
Bild: © DACHS-Bau
Die Stimme der Jugend einbringen
Im Einsatz für die Anliegen junger Menschen bei der Weltsynode
Die Weltsynode der katholischen Kirche befindet sich gerade in der letzten und entscheidenden Phase. Obwohl nicht zur Synode eingeladen, haben sich Delegierte deutschsprachiger katholischer Jugendverbände auf nach Rom in den «DACHS-Bau» gemacht, um mit den Synodalen ins Gespräch zu kommen und ihre Anliegen einzubringen.
Sie sprechen mit mir aus dem «DACHS-Bau». Wie viele Leute sind gerade dort, und aus welchem Antrieb sind Sie in Rom?
Marina Zeller: Momentan sind wir zu acht, aber es ist ein bisschen ein Kommen und Gehen, die Leute sind verschieden lang hier. Einige sind ein paar Tage da, die meisten aber eine Woche. Ivo Bühler und Gregor Podschun, zwei Projektleiter des DACHS-Baus, sind die ganze Zeit über da.
Das Ziel, mit dem wir angereist sind, ist es, die Jugend an oder sogar in die Synode zu bringen, durch Gespräche mit verschiedenen Synodalen. Wir möchten von ihnen etwas über die Synode und ihre Erfahrungen hören, aber wir wollen ihnen auch unsere Meinungen und Anliegen in einem offenen Gespräch näherbringen.
Die Synode hat vor wenigen Tagen begonnen. Mit wem konnten Sie sich bisher unterhalten?
Zeller: Flurin und ich sind gestern angekommen und haben uns heute schon mit einer Delegierten unterhalten, Julia Osęka. Sie kommt ursprünglich aus Polen, studiert aber in den USA. Sie ist 23 Jahre alt, die zweitjüngste Synodenteilnehmerin. Sie ist als Delegierte der USA hier.
Worum ging es in dem Gespräch?
Flurin Rohweder: Nach einer kurzen Vorstellungsrunde hat Julia von letztem Jahr erzählt, unter anderem über ein Statement, das sie vorgetragen hat. Insgesamt haben wir vor allem Fragen gestellt, und sie hat erzählt, wie es an der Synode ist, wie sie die Atmosphäre wahrnimmt. Sie wollte aber auch von uns wissen, was unsere Anliegen sind.
Zeller: Es ist wirklich ein Gespräch auf Augenhöhe gewesen. Sie ist ja gleich alt wie wir. Und wir haben gemerkt, dass wir ähnliche Themen haben. Für viele Themen, die uns wichtig sind, steht sie ein und bringt sie in die Synode ein. Es hat mich persönlich mega ermutigt zu sehen, in dieser Synode sind auch Menschen, die ähnliche Anliegen haben wie wir. Das Gespräch war locker, wir sind anschliessend zusammen Mittagessen gegangen und haben uns weiter unterhalten. Nach unserem Treffen mit ihr gingen die Synodensitzungen weiter. Wir waren mit ihr vor dem Gebäude und konnten noch ein paar Synodale abfangen, mit denen sie uns dann in Kontakt gebracht hat.
Wie kommt der Kontakt zwischen den Synoden-Teilnehmenden und Ihnen zustande?
Zeller: Ivo, Gregor und Magdalena Weigl aus dem Projektteam haben bereits im Vorfeld viele Menschen angefragt und von vielen eine Zusage bekommen. Und manches entsteht auch spontan, wie eben durch Julia. Mit ihr haben wir einen Termin vor dem Eingang zur Synode vereinbart. Das Ziel ist es, mit möglichst vielen verschiedenen Synodalen zu reden.
Rohweder: Insgesamt geht es mehr von uns aus, weil die Leute, die an der Synode teilnehmen, viel zu tun haben, und es bei ihnen nicht direkt auf dem Radar ist, Gespräche mit uns zu führen.
Sie sind eine Stimme der Jugend. Was sind Ihre Anliegen und wie bringen Sie sie ein?
Rohweder: Die Themen Frauen und Gender. Also «katholischer Feminismus», wenn man so möchte. Das ist ein sehr grosses Anliegen von uns. Auch das Thema Sexualität. Mit diesen Themen verbunden ist dann weiter die Frage nach patriarchalen und klerikalen Strukturen.
Zeller: LGBTQIA+ (steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queere, Intersexuelle, Asexuelle und weitere Identitäten, Anm. d. Red.) ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Damit verbunden ist, dass vieles als Ideologie dargestellt wird. Aber es geht ja tatsächlich um Menschen. Menschen, die teilweise aus der Kirche ausgeschlossen sind und nicht akzeptiert werden.
Ein anderes Thema ist das Thema der Synode selbst: «Wie können wir synodale Kirche sein?» Also Synodalität weiterdenken. Wir kritisieren, dass Synodalität dort stehen bleibt, wo Macht abgegeben werden müsste von kirchlichen Machtträgern. Wir kritisieren die Hierarchisierung, weil schlussendlich das letzte Wort an der Synode der Papst allein hat.
Rohweder: Julia hat uns in diesem Zusammenhang erzählt, dass an der Synode Themen gesammelt werden – zum Beispiel «Frau sein in der katholischen Kirche» – und sehr intensiv diskutiert werden, oder sogar im «Instrumentum laboris» (dem Grundlagentext für die Generalversammlung der Weltsynode, Anm. d. Red.) erscheinen, in den Zusammenfassungen sind dann aber gerade diese Themen nicht mehr da. Es kann sogar passieren, dass sie gekürzt oder ganz gestrichen werden, weil sie als nicht relevant angesehen werden.
So wie es mit der angesprochenen Frauenfrage passiert ist. Seit Anfang des Jahres wissen wir, dass sie in der finalen Etappe der Weltsynode nicht mehr diskutiert wird.
Rohweder: Ich habe das Gefühl, dass sie trotzdem immer wieder von den Synodenteilnehmenden eingebracht wird. Und die Auslagerung hat die Synode auch nicht gut gefunden und gefordert, dass man sich dann zumindest andersweitig weiterhin damit befassen sollte.
Ivo Bühler: Im Gespräch mit Julia ist in Bezug auf diese ausgesonderten Themen nochmals klar geworden, dass der Fokus der Synode auf der Synodalität liegt. Die «heissen Eisen» wurden aus dem Prozess herausgenommen, damit man über Synodalität reden kann. Aber vielleicht ist bei der Frage, wie es mit der Kirche weitergeht, eine Antwort, dass gar nicht alles weltkirchlich definiert werden muss. Die Frage ist: «Welche Möglichkeiten gibt es, katholische Kirche zu sein in Vielfalt?» Eine Kirche, in der vieles möglich ist, die aber nicht gleichförmig sein muss. Eine Kirche, in der auf kulturelle Unterschiede Rücksicht genommen wird. Und so wie ich das Instrumentum laboris verstehe, ist das schon etwas, was darin behandelt wird: «Wie können wir die Vielfalt leben?»
Hand aufs Herz: Haben Sie das Gefühl, Ihre Präsenz und Ihre Gespräche bewirken etwas bei den Synodalen, und wenn ja, woran machen Sie das fest?
Rohweder: Meiner Meinung nach hat unsere Präsenz auf jeden Fall einen Nutzen. Gerade solche Gespräche, wie die mit Julia. Auch um zu zeigen, dass sie nicht allein ist, dass wir sie unterstützen, dass ihre Themen, die sie einbringt, auch unsere Anliegen sind.
Zeller: Und ich hoffe schon auch, dass wir durch die Gespräche unsere Anliegen einbringen können, aber ich kann nicht sagen, wie viel Einfluss wir wirklich haben. Es kommt immer drauf an, wie offen die Synodalen sind, ob es eine Begegnung auf Augenhöhe ist. Ob sie uns wirklich zuhören oder in eine Verteidigungshaltung gehen, das können wir nicht voraussagen. Das Treffen heute mit Julia war eine sehr gute Erfahrung, weil sie uns wirklich zugehört hat und sich bei uns ebenfalls für das Gespräch bedankt hat.
Der «DACHS-Bau» ist eine Vernetzungsorganisation kirchlicher Jugendorganisationen aus Deutschland (D), Österreich (A), der Schweiz (CH) und Südtirol (S). Bereits letztes Jahr waren Delegierte der Organisationen aus allen vier Ländern für eine Woche vor Ort. 2024 sind verschiedene Vertreter/innen durchgehend in Rom, um die Anliegen und Themen junger Katholiken/innen in Gesprächen mit den Synodalen anzusprechen und somit einzubringen. Über die gesamte Zeit sind rund 20 Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren dabei.
Ist die Weltkirche für Ihr Engagement in Ihrem Wirkungsfeld überhaupt bestimmend?
Zeller: Manchmal ja und manchmal nein. Wir haben zum Beispiel keine Frau als Priesterin in der Schweiz, das gibt es einfach nicht. Und das vermisse ich persönlich, eine weibliche geweihte Ansprechperson und Seelsorgerin zu haben. Aber in anderen Punkten weniger. Beziehungsweise in der Schweiz gibt es trotzdem Frauen, die predigen, Frauen, die Sakramente spenden, wir reizen das System sehr aus. An vielen Orten ist es selbstverständlich, dass auch Evangelische zur Kommunion kommen dürfen, obwohl das offiziell und kirchenrechtlich nicht korrekt ist.
Rohweder: Oder wiederverheiratete Geschiedene oder LGBTQIA+-Personen.
Zeller: Doch es gibt in der Schweiz viele Menschen, die gern alles möglichst korrekt nach Kirchenrecht machen möchten. Und gerade für solche Menschen wäre es gut, wenn die Kirche in gewissen Sachen offener wäre.
Rohweder: Es schränkt darüber hinaus den Raum zum Experimentieren ein. Also, die Lust wäre da, aber es ist immer die Angst dabei, welche Folgen es haben könnte.
Wo machen sich in Bezug auf die Synode Frust oder Resignation breit?
Rohweder: Ich weiss nicht, ob man es Resignation nennen kann, aber ich habe die Befürchtung, dass die Synode fertig sein wird, im Juni 2025 dann noch die Papiere herauskommen werden und die Teilnehmenden finden werden: «Ja, das ist jetzt eine coole Sache gewesen. Schön, sind wir dort gewesen, aber wir machen weiter, wie bisher.» Also, dass es letztendlich gar keinen Einfluss hat.
Zeller: Bei mir ist es eine ähnliche Befürchtung. «Synodal» heisst ja auch «zuhören». Und meine Befürchtung ist schon ein wenig, dass die Kirche zwar zugehört hat, was die Anliegen sind, anschliessend allerdings nichts daraus macht. Zuhören allein bringt noch nichts. So hat man mal gehört, was das Volk Gottes zu sagen hat, der nächste Schritt wäre jedoch, das umzusetzen. Und ich habe ein bisschen Angst, dass die Themen zwar wahrgenommen werden, aber konkret trotzdem nichts passiert.
Was an der Synode stimmt Sie hoffnungsvoll?
Zeller: Ich würde dennoch sagen, dass das Zuhören schonmal der erste Schritt und sehr wichtig ist. Und dass es trotzdem kleine Schritte vorwärts geht, denn jeder Schritt vorwärts ist ein Fortschritt.
Rohweder: Immerhin hat die Kirche etwas probiert. Und ich könnte mir vorstellen, dass es sich auf der lokalen Ebene zeigen wird, denn die Teilnehmenden der Synode haben sich viel miteinander ausgetauscht und dadurch viel Neues mitbekommen. Das nehmen sie dann mit heim und bringen diese veränderte Perspektive lokal ein.
Zeller: Meiner Meinung nach hat die erste Phase bereits Einfluss auf die Bistümer gehabt, weil sie einfach mal Diskussionsgruppen gegründet haben und darüber geredet haben, wie man miteinander Kirche sein will. Und ich glaube, das hat das Denken darüber angestossen, wie man die Kirche miteinander gestalten will.



Die Weltsynode in Rom
Was bisher geschah…