Podium zu Geld und Macht — und viele offene Fragen

Podium zu Geld und Macht — und viele offene Fragen

  • Am Podi­um Wasser­schloss sprachen Oswald Grü­bel und Ueli Mäder vor 180 Men­schen über die «Macht des Geldes». Trotz gegen­sät­zlich­er Posi­tio­nen entwick­elte sich kein eigentlich­es Stre­it­ge­spräch in der Reformierten Kirche Geben­storf.
  • Nach der Ver­anstal­tung aus der Rei­he «Von Mächti­gen und weniger Mächti­gen in unserem Land» blieben beim Pub­likum viele Fra­gen offen. Zudem waren einige ent­täuscht: Der Anlass sei zu wenig angrif­fig gewe­sen.
 Gespräch­sleit­er Hans Fahrlän­der brachte es zum Schluss der Ver­anstal­tung auf den Punkt: «Wir sind nir­gends richtig fer­tig gewor­den». Nach zwei Stun­den Gespräch mit dem Ex-CEO von Cred­it Suisse und UBS, Oswald Grü­bel, und Ueli Mäder, dem emer­i­tierten Pro­fes­sor für Sozi­olo­gie an der Uni­ver­sität Basel, waren zwar viele Aspek­te rund um das The­ma «Von der Macht des Geldes» ange­sprochen, aber keines befriedi­gend beant­wortet wor­den.

Keine Trennung in Gut und Böse

Die Ver­ant­wortlichen der Öku­menis­chen Erwach­se­nen­bil­dung Geben­storf, die das Podi­um Wasser­schloss organ­isieren, hat­ten Hans Fahrlän­der im Vor­feld gebeten, keine Tren­nung in Gut und Böse an diesem Abend zuzu­lassen. Der Mod­er­a­tor hielt sich an die Vor­gabe, sowohl während sein­er Befra­gung der Podi­ums­gäste, als auch in der anschliessenden Diskus­sion mit dem Pub­likum. Seine Fra­gen liessen immer bei­den Experten die Gele­gen­heit, ihre Ansicht­en zu äussern, ohne Gefahr zu laufen, durch kri­tis­che Nach­fra­gen in die eine oder andere Ecke gedrängt zu wer­den.Zu Beginn des Gesprächs erhiel­ten Grü­bel und Mäder je die Gele­gen­heit, ihre Lebens­geschichte in eige­nen Worten zu schildern. Dabei zeigten sich span­nende Par­al­le­len. Der Gross­banker wie der Sozi­olo­giepro­fes­sor stam­men bei­de aus beschei­de­nen Ver­hält­nis­sen. Oswald Grü­bel ver­lor seine Eltern früh, kam zu sein­er Gross­mut­ter, floh mit ihr über die grüne Gren­zen nach West­deutsch­land und wuchs bei Ver­wandten auf. Mit 16 Jahren sollte er Geld ver­di­enen. Dafür wollte er Maschi­nen­bauin­ge­nieur wer­den, doch: «Meine Erziehungs­berechtigten beschlossen, dass ich eine Ban­klehre machen sollte.»

Der eine zur Credit Suisse, der andere ins Gefängnis

Auch Ueli Mäder wuchs nicht mit einem gold­e­nen Löf­fel im Mund auf. Er war eines von acht Kindern. Auch ihn reizten die Maschi­nen, aber mehr von der prak­tis­chen Seite her: Er wollte Maschi­nen­schloss­er wer­den. «Aber meine Eltern legten grossen Wert auf gute Bil­dung. Also absolvierte ich die Han­delss­chule.»Auf­grund des grossen Pub­likum­sin­ter­ess­es — gut 180 Per­so­n­en ver­fol­gten das Gespräch — war das Podi­um vom reformierten Kirchge­mein­de­haus in die Kirche hinüber ver­schoben wor­den. Hier erfuhren die Zuhör­er, dass Oswald Grü­bel in ein­er katholis­chen Dias­po­ra aufgewach­sen war und als Mess­di­ener wirk­te, während Ueli Mäder mit der Kirche als Insti­tu­tion gar nichts am Hut hat­te: «Ich habe bis heute noch nie Kirchen­s­teuern bezahlt.» Dafür ver­trat er als links-grün ori­en­tiert­er Sozi­ologe im Laufe sein­er Kar­riere dur­chaus christliche Werte und ver­weigerte sich aus Überzeu­gung auch dem Dienst an der Waffe, wofür er nach der Matur erst ein­mal ins Gefäng­nis wan­derte.Oswald Grü­bel wurde 1970 von der Cred­it Suisse ange­wor­ben: «Ein Ange­bot, das ich nicht ablehnen kon­nte.» Als er sich dann vor Stel­lenantritt im Rah­men der Eig­nung­stests buch­stäblich bis auf die Unter­ho­sen ausziehen musste, «da war ich sehr stolz, denn es hat mir gezeigt, dass die hier in der Schweiz wirk­lich nur die Besten nehmen.»

«Das Geld geht dahin, wo es sich noch mehr vermehrt»

Kein Wun­der, dass Oswald Grü­bel auf die Schlussfrage Hans Fahrlän­ders, ob in der Schweiz die Reich­sten anstelle der Besten das Sagen hät­ten, schlicht und ein­fach «Nein.» sagte.Ueli Mäder erwiderte, er sehe eine grosse Gefahr in dieser Rich­tung, deshalb brauche es unbe­d­ingt ein poli­tis­ches Kor­rek­tiv. Schon vorher hat­te er betont, dass es vor 30 Jahren noch möglich gewe­sen sei, dass ein Nation­al­rat aus der Arbeit­er­schaft gewählt wurde. «Das geht heute nicht mehr. Ohne Geld kommt man nicht in die Poli­tik.» Aus einem ehe­mals tra­gen­den, lib­er­al-poli­tis­chen Sys­tem habe sich die Schweiz ein­er neuen Art von Gläu­bigkeit zuge­wandt: «Das Geld geht dahin, wo es sich noch mehr ver­mehrt. Das Gle­ichgewicht zwis­chen Poli­tik und Wirtschaft wird dadurch gefährdet, und darunter lei­den die demokratis­chen Prozesse.»Auf die Frage, ob Geld denn automa­tisch auch Macht bedeute, wink­te Oswald Grü­bel ab: «Geld für sich hat keine Macht, aber der Men­sch mit Geld kann eine gewisse Macht haben. Was wirk­lich Macht ver­lei­ht, das sind die Men­schen, die man damit kaufen kann.»

«Bei Steuern über 50 Prozent macht keiner mehr mit»

Ueli Mäder zitierte auf die Frage nach der Macht in gekürzter Form den Sozi­olo­gen Max Weber, der Macht darin sah, den eige­nen Willen gegen Wider­stände von aussen durchzuset­zen. «Macht doku­men­tiert sich aber auch in sozialen Beziehun­gen», so Ueli Mäder weit­er. Um ein Gle­ichgewicht zu schaf­fen in der Gesellschaft, müsse man zurück­find­en zum lib­er­al-demokratis­chen Cre­do.Darauf Oswald Grü­bel: «Kein­er will gle­ich sein. Wir haben das in den Genen. Dazu gibt es ein gutes Beispiel in der Bibel: das Gle­ich­nis von den Arbeit­ern im Wein­berg.» Die Sozial­sys­teme der nordis­chen Staat­en hät­ten lange Zeit als zukun­ftsweisend gegolten, aber: «Jed­er, der’s da geschafft hat, wohnt heute hier in der Schweiz. Bei Steuern über 50 Prozent macht kein­er mehr mit.»

Enttäuschte Erwartungen: «zu wenig angriffig»

Während des anschliessenden Apéros im Kirchge­mein­de­haus wurde eifrig wei­t­er­disku­tiert — auch mit den bei­den Podi­um­steil­nehmern. Viel Lob war dafür zu hören, dass sich Oswald Grü­bel und Ueli Mäder über­haupt für dieses Gespräch zur Ver­fü­gung gestellt hat­ten.«Ich hätte mir das Ganze  noch etwas angrif­figer vorgestellt», meinte ein­er der Zuhör­er, der damit auch die Erwartung ander­er Besuch­er aus­drück­te. «Herr Grü­bel hat stark aus sein­er per­sön­lichen Sicht und aus sein­er eige­nen Erfahrung gesprochen», erk­lärte eine weit­ere Zuhörerin, «während Herr Mäder noch mehr Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und The­o­rien lieferte. Das fand ich sehr span­nend.»Etwas nach­den­klich fasste ein Podi­ums­be­such­er zusam­men: «Ich kann nicht sagen, ob ich heute Abend ein Aha-Erleb­nis hat­te oder eine neue Erken­nt­nis mit nach Hause nehme. Man gehört wohl ein­fach mehr auf die Grü­bel- oder mehr auf die Mäder­seite, und dann gibt man halt eher dem einen oder dem anderen recht.» 

Podium Wasserschloss: Nächste Veranstaltungen

«Von Mächti­gen und weniger Mächti­gen», so das The­ma der 5‑teiligen Ver­anstal­tungsrei­he der öku­menis­chen Erwach­se­nen­bil­dung Geben­storf – jew­eils fre­itags 19.30 bis zir­ka 21.30 Uhr im reformierten Kirchge­mein­de­haus Geben­storf. Es fol­gen noch diese The­menabende: Die Macht der Medi­en: mit AZ-Chef Patrick Müller (15. Novem­ber); Macht und Ein­fluss der Kirche: mit Prof. Dr. Markus Hup­pen­bauer (22. Novem­ber); Die Macht des Volkes: Podi­ums­diskus­sion mit Vertretern von Grü­nen, SP, CVP, FDP und SVP (29. Novem­ber). 
Christian Breitschmid
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