STAF-Vorlage: Alles halb so schlimm für die Kirchen?

STAF-Vorlage: Alles halb so schlimm für die Kirchen?

  • Wenn am Woch­enende das Bun­des­ge­setz über die Steuer­reform und die AHV-Finanzierung (STAF) angenom­men wird, bet­rifft dies auch die Kirchen.
  • Eine Umfrage von Hor­i­zonte zeigt: Die Kirchen wer­den zwar weniger Fir­men­steuern erhal­ten, doch hal­ten sich die Ver­luste in Gren­zen. Grössere Sor­gen bere­it­en die  Kirchenaus­tritte.
  • Zürich trifft es mit 17,5 Mil­lio­nen Franken Min­dere­in­nah­men am härtesten, wobei dieses Szenario wohl allzu vorschnell auf gesamtschweiz­erische Ver­hält­nisse über­tra­gen wurde.
 Sink­ende Mit­gliederzahlen führen bere­its jet­zt bei den Kirchen zu Steuer­aus­fällen. Mit der Abstim­mung über das Bun­des­ge­setz über die Steuer­reform und die AHV-Finanzierung (STAF) am kom­menden Woch­enende dürfte den Kirchen nun weit­eres Steuer­sub­strat abhan­den kom­men. Von «Mil­lio­ne­naus­fällen» war bere­its zu lesen, der Auf­schrei von Seit­en der Kirchen blieb – im Gegen­satz zur Abstim­mung über die «Unternehmenss­teuer­reform III» von vor zwei Jahren – aber aus, denn die Sit­u­a­tion erscheint vie­len Kan­ton­alkirchen längst nicht so bedrohlich.

Im Aargau zahlen Firmen keine Kirchensteuern

Für den Aar­gau, Basel-Stadt, Appen­zell-Ausser­rho­den, Genf und Schaffhausen beispiel­sweise hat die Abstim­mung kein­er­lei Auswirkun­gen. Denn in diesen Kan­to­nen bezahlen juris­tis­che Per­so­n­en keine Kirchen­s­teuern.Wenig zu befürcht­en hat auch der Kan­ton Luzern: «Wir haben ohne­hin schon die tief­sten Steuern für Unternehmen in der ganzen Schweiz», erk­lärt Dominik Thali, Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortlich­er der Römisch –Katholis­chen Lan­deskirche Luzern. Hinzu komme, dass der von juris­tis­chen Per­so­n­en anfal­l­ende Steuer­an­teil mit 10 Prozent im nationalen Verble­ich sehr ger­ing sei.

Zug und Luzern: STAF ist kein Problem

Auch im Kan­ton Zug, der mit 50 Prozent den höch­sten Steuer­an­teil an juris­tis­chen Per­so­n­en ausweist, ist man guter Dinge. «An den Steuer­erträ­gen sollte sich kaum etwas ändern. Es wird nur eine leichte Ver­schiebung geben: Jene Gemein­den mit vie­len Hold­ings und gemis­cht­en Gesellschaften wer­den etwas mehr ein­nehmen, jene mit Gewerbe und KMU etwas weniger», sagt Karl Huwyler von der Vere­ini­gung der Katholis­chen Kirchge­mein­den im Kan­ton Zug. «Weil wir aber inner­halb des Kan­tons einen Steuer­aus­gle­ich haben, wer­den diese Ver­schiebun­gen zum Teil aufge­fan­gen. Die Steuere­in­nah­men von juris­tis­chen Per­so­n­en dürften somit bei den üblichen 18 Mil­lio­nen Franken bleiben.Für Karl Huwyler stellt weniger die aktuelle Steuer­vor­lage als vielmehr die Notwendigkeit, Kirchen­s­teuern für juris­tis­che Per­so­n­en in Zukun­ft zu recht­fer­ti­gen, die grosse Her­aus­forderung dar: «Da wer­den wir gefordert sein». Zur STAF-Vor­lage sagt er abschliessend: «Ich finde Unsicher­heit schlim­mer als eine plan­bare Ver­schiebung. Wenn die Vor­lage bachab geht, haben wir Recht­sun­sicher­heit, die dazu führen kön­nte, dass ver­schiedene inter­na­tionale Fir­men wegziehen.»

