Da sein für Angehörige
Demenz ist eine Erkrankung, von der wir uns am liebsten weit distanzieren würden.
Im Sinne von: keine Ahnung, noch nie gehört, das ist weit weg und geht mich nichts an. So sehr macht diese Diagnose Angst. Es sind die an Demenz erkrankten Menschen, die Störungen ihrer kognitiven Fähigkeiten hinnehmen müssen. Ebenso betroffen sind ihre Angehörigen, denn eine Demenzerkrankung stellt das bisherige Leben auf den Kopf.
Für Menschen mit Demenz bleiben sinnliche Erfahrungen lange eine Quelle der Freude.
Im Moment leben und sich nicht vorstellen, was alles noch Schlimmes kommt.
Wer den Angehörigen zuhört, erfährt neben dem Leiden am Krankheitsverlauf auch manche Überlebensstrategie: diesen gemütlichen Morgen geniessen, der erkrankte Partner ist mit einem Puzzle beschäftigt, und die Ehefrau kann einen Spaziergang mit dem Hund machen. Tiere sind oft eine grosse Stütze und geben Wärme und Liebe. Es braucht Mut, auch den eigenen Rhythmus zu leben und auszureizen, was geht, denn passieren könnte immer etwas. Plötzlich verlässt der Erkrankte das Haus, obwohl er das nie gemacht hat, und findet den Heimweg nicht mehr. Oder er richtet beim Versuch, eine Störung zu beheben, grösseren Schaden an und schneidet alle Kabel durch.
Unterstützungsangebote zu kennen, ist wichtig.
Die Angehörigen wissen nie, was sie erwartet, und leiden oft an einer Grunderschöpfung. Und doch ist es schwierig, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erst wenn die Krankheit fortgeschritten ist und es nicht mehr anders geht, kann Hilfe einfacher angenommen werden. Natürlich ist es hilfreich, sich frühzeitig zu informieren. «Alzheimer Aargau» richtet sich mit ihren kostenlosen Angeboten an Menschen mit Demenz und an deren Angehörige. Neben weiteren wertvollen Unterstützungsangeboten gibt es die Gesprächsgruppen für Angehörige mit geschulten und erfahrenen Leiterinnen. Sich zu treffen, wird als stärkend und entlastend erlebt. Das versichern die Angehörigen, die sich seit drei Jahren im Pfarreizentrum Schöftland einmal monatlich treffen. Alle Geschichten und Emotionen haben Platz, und alle Teilnehmenden wissen, wovon gesprochen wird. Niemand muss ein Blatt vor den Mund nehmen. Was besprochen wird, bleibt vertraulich. Die Würde der Erkrankten und deren Nahestehenden ist zentral.
Für Aussenstehende ist es schwierig zu erfassen, wie stark der kognitive Abbau fortgeschritten ist.
Zur Krankheit gehört, dass sich Beziehungen verändern und betreuende Partner für den anderen entscheiden müssen. Das stösst oft auf Unverständnis. Manchmal sind sie müde zu erklären, dass etwas zu viel ist, dass der Erkrankte überfordert ist, mit emotionalen Ausbrüchen oder mit Bettnässen reagiert. Das Selbstwertgefühl von Betroffenen leidet. Umso wertvoller ist es, wenn sie kreativ wirken können, so wie es noch möglich ist und passt. Mandalas malen, im Garten werken oder stricken – es ist zum Staunen, was noch geht. Sinnliche Erfahrungen bleiben lange eine Quelle der Freude.
Gemeinsam statt einsam unterwegs.
In Schöftland haben sich engagierte Personen aus der Alterskommission, aus den Kirchen und der Heimleiter des Alterszentrums zur «Spurgruppe Demenz» zusammengefunden. Durch diese Zusammenarbeit kann die Bevölkerung zu unterschiedlichsten Anlässen eingeladen werden. Diese stossen auf grosses Interesse, weil viele auf irgendeine Weise mit dem Thema Demenz konfrontiert sind. Es tut gut, angesichts dieser Erkrankung nicht nur hilflos zu bleiben.
Text: Bernadette Bernasconi, Seelsorgerin in Schöftland und Leiterin einer Gesprächsgruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz.