Vorhang auf für die Bibel
Wenn Eric Wehrlin das Markusevangelium inszeniert, ist der Funke schon zu mancher Zuschauerin und zu manchem Zuschauer gesprungen.
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Vorhang auf für die Bibel

Eric Wehrlin inszeniert das Markusevangelium seit 25 Jahren erfolgreich auf der Bühne. Sein Erfolg erklärt sich der Schauspieler mit der Sehnsucht der Menschen nach ­Unverhülltem.

Wenn Eric Wehrlin das Marku­se­van­geli­um insze­niert, ste­ht nur eine Bank oder ein Stuhl auf der Bühne. Mehr braucht es neben dem 2000 Jahre alten bib­lis­chen Text, der vom Leben Jesu erzählt, und der Kun­st des Schaus­piel­ers gar nicht.

Die Idee zum Stück kam Eric Wehrlin bere­its während sein­er Schaus­pielaus­bil­dung Anfang der 1980er-Jahre. Damals hat­te er zum christlichen Glauben gefun­den und wollte als Schaus­piel­er mit dem Text arbeit­en, der für ihn wichtig gewor­den war. Die Insze­nierung des Marku­se­van­geli­ums des englis­chen Schaus­piel­ers und Regis­seurs Richard Atten­bor­ough gab den Auss­chlag für die eigene Insze­nierung. Eric Wehrlin wählte eine geeignete deutsche Über­set­zung des ältesten Evan­geli­ums und suchte die Schlüs­sel­szenen für eine 90-minütige Insze­nierung.

Unverhüllt und echt

Das ist 25 Jahre her. Seit damals haben hun­derte Men­schen dieses Marku­se­van­geli­um gese­hen. Seinen Erfolg erk­lärt sich der Schaus­piel­er mit dem Bedürf­nis der Men­schen nach Unver­hüll­tem, nach Echtem. «Ich spiele keine Rolle, son­dern ich enthülle mich in meinem Spiel und zeige mich mit meinen Äng­sten, mein­er Freude, meinen Zweifeln … mit all meinen Emo­tio­nen», sagt Eric Wehrlin. Zur Erk­lärung zitiert der Schaus­piel­er die amerikanis­che Pro­fes­sorin und Buchau­torin Brené Brown, die zu Scham und Empathie forscht: «Ver­let­zlichkeit ist der Geburt­sort der Verbindung zu anderen Men­schen.»

Wie ein griechisches Theater

Das Marku­se­van­geli­um eignet sich beson­ders gut für eine Insze­nierung, weil es weniger Dialoge hat als die anderen Evan­gelien. Denn für einen Schaus­piel­er allein auf der Bühne sei es schwierig, Stre­it­ge­spräche zu führen. Das Marku­se­van­geli­um hat ausser­dem weniger Sprach­bilder als die anderen Evan­gelien. Die seien zwar gut zu lesen, aber schwierig zu spie­len. Der Evan­ge­list Markus erzäh­le Szene um Szene und bringe das Geschehen in kurz­er Zeit auf den Punkt. Auf diese Weise bekomme der Text einen Span­nungs­bo­gen und steuere auf den Höhep­unkt – die Aufer­ste­hung – zu. Dra­matur­gisch halte sich der Text somit an die Regeln des griechis­chen The­aters.

Wie das Stück wirkt

Eric Wehrlin traut seinem Pub­likum zu, dass es den 2000 Jahre alten Text auch heute ver­ste­ht. «Welche Geschicht­en einen Men­schen ansprechen, ist indi­vidu­ell, weil sie immer etwas mit der jew­eili­gen Lebenssi­t­u­a­tion zu tun haben.» Die Wirk­samkeit der Texte ergibt sich erst durch die per­sön­liche Auseinan­der­set­zung jedes Einzel­nen und jed­er Einzel­nen, sagt Eric Wehrlin. Immer wieder hört er während der Auf­führun­gen einen Lach­er. Die freuen ihn beson­ders, denn das Schmun­zeln oder Lachen über eine Szene bedeuteten, dass die Zuschauerin oder der Zuschauer eine Metaebene ein­genom­men haben, die es ihnen erlaubt, innezuhal­ten, Abstand zu nehmen und nachzu­denken.

Das Markusevangelium als Kompass

Je länger Eric Wehrlin mit den bib­lis­chen Tex­ten unter­wegs ist, desto mehr sieht er in ihnen das Unbe­greif­bare in Gott. «Glauben bedeutet für mich, die Fra­gen, die das Leben aufwirft, Gott zu stellen, ohne dabei eine Antwort zu erwarten, son­dern eine Rich­tung, in die es im Leben weit­erge­hen kön­nte.» Dabei helfe ihm das Marku­se­van­geli­um wie ein Kom­pass, um den Kurs des Lebens immer wieder nachzu­justieren.