Thurgau: Geld für Kirchenrenovationen

Ähn­lich sieht es im Thur­gau aus: Der 15 Prozent-Anteil juris­tis­che Per­so­n­en am Steuer­sub­strat des Kan­tons ist im nationalen Ver­gle­ich eher beschei­den (Im Kan­ton Zürich sind es 30, im Kan­ton Zug gar 50 Prozent), doch haben im Thur­gau kaum Hold­ings, son­dern vor allem «nor­male Unternehmen» ihren Sitz, erk­lärt Urs Brosi von der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Thur­gau. «Deren Steuern wer­den gesenkt, was Auswirkun­gen auf unsere Steuere­in­nah­men haben wird». Man habe erst grobe Anhalt­spunk­te, zumal sich der Kan­ton erst nach der Abstim­mung bezüglich der Gewinn- und Kap­i­tal­gewinns­teuern fes­tle­gen will. «Wie hoch die Steuer­aus­fälle genau sein wer­den, kön­nen wir daher noch nicht abschätzen» erk­lärt Urs Brosi gegenüber Hor­i­zonte. Erste Szenar­ien gehen von 1,2 Mil­lio­nen Franken aus.Es dürfte aber bess­er kom­men, als wenn vor zwei Jahren die «Unternehmenss­teuer­reform III» angenom­men wor­den wäre (damals gehörten auch die Kirchen zu den erk­lärten Geg­n­ern der Steuer­vor­lage). «Der Kan­ton hat aus dem let­zten Abstim­mungskampf gel­ernt und will nicht nur die Gemein­den, son­dern auch die Kirchen für ihre Aus­fälle entschädi­gen», weiss Urs Brosi. Dies mit einem zweck­ge­bun­de­nen Fonds, in den jährlich bis zu ein­er Mil­lion Franken fliessen soll. «Das Geld soll für Kirchen­ren­o­va­tio­nen einge­set­zt wer­den, die von den Kirchge­mein­den oft­mals schon jet­zt kaum gestemmt wer­den kön­nen.

Nochmals Thurgau: Ausfälle werden kompensiert

Urs Brosi hofft, dass man die Aus­fälle kom­pen­sieren könne – ein­er­seits über die Gelder aus dem Fonds, ander­er­seits aber auch mit Hil­fe steigen­der Steuere­in­nah­men von natür­lichen Per­so­n­en.Der Thur­gau kon­nte in den ver­gan­genen Jahren von der Zuwan­derung prof­i­tieren. Entsprechend ist man bezüglich der Fol­gen der STAF-Vor­lage nicht beson­ders nervös. «Wir empfehlen den Kirchge­mein­den lediglich, mit Steuer­fusssenkun­gen etwas zurück­hal­tender zu sein», meint er lakonisch.

Solothurn muss 500 000 Franken einsparen

Anders präsen­tiert sich die Sit­u­a­tion im Kan­ton Solothurn: Dort wer­den die Gewinns­teuern, sofern die Abstim­mung über die kan­tonale Steuer­vor­lage angenom­men wird, von 21 auf 13 Prozent gesenkt. Für die drei Lan­deskirchen und die Kirchge­mein­den, so regelt dies das neue Gesetz über den Finan­zaus­gle­ich für die Kirchen im Kan­ton Solothurn, gibt es ab dem Jahre 2020 auf sechs Jahre hin­aus nur noch zehn Mil­lio­nen Franken pro Jahr.«Bis jet­zt erhiel­ten die drei Lan­deskirchen und die Kirchge­mein­den aus Steuere­in­nah­men der juris­tis­chen Per­so­n­en jew­eils 12 — 14 Mil­lio­nen Franken, in guten Jahren waren es gar 16 Mil­lio­nen», so Dominik Port­mann von der Römisch-Katholis­chen Syn­ode des Kan­tons Solothurn. «Für die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche und die Kirchge­mein­den bedeutet das im Min­i­mum 1,14 Mil­lio­nen Franken Min­dere­in­nah­men». Zwar werde man auf Stufe Lan­deskirche ver­suchen, mit Hil­fe von Reser­ven die Steuer­aus­fälle in den kom­menden Jahren irgend­wie aufz­u­fan­gen, aber schon jet­zt sei klar: 500 000 Franken müssten jährlich einges­part wer­den. «Wo das genau geschehen wird, ist noch Gegen­stand ver­schieden­er Abklärun­gen», so Ver­wal­ter Dominik Port­mann.

