Talmudprinzipien in Thora und Neuem Testament verstehen

Talmudprinzipien in Thora und Neuem Testament verstehen

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Ein Besuch in der neuen Jüdisch-Christlichen Akademie in Basel

Vor einem hal­ben Jahr grün­de­ten Stu­den­ten und Kol­le­gen des ehe­ma­li­gen Uni­ver­sitäts­dozen­ten für Judais­tik Richard Bres­lauer in Basel die Jüdisch-Christliche Akademie. Ein Besuch im Abend­kurs «Der Tal­mud als Denkschule» ver­rät viel über die Entste­hung der Insti­tu­tion sowie die Moti­va­tion von Kursteil­nehmern und ‑leit­er. Dozent Richard Bres­lauer begin­nt mit der jüdis­chen Geschichte eines Rab­bis im Gespräch mit Kleopa­tra, die jenen fragt, ob die Toten nackt oder in Klei­dern aufer­ste­hen wür­den. Der reformierte The­olo­gi­es­tu­dent Niklaus Klose (39), ange­hen­der Pfar­rer, weiss Rat: «Er wird die Blu­men zum Gle­ich­nis nehmen, die als Samen nackt in die Erde gehen und in schö­nen Klei­dern aufer­ste­hen.»Bres­lauer nickt: Die Kursteil­nehmer der jun­gen Jüdisch-Christlichen Akademie in Basel, die an diesem Abend im Zwingli­haus zusam­mengekom­men sind, haben ver­standen, worum es bei der ersten der dreizehn Formeln der Tho­ra-Inter­pre­ta­tion im Tal­mud geht. «Umso mehr» lautet die freie Über­set­zung des Prinzips «qal wa chomer» der Tal­mud­schule. Damit wer­den ein­fache Fälle auf schw­er­wiegende Fälle über­tra­gen und umgekehrt. So aufer­ste­hen eben auch die Toten in her­rlichen Klei­dern, «umso mehr» als die Blu­men. 

Pensionierung als Anlass zur Gründung

Richard Bres­lauer aus Zürich war bis zu sein­er Pen­sion­ierung im Jahr 2018 neben­beru­flich­er Dozent für Judais­tik an der The­ol­o­gis­chen Fakultät der Uni­ver­sität Basel. Er ist auch der Grund der Grün­dung der Jüdisch-Christlichen Akademie im ver­gan­genen Okto­ber. Diese fand näm­lich kurz nach sein­er «Zwangspen­sion­ierung» statt. Das neue uni­ver­sitätsin­terne Gesetz in Basel ver­bi­etet Dozen­ten, die das Pen­sion­salter erre­icht haben, weit­er­hin zu dozieren. Auch eine Unter­schrifte­nak­tion sein­er Stu­den­ten, von denen einige an diesem Abend im Kurs «Der Tal­mud als Denkschule» sitzen, änderte daran nichts. 

Zugang zu neuen Perspektiven

Bere­its im zweit­en Semes­ter will nun die Jüdisch-Christliche Akademie inter­essierten The­olo­gen und Laien, Juden wie Chris­ten, die Chance geben, am «unglaublichen Wis­sen» und den neuen Per­spek­tiv­en Bres­lauers, wie Klose for­muliert, teilzuhaben. Eve­lyne Zin­stag (29), Pfar­rerin der franzö­sis­chsprachi­gen reformierten Kirche in Basel, kam zum Tal­mud­kurs, weil sie so viel Gutes über Bres­lauer gehört habe, vor allem von seinen ehe­ma­li­gen Stu­den­ten wie Klose.Rebec­ca Men­sch (48) hinge­gen sitzt als Laie am Tisch und hat eine ganz andere Verbindung zur Akademie: Sie ent­warf als Grafik­erin das Logo des jun­gen Insti­tuts. Als getaufte Katho­likin suche sie «die Auseinan­der­set­zung mit Gott und der Welt». Dazu sagt sie: «Ich will ein gutes Leben im christlichen Sinne führen, aber offen bleiben.» Gemein­sam mit Zin­stag führt sie in der Diskus­sion das erste Tal­mud­prinzip im Neuen Tes­ta­ment fort und nen­nt Jesu Gle­ich­nis von den Vögeln und Blu­men, die nicht säten und ern­teten, und für die Gott den­noch sor­gen werde: «Umso mehr» eben für die Men­schen.Boas Pud­er (48) wiederum kann mit Bres­lauer über die Kohan­im disku­tieren, jene Unter­gruppe der Leviten, die ihre Herkun­ft auf Aaron zurück­führen und ihren Dienst am Tem­pelal­tar ver­richteten. Pud­er will seinen jüdis­chen Reli­gion­sun­ter­richt als Kind und Jugendlich­er auf­frischen: «Ich bekomme hier sehr viel beige­bracht. Die Dialek­tik Bres­lauers gefällt mir sehr gut.» 

Von geringer Resonanz enttäuscht

Eine Hand­voll Teil­nehmer sitzt heute im drit­ten von sechs Kursaben­den mit Dozent Bres­lauer am Tisch – abwe­send sind drei weit­ere Teil­nehmer. Shab­nam Edith Barth ver­hehlt ihre Ent­täuschung über die geringe Res­o­nanz nicht: Sie war als The­olo­gin eben­falls eine Stu­dentin Bres­lauers und ist jet­zt Geschäfts­führerin des Trägervere­ins der Akademie.Im ersten Semes­ter, als es in drei Kursen um die Gedichte des hebräis­chen Dichters Yehu­da Amichai, um jid­dis­che Märchen sowie um die gemein­samen Wurzeln und die Abgren­zung von Chris­ten­tum und Juden­tum ging, hät­ten sich bis zu 40 Per­so­n­en in den kleinen Raum gedrängt. Doch dieses Jahr musste der Kurs über den «Umgang mit der sex­uellen Kör­per­lichkeit in Juden­tum und Chris­ten­tum» man­gels Teil­nehmern gestrichen wer­den. 

Bisher eine ideelle Trägerschaft

Als ger­ade ein halbes Jahr alte Insti­tu­tion muss sich die Jüdisch-Christliche Akademie in Basel erst einen Namen machen. Ideell getra­gen von der Jüdis­chen Gemeinde Basel und der Evan­ge­lisch-reformierten Lan­deskirche, muss sie sich bis jet­zt selb­st finanzieren. Gut besucht sei jeden­falls die wöchentliche Tho­ra-Unter­weisung und ‑Inter­pre­ta­tion mit dem Strass­burg­er und Basler Rab­bi Michel Birn­baum-Mon­heit.Weit­ere Dozen­ten an der Jüdisch-Christlichen Akademie sind die Basler Philolo­gin und Judaistin Meret Gut­mann-Grün (Autorin von «Zion als Frau»), Basels Gemeinde­rabbiner Moshe Baumel, die Elsäss­er Ger­man­istin und Jid­disch-Pro­fes­sorin Astrid Star­ck, Ekke­hard Stege­mann, The­ologe mit dem Schw­er­punkt auf jüdisch-christlichen Beziehun­gen, sowie der The­ologe, Mün­sterp­far­rer und Kirchen­rat­spräsi­dent der reformierten Lan­deskirche Basel-Stadt, Lukas Kun­dert.Boris Burkhardt, kath.ch 
Redaktion Lichtblick
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