Schweizweit neue Massnahmen gegen Missbrauch
Wer Seelsorgerin oder Seelsorger werden möchte, muss ab Mitte 2025 standardmässig eine psychologische Abklärung durchlaufen.
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Schweizweit neue Massnahmen gegen Missbrauch

Institutionen der katholischen Kirche stellen weitere Massnahmen vor, die Opfer unterstützen und Missbrauch und Vertuschung verhindern sollen

Die römisch-katholische Kirche setzt im Jahr 2025 mehrere neue Massnahmen um. Die kirchlichen Meldestellen beraten keine Opfer mehr, sondern verweisen an die von den Kantonen anerkannten, unabhängigen Beratungsstellen. Ein Leitfaden für Personalakten und ein fachlich geprüftes Auswahlverfahren für zukünftige Seelsorgende sollen im Personalmanagement helfen, Risiken zu verringern.

Erar­beit­et wur­den die Mass­nah­men von der Schweiz­er Bischof­skon­ferenz (SBK), der Römisch-Katholis­che Zen­tralkon­ferenz der Schweiz (RKZ) und der Kon­ferenz der Vere­ini­gun­gen der Orden und weit­er­er Gemein­schaften des gottgewei­ht­en Lebens (KOVOS). Bere­its im Sep­tem­ber 2023 kündigten die Insti­tu­tio­nen fünf Mass­nah­men an. Das Beson­dere daran war, dass die angekündigten Mass­nah­men nicht auf der Ebene der einzel­nen Bistümer, son­dern auf nationaler Ebene umge­set­zt wer­den soll­ten. In regelmäs­si­gen Zwis­chen­bericht­en informiert die Kirche sei­ther über den Stand. So auch am 29. Jan­u­ar.

Informationsstelle statt Beratungsstelle

Die Kirche berät die Opfer ab Jan­u­ar 2025 nicht mehr selb­st. Um die unab­hängi­gen Bera­terin­nen und Berater in kirchen­spez­i­fis­chen Fra­gen zu unter­stützen, hat sie stattdessen eine Infor­ma­tion­sstelle geschaf­fen. An diese Stelle kön­nen sich Opfer­ber­a­tende wen­den und bekom­men Hil­fe bei Fra­gen, die die Struk­turen und Insti­tu­tio­nen der katholis­chen Kirche in der Schweiz betr­e­f­fen.

Die Zusam­me­nar­beit der Opfer­ber­atungsstellen mit der kirch­lichen Infor­ma­tion­sstelle wird nach zwei Jahren aus­gew­ertet.

Neue Regeln für Personalakten

Gemein­sam mit dem Unternehmen von Rund­st­edt, das auf Per­son­al­fra­gen spezial­isiert ist, hat die Kirche einen Leit­faden erar­beit­et. Er legt Regeln fest, wie Per­son­alak­ten geführt, auf­be­wahrt und weit­ergegeben wer­den sollen und dür­fen. Schu­lungsange­bote für die Umset­zung wird es voraus­sichtlich ab Mitte 2025 geben.

Annale­na Müller vom «pfar­rblatt» Bern gibt zu bedenken, dass die Frage bleibt, wie man Bistümer und kirch­liche Ein­rich­tun­gen davon überzeu­gen kann, die ein­heitlichen Stan­dards umzuset­zen. Die drei Insti­tu­tio­nen (SBK, RKZ und KOVOS) haben keine Weisungs­befug­nis und die Umset­zung liegt let­ztlich bei den Bistümern, Lan­deskirchen und Kirchge­mein­den.

Psychologische Abklärung bei Seelsorgenden

Wer Seel­sorg­erin oder Seel­sorg­er wer­den möchte, muss stan­dard­mäs­sig eine psy­chol­o­gis­che Abklärung durch­laufen. Sie wurde gemein­sam mit Prof. Jérôme Endrass, Leit­er Forschung & Entwick­lung beim Amt für Jus­tizvol­lzug und Wiedere­ingliederung des Kan­tons Zürich erar­beit­et. Dadurch schafft die Kirche ein schweizweit ein­heitlich­es Auswahlver­fahren für Priester­amt­skan­di­dat­en und Seel­sor­gende. Auch das Ver­fahren soll ab Mitte 2025 in Kraft treten.

Annale­na Müller weist darauf hin, dass nicht klar ist, welche Vorkehrun­gen getrof­fen wer­den, wenn jemand Risiken aufweist und ob auf­fäl­lige Per­so­n­en vom pas­toralen Dienst aus­geschlossen wer­den. Ausser­dem sei noch offen, ob eine Ablehnung in der Per­son­alak­te fest­ge­hal­ten wird. Auch die Frage, ob die Infor­ma­tio­nen mit anderen Bistümern geteilt wür­den, bleibe unbeant­wortet.

Joseph Maria Bon­nemain, Bischof von Chur und The­men­ver­ant­wortlich­er der SBK, äussert sich fol­gen­der­massen zu den veröf­fentlichen Infro­ma­tio­nen:
«Die Betrof­fe­nen von Miss­brauch im kirch­lichen Umfeld sowie die gesamte Gesellschaft sollen sich vergewis­sern kön­nen, dass die katholis­che Kirche in der Schweiz Macht­miss­brauch bekämpft und grif­fige Präven­tion­s­mass­nah­men umge­set­zt hat. Den Worten und Ver­sprechun­gen sind Tat­en gefol­gt. Der Prozess der wirkungsvollen Ver­hin­derung von Miss­brauch jeglich­er Art wird den­noch niemals been­det sein. Die Kirche, wie die gesamte Gesellschaft, muss sich dem The­ma auf allen Ebe­nen und in jed­er Form ihrer Auswüchse fort­laufend annehmen, um gemein­sam die nöti­gen präven­tiv­en Mass­nah­men auszuar­beit­en und umzuset­zen.»

Die Betrof­fe­nenor­gan­i­sa­tio­nen IG‑M!kU aus der Deutschschweiz, die Groupe Sapec aus der Westschweiz und die Gava aus dem Tessin haben eine Stel­lung­nahme dazu veröf­fentlicht:
 «Wir sind sehr zufrieden und schätzen die umsichtige Arbeit. Es hat zwar lange gedauert, das Resul­tat ist zukun­ftsweisend und mod­ell­haft. Es ist von sehr gutem Stan­dard und weg­weisend. Beachtlich ist die Arbeit im Zusam­men­hang mit der Auswahl und Aus­bil­dung von Kan­di­dat­en für das Priester­amt und die pas­toralen Auf­gaben. […] Wün­schenswert ist da noch die oblig­a­torische Weit­er­bil­dung für alle, die bere­its in der Pas­toral arbeit­en, so wie das z.B. im Tessin seit eini­gen Jahren prak­tiziert wird. […] Es wäre jedoch unbe­dacht zu denken mit diesen Grund­la­gen wären die Prob­leme gelöst. […] Ein Arbeitsmit­tel ist nun vorhan­den und die Hoff­nung gross, dass es mit Leben gefüllt wird was da heisst: Betrof­fene erhal­ten rasch und kom­pe­tent die Hil­fe, die sie sich wün­schen und die ihnen zuste­ht.»

Redaktion Lichtblick
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