Basel-Landschaft: Rückstellungen und sparen

Etwas härter trifft es die Römisch-Katholis­che Kirche im Kan­ton Basel-Land­schaft, die mit rund 4 Mil­lio­nen Franken etwa 14 Prozent ihrer Steuere­in­nah­men von juris­tis­chen Per­so­n­en bezieht. Mit Umset­zung der STAF-Vor­lage dürften laut dem Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortlichen, Dominik Prétôt, etwa 250 000 bis 750 000 Franken weniger zur Ver­fü­gung ste­hen. Und dies, obschon der Kan­ton aus den Kom­pen­sa­tion­szahlun­gen vom Bund (siehe auch Zusatz­text) einen Teil an die Lan­deskirchen weit­ergibt.Für Dominik Prétôt ist klar: Es wer­den Rück­stel­lun­gen gebildet, Reser­ven aufgelöst und Min­der­aus­gaben getätigt wer­den müssen. Gle­ich­wohl erachtet man im Kan­ton Basel-Land­schaft die Auswirkun­gen der STAF-Vor­lage als nicht drama­tisch. «Ein viel grösseres Prob­lem sind die Rück­gänge von Steuer­erträ­gen von natür­lichen Per­so­n­en infolge von Kirchenaus­trit­ten, welche auf Kirchge­mein­deebene anfall­en».

Zürich: «Jährlich fehlen 17,5 Millionen Franken»

Die Befür­worter der Vor­lage schüren die Hoff­nung, dass sich infolge der gesenk­ten Gewinns­teuern neue Fir­men in der Schweiz ansiedeln. «Das müssen wir erst sehen», meint Simon Spen­gler, Infor­ma­tions­beauf­tragter bei der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche in Zürich. 194 Mil­lio­nen Franken Steuere­in­nah­men kon­nte die Römisch-Katholis­che Kirche im Kan­ton Zürich allein 2017 für sich ver­buchen. Davon stammten rund 70 Mil­lio­nen (etwa 36 Prozent) von juris­tis­chen Per­so­n­en.Im Zuge der Annahme der STAF-Vor­lage plant der Regierungsrat eine Senkung des Gewinns­teuer­satzes von 8 auf 6 Prozent, was laut Simon Spen­gler für die Römisch-Katholis­che Kirche zu einem Steuer­rück­gang von 25 Prozent (das entspricht etwa 17,5 Mil­lio­nen Franken) führen dürfte. «Nicht berück­sichtigt sind dabei die Fol­gen von zusät­zlichen Mass­nah­men wie Patentschutz, zins­bere­inigte Gewinns­teuer oder Forschungsab­gaben. Diese Instru­mente dürften rege genutzt wer­den, da der Kan­ton Zürich auch nach der Reduk­tion des erwäh­n­ten Gewinns­teuer­satzes der zweit­teuer­ste Fir­men­stan­dort in der Schweiz bleiben wird», meint Simon Spen­gler.Ähn­lich wie in anderen Kan­to­nen erhält auch die Römisch-Katholis­che Kirche Zürich eine Kom­pen­sa­tion: Etwa 2,5 Mil­lio­nen Franken. Ob und in welchem Umfang kün­ftig ges­part wer­den muss, ist noch offen. «Über allfäl­lige Leis­tungsre­duk­tio­nen ist noch nichts entsch­ieden», meint Simon Spen­gler auf Nach­frage.

RKZ: «Es betrifft 170 Millionen von einer Milliarde»