Glauben leben

Eric Wehrlin ist seit 40 Jahren mit der Schaus­pielerin Eva-Maria Admi­ral ver­heiratet, mit der er The­ater spielt und Sem­i­nare leit­et. Geboren und aufgewach­sen ist er in der Schweiz. Er kommt aus einem from­men Eltern­haus. Der Vater war Christ, die Mut­ter hat­te jüdis­che Wurzeln. Als Kind lernte er jüdis­che Kinder­lieder, als Jugendlich­er einzelne Bibel­verse als Lebensweisheit­en. Dass der Glaube auch gelebt wer­den kann, hat er erst als junger Erwach­sen­er ver­standen, als er seine Frau ken­nen­lernte. In jun­gen Jahren habe es Phasen gegeben, in denen der Glaube als Richtschnur gedi­ent habe, um zu urteilen und auch zu verurteilen. Heute ver­gle­icht sich Eric Wehrlin punk­to Glauben mit den Emmaus-Jüngern, denen die Schup­pen von den Augen fie­len, als sie endlich ver­standen, dass sie Jesus begeg­net waren. «Je länger ich gläu­big bin, desto mehr merke ich, dass ich Schup­pen auf meinen Augen habe.»

Baden liest die Bibel

Eine Ver­anstal­tungsrei­he in Baden

Wie ent­stand die Idee zu «Baden liest die Bibel»?
Clau­dio Tomassi­ni*
: Die Bibel ist das Buch, das alle Christin­nen und Chris­ten miteinan­der verbindet. Für viele Men­schen wird sie immer mehr zu einem Buch mit sieben Siegeln oder sie ist längst ein ver­staubtes Buch im Regal. Dabei hat es in der Bibel Krim­is, Liebesgeschicht­en, Poe­sie, Lebensweisheit­en aus allen Gen­er­a­tio­nen und Zeit­en. Wir von der Arbeits­ge­mein­schaft christlich­er Kirchen (AGCK) wollen die Bibel mit allen Sin­nen erleb­bar machen.

Welche Beziehung haben Sie per­sön­lich zur Bibel?
Als The­ologe lese ich von Berufs wegen fast täglich in der Bibel. Dabei schöpfe ich aus den Tex­ten auch immer für mich selb­st. Während meines Studi­ums habe ich aber auch gekämpft mit diesem Buch. Meine Frau hat die Liebes­briefe, die ich ihr geschickt habe, in ihre Bibel gelegt. Die ganze Samm­lung befand sich darin. Das ist ein schönes Bild, weil für mich die Bibel ein Liebes­brief an die Men­schheit ist. Eine Ein­ladung, um mit dem grossen Ganzen, mit Gott in Kon­takt zu kom­men.

Welchen Zugang bieten Sie zur Bibel an?
Mein Ate­lier heisst «Wan­dern mit Jesus». Wenn sich Men­schen inner­lich und äusser­lich bewe­gen lassen und miteinan­der unter­wegs sind, kön­nen sie sich begeg­nen. Jesus ist zu sein­er Zeit viel gewan­dert, dabei sind viele Wegge­mein­schaften ent­standen. Er hat im Freien zu den Men­schen gesprochen und seine Beispiele und Gle­ich­nisse am Wegrand gefun­den. Ich freue mich darauf, in der Umge­bung von Baden, an der Lim­mat, inmit­ten der Wein­berge und Felsen, die bib­lis­chen Texte auf uns wirken zu lassen.

Kön­nen ungeübte, uner­fahrene Leserin­nen und Leser die Bibel über­haupt ver­ste­hen?
Alle Men­schen kön­nen die Bibel lesen, und ver­ste­hen sie auf ihre Art. Immer wenn wir die Bibel lesen, inter­pretieren wir sie. Wer kann von sich behaupten, dass er sie richtig ver­ste­ht und andere nicht? Es ist span­nend, miteinan­der ins Gespräch zu kom­men über die Texte, zu hören, was andere ver­standen haben und voneinan­der zu ler­nen. Das Ver­ständ­nis der Texte ändert sich auch im Ver­lauf des Lebens. Wir müssen die Texte immer wieder neu ver­ste­hen.

Worauf freuen Sie sich am meis­ten?
Ich freue mich ganz beson­ders auf die Auf­tak­tver­anstal­tung, bei der Eric Wehrlin das Marku­se­van­geli­um insze­niert. Das sollte sich nie­mand ent­ge­hen lassen. Eric Wehrlin erweckt in 90 Minuten das Evan­geli­um zum Leben – fast ohne Req­ui­siten. Ich hoffe, dass sich an diesem Abend viele Men­schen pack­en lassen und sich dann spon­tan noch für ein Bibel-Ate­li­er anmelden.

Melden Sie sich jetzt hier an

*Clau­dio Tomassi­ni ist im Komi­tee der Arbeits­ge­mein­schaft Christlich­er Kirchen Baden, AGCK, welch­es die Ver­anstal­tungsrei­he «Baden liest die Bibel» organ­isiert. Sie begin­nt am 16. Okto­ber mit der Auf­tak­tver­anstal­tung, an der das Marku­se­van­geli­um in der Stadtkirche Baden aufge­führt wird.​Den Abschluss bildet ein Fest am 20. Novem­ber mit einem Rück­blick auf die Ate­liers, die schon jet­zt auf der Web­seite gebucht wer­den kön­nen: www.badenliestdiebibel.ch . In den Ate­liers wer­den ver­schiedene Zugänge zur Bibel geboten.

Vorhang auf für die Bibel - Lichtblick Römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz
Eva Meienberg
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