. Unter­stützt wer­den sie dabei von den The­olo­gen und Bib­lio­dra­maleit­ern Detlef Heck­ing, Esther Rüthe­mann und Nadia Rudolf von Rohr. Die Aus­bil­dung, die in Koop­er­a­tion mit dem The­ol­o­gisch-pas­toralen Bil­dungsin­sti­tut der deutschschweiz­erischen Bistümer (tbi) durchge­führt wird, dauert zweiein­halb Jahre und richtet sich an bere­its beru­flich in der Seel­sorge tätige The­olo­gen, Reli­gion­späd­a­gogen, Jugen­dar­beit­er et cetera.

Das Bib­lio­dra­ma als «Instru­ment der Rezep­tion­säs­thetik» und als «Form der ange­wandten Exegese», wie es Men­nen beschreibt, sei eine her­vor­ra­gende Meth­ode, um die bib­lis­chen Texte als uner­schöpfliche Ressource des Glaubens neu zu ent­deck­en, Kraft daraus zu schöpfen und die eigene Iden­tität zu nähren. Das sei in der aktuellen Sit­u­a­tion, in der sich die Kirche befind­et, wichtiger denn je: «Die Seel­sor­gen­den wer­den immer mehr zu Admin­is­tra­toren und Man­agern. Viele ver­lieren dadurch ihre Spannkraft und Energie. Die Beschäf­ti­gung mit ganz exis­ten­ziellen Fra­gen im Bib­lio­dra­ma ver­mit­telt Befriedi­gung und Tiefe. Das fördert auch die Wider­stand­skraft im Beruf.» Unter www.bibliodramaundseelsorge.ch erfährt man mehr darüber, was einem die Bibel sagt, wenn man mit seinem eige­nen Ich zu ein­er ihrer Fig­uren wird.

Bibliodrama-Tagung

Am 28. März 2023 ver­anstal­tet das The­ol­o­gisch-pas­torale Bil­dungsin­sti­tut in Zürich eine Tagung rund um das The­ma Bib­lio­dra­ma als pas­torales Instru­ment unter dem Titel «Bin ich der Hüter meines Brud­ers?». Impulsvorträge und Ate­liers zeigen, wie Bib­lio­dra­ma einen Beitrag leis­ten kann zur Iden­titäts­find­ung und Beziehungs­fähigkeit sowie zu ein­er zukun­fts­fähi­gen Pas­toral. Anmel­dung und Infor­ma­tio­nen unter www.tbi-zh.ch.

Christian Breitschmid
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