Trifft die Fir­men­steuerge­set­zre­vi­sion dem­nach vor allem Zürich? «Wir reden von gesamthaft 170 Mil­lio­nen Franken Steuern, welche die Römisch-Katholis­chen Lan­deskirchen in der Schweiz von Fir­men erhal­ten», erk­lärt Daniel Kosch, Gen­er­alsekretär der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz RKZ. «Das sind 17 Prozent von ins­ge­samt ein­er Mil­liarde Steuer­franken. Und wenn wir jet­zt davon aus­ge­hen, dass von diesen 170 Mil­lio­nen durch ver­schiedene Änderun­gen 5 Prozent ver­loren gehen, ist das nicht son­der­lich viel».Die kan­tonalen Vertreter in der RKZ-Finanzkom­mis­sion seien aber näher am Geschehen und weniger opti­mistisch als er, meint Daniel Kosch dann und sagt: «Wird die Vor­lage angenom­men und set­zen die Kan­tone die Senkung der Unternehmenss­teuern wie geplant um, so wird es laut unser­er Kom­mis­sion dort, wo es Kirchen­s­teuern juris­tis­ch­er Per­so­n­en gibt, schmerzhafte Ein­bussen geben. Beson­ders betrof­fen wer­den jene sein, die gegen die Hälfte oder mehr als die Hälfte ihrer Erträge aus Kirchen­s­teuern juris­tis­ch­er Per­so­n­en gener­ieren». Ein Szenario allerd­ings, das Karl Huwyler von der Vere­ini­gung der Katholis­chen Kirchge­mein­den im Kan­ton Zug im Gespräch mit Hor­i­zonte als wenig wahrschein­lich betra­chtet.

Schlechter Ruf der STAF-Vorlage wegen Zürich

Aber wie kon­nte denn der Ein­druck entste­hen, dass die aktuell zur Abstim­mung ste­hende Steuer­vor­lage die Kirchen so mas­siv trifft? «Es gibt Kan­tone wie Zürich, die stärk­er betrof­fen sind», weiss Daniel Kosch. «In Zürich sind es mit 17,5 Mil­lio­nen Franken ein­schnei­dende Ver­luste. Das tut weh, und wenn es Zürich weh tut, hat das einen psy­chol­o­gis­chen Effekt für die ganze Schweiz». Allerd­ings, so Daniel Kosch, prof­i­tierten die Kirchen bei der aktuellen Vor­lage von Kom­pen­sa­tion­szahlun­gen, wie sie noch bei der Unternehmen­steuer­reform III nicht vorge­se­hen waren. «Aus diesem Grund kam es bei den Kirchen dieses Mal auch nicht zu einem Auf­schrei wie vor zwei Jahren».

Thomas Wallimann: «Kirchen denken nur an sich»

Ein Umstand, der den Sozialethik­er Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki nach­den­klich macht. Als Leit­er des sozialethis­chen Insti­tuts «ethik22» ver­fasst er jew­eils zu den nationalen Abstim­mungen Ori­en­tierung­shil­fen unter Berück­sich­ti­gung der christlichen Sozialethik und der katholis­chen Soziallehre.Die Kirchen dürften auch dieses Mal nicht schweigen, son­dern müssten auf die Gerechtigkeit­sprob­lematik hin­weisen, die der Steuer­wet­tbe­werb mit sich bringe, sagt er. Und er ergänzt mit Blick auf die Kom­pen­sa­tion­szahlun­gen, welche die Kirchen in vie­len Kan­to­nen erhal­ten: «Offen­bar denken die Kirchen jet­zt zu sehr an sich sel­ber. Das kön­nte auch neg­a­tive Fol­gen haben – dann näm­lich, wenn die mit dem Steuer­wet­tbe­werb ein­herge­hende Entsol­i­darisierung zum Abbau von Staat­sleis­tun­gen vor allem im Sozialen führt, oder die Steuer­be­las­tung der natür­lichen Per­so­n­en zunimmt. Höhere Steuern kön­nten dazu führen, dass Leute  aus finanziellen Grün­den aus der Kirche auszutreten. All dies macht eine Entschei­dung nicht ganz ein­fach»

RKZ: «Haben Kompensation angeregt»

Die Kom­pen­sa­tion­szahlun­gen, wie sie in den Kan­to­nen Zürich, St. Gallen oder Thur­gau zur Anwen­dung kom­men, hat die Römisch-Katholis­che Zen­tralkon­ferenz (RKZ) im Vernehm­las­sung­sprozess zur STAF-Vor­lage angeregt, erk­lärt RKZ-Präsi­dent Luc Hum­bel. Er bedauert und gibt zu Bedenken, dass man trotz aller Berech­nun­gen weit­er­hin nicht klar sagen könne, wie sich die STAF-Vor­lage let­zten Endes für die Kirchen in der Schweiz auswirken wird. Nach den jüng­sten Mei­n­ung­sum­fra­gen ste­ht wohl einzig fest, dass die STAF-Vor­lage am kom­menden Woch­enende an der Urne erfol­gre­ich durchkom­men wird — im Gegen­satz zur USR III. 
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben