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Papstwahl der Superlative
Heute startet die Wahl des neuen Papstes: mit Kardinälen aus 71 Nationen die internationalste und grösste in der Geschichte. Stefan von Kempis, Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News, erklärt, wie ein Konklave funktioniert.
Mittwoch, 7. Mai: Was wird als erstes passieren?
Stefan von Kempis: Erst einmal kein Konklave. Morgens um 10.00 Uhr wird die Messe im Petersdom gefeiert für den noch zu wählenden Papst. Die Predigt hat dabei Kardinaldekan Giovanni Battista Re, 91 Jahre alt, aber rüstig. Das eigentliche Konklave wird um 16.30 Uhr beginnen mit dem Zug aus der Paulinischen Kapelle des Apostolischen Palasts in die Sixtinische Kapelle. Dann werden die 133 Kardinäle den Eid auf Verschwiegenheit ablegen, das «extra omnes» wird gesprochen – «alle hinaus» – und dann gibt es Kommunikation mit den Wählenden nur noch über Rauchzeichen.
Wie genau läuft das Konklave weiter ab?
Am Mittwoch wird nach dem Einzug noch ein erster Wahlgang stattfinden. Wir werden also bereits am ersten Tag Rauch sehen – zumindest schwarzen. Jeden Tag finden zwei Wahlgänge vormittags und zwei nachmittags statt, zwischendurch dürfen die Kardinäle ins Gästehaus Domus Sanctae Marthae zum Essen und Schlafen. Sobald eine Zweidrittelmehrheit für einen Kandidaten erreicht ist – das sind etwa 89 Stimmen – ist der Papst ordentlich gewählt.
Wird so lange gewählt, bis ein Papst bestimmt ist?
Nein. Drei Tage lang, also bis einschliesslich Samstag, wird gewählt. Am Sonntag folgt der erste Tag der Unterbrechung. Ist bis dahin kein Papst bestimmt, könnte das heikel werden, denn dann könnten die Kardinäle die Wahlordnung ändern. Tun sie das, könnte später aber die Gültigkeit der Wahl des Papstes angezweifelt werden.
Wie lange wird es diesmal dauern, schätzen Sie?
Schwer zu sagen. Es sind Kardinäle aus 71 Nationen dabei – es ist das internationalste und grösste Konklave seit jeher. Die meisten der Kardinäle kennen sich nicht persönlich. Viele hoffen, dass der Papst am Donnerstag bestimmt sein wird. Bei sämtlichen Konklaven im 20. Jahrhundert zumindest war der Papst im Laufe der ersten drei Tage gewählt.
Wer wird Papst werden?
Jener, der legitim gewählt wird. Und für diesen arbeiten wir dann. Wir bei Vatican News kommen mit allen zurecht – Hauptsache wir haben einen Papst.
Ist das Konklave ein demokratischer Prozess?
Es hat sehr viele Elemente, die die staatlichen Demokratien später übernommen haben: die Abschottung der Wähler, die geheime Wahl. Vieles stammt aus den kommunalen Ordnungen im Mittelalter, es wurde für die Papstwahl übernommen, lange bevor es die Demokratien gab, wie wir sie kennen.
Ist es historisch betrachtet eines der frühen Modelle, einen Monarchen mit demokratischen Mitteln zu bestimmen?
Ja, mit Sicherheit. Es gibt da allerdings eine seltsame Zweideutigkeit: einerseits ist der Papst ein Monarch, also ein Alleinherrscher, wenn man so will; andererseits wird er demokratisch gewählt – wir haben hier keine Monarchendynastie, in der der Titel innerhalb einer Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Stefan von Kempis (*1970) ist ein deutscher Journalist, der seit 2019 die deutschsprachige Abteilung von Vatican News in Rom leitet. Eben ist von ihm im Herder Verlag das Buch «Weisser Rauch und falsche Mönche – Eine andere Geschichte der Papstwahl» erschienen.

Wenn das Konklave demokratische Elemente hat – ist das nicht ein Widerspruch zu Papst Franziskus, der im Rahmen der Weltsynoden immer wieder betont hat, die Kirche entscheide nicht demokratisch, sondern synodal?
Zwar sind es demokratische und vordemokratische Elemente in der Papstwahl, aber natürlich ist es kein rein demokratischer Vorgang, was die Kardinäle in der Sixtina tun. Papst Franziskus hätte wahrscheinlich gesagt: Die Papstwahl ist selbst bis zu einem gewissen Grad synodal, denn die Kardinäle sind zum überwiegenden Teil Ortsbischöfe, die die Sorgen, Fragen und Wünsche ihrer jeweiligen Ortskirche in den Wahlprozess mit einbringen.
Für wie sinnvoll halten Sie diese Art des Wahlverfahrens für einen Papst für heute?
Es ist ein Modell, das seit 1268 mehr oder weniger gut klappt, auch Papst Franziskus befand es als gutes Modell, an dem er nicht schrauben wollte. Papst Johannes Paul II. hat in der Konklaveordnung namens «Universi Dominici Gregis» von 1996 allerdings festgehalten, dass die «Ernennung» eines Papstes auch auf andere Weise vonstatten gehen könnten. Es ist der Anspruch des Papsttums zu entscheiden, auf welche Weise die Nachfolge ausgesucht wird. In der Geschichte war es oftmals unterschiedlich, es gab Zeiten, da haben Kaiser die Päpste gewählt oder Päpste selbst haben ihre Nachfolger designiert.
Was sagen Sie zum vollkommenen Ausschluss von Frauen?
Es ist ja nicht so, dass festgeschrieben steht, dass Frauen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Momentan ist das Kriterium, das Kardinäle die exklusiven Wähler des Papstes sind. Das hat sich historisch entwickelt, kann aber, wie gesagt, geändert werden. Ich würde bloss meinen, dass die Kardinäle als Kernwählergruppe sicher erhalten bleiben werden.
Halten Sie es für realistisch, dass Frauen zu dieser Wahl zugelassen werden?
In ferner Zukunft ja – im Vatikan dauert so etwas ja immer länger. Das Weltsynodale Modell liesse sich auch auf die Papstwahl übertragen, dass also auch Nicht-Kardinäle mitwählen dürften, auch Frauen. Ein erster Hebel dazu wäre meiner Meinung nach folgender: Frauen könnten zugelassen werden, die Meditation für die Wahlkardinäle zu halten, die im Vorfeld des Konklaves ein- oder zweimal vorgetragen werden, und nach dem Ruf «extra omnes» direkt vor dem ersten Wahlgang. Eine Mutter Teresa oder eine Katharina von Siena hätten sich doch wunderbar dafür geeignet, um Beispiele aus der Geschichte zu nennen. Momentan ist dies aber Klerikern vorbehalten.
Was würden Sie am Wahlverfahren ändern?
Das ganze Prozedere sollte noch geheimer ablaufen. Für mein Gefühl sollten die Kardinäle schon im Moment, in dem sie in Rom ankommen, in die Sixtina eingesperrt werden, um sich in Ruhe auszutauschen. Dieses Schaulaufen rund um den Vatikan, bedrängt von der Pressemeute, der dann Brocken von Informationen zugeworfen werden – das zerrt an den Nerven aller Beteiligten.
Was würden Sie unbedingt beibehalten?
Das «Habemus Papam»: Das ist einfach eine klassische Balkonszene, eine wunderbarer «Aha-Moment», daran würde ich gar nichts ändern.
Der Artikel ist zuerst auf Forum Magazin der katholischen Kirche im Kanton Zürich erschienen.


