«Jesus vergibt jede Sünde!» – Wirklich?

«Jesus vergibt jede Sünde!» – Wirklich?

  • Am Dien­stagabend führte die Kirchge­meinde Geben­storf-Tur­gi ihre Kirchge­mein­de­v­er­samm­lung durch. Sie dauerte mehr als drei Stun­den.
  • Die von der Ini­tia­tiv­gruppe Geben­storf-Tur­gi beantragte Ergänzungswahl von drei neuen Mit­gliedern in die Kirchenpflege wurde von den Stimm­berechtigten gegen den Willen der Kirchenpflege durchge­set­zt.
  • Die Rech­nung 2020 und der Voran­schlag 2022 wur­den, wie schon diejeni­gen von 2019/2021, von der Ver­samm­lung nicht genehmigt.

Katholis­che Kirche St. Bla­sius Geben­storf, Dien­stag, 23. Novem­ber 2021, 20 Uhr: Kirchenpflegepräsi­dent Daniel Ric eröffnet die Kirchge­mein­de­v­er­samm­lung von Geben­storf-Tur­gi mit der Bitte um Entschuldigung dafür, «dass einige Gemein­demit­glieder das Büch­lein zu spät erhal­ten haben.» Wort­mel­dun­gen im weit­eren Ver­lauf des Abends lassen vernehmen, dass die Abstim­mungs­büch­lein nicht nur zu spät, son­dern teil­weise auch falsch adressiert, mitunter an min­der­jährige und damit noch nicht stimm­berechtigte Kinder der Gemein­demit­glieder, ver­schickt wur­den.

121 der ins­ge­samt 2093 Stimm­berechtigten der Kirchge­meinde haben sich in der Kirche ver­sam­melt, um über sieben, im Abstim­mungs­büch­lein aufge­lis­tete Trak­tanden zu befind­en. Daniel Ric erwäh­nt in sein­er Ein­leitung die «spezielle Sit­u­a­tion» der Kirchge­meinde in den ver­gan­genen zwei Jahren (Hor­i­zonte berichtete) und bedankt sich bei den Mitar­beit­ern, vor allem bei der «recht­en und linken Hand der Kirchenpflege», Pfar­reisekretärin Angé­line Ren­evey. Er entschuldigt Pater Adam Ser­afin SDS, den vom Bischof offiziell sein­er Ämter enthobe­nen Priester in Geben­storf-Tur­gi. Im Abstim­mungs­büch­lein ist er immer noch als «mitar­bei­t­en­der Priester mit Pfar­rver­ant­wor­tung» aufge­führt, obwohl die Pfar­rver­ant­wor­tung nach Vor­gabe des Bis­tums bei Bischofsvikar Valen­tine Kole­doye liegt. Dieser ist auch nicht anwe­send.

Die Büchse der Pandora

[esf_wordpressimage id=35405 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Auf die Frage des Kirchenpflegepräsi­den­ten, ob jemand Änderungswün­sche bezüglich der Trak­tanden­liste hätte, meldet sich Ste­fan Müller, Delegiert­er der Ini­tia­tiv­gruppe Geben­storf-Tur­gi, zu Wort und will wis­sen, warum der von der Ini­tia­tiv­gruppe frist­gerecht ein­gere­ichte Antrag auf die Durch­führung ein­er Ergänzungswahl von drei neuen Mit­gliedern in die Kirchenpflege von dieser nicht trak­tandiert wor­den sei. Mit dieser Frage öffnet sich die sprich­wörtliche Büchse der Pan­do­ra. Es entwick­elt sich im Fol­gen­den ein ver­baler Schlagab­tausch zwis­chen offen­sichtlich unzufriede­nen Kirchge­mein­demit­gliedern, Daniel Ric sowie der Finanzkom­mis­sion und ‑ver­wal­tung.

Gemein­de­seit­ig sind es 15 Votan­ten, die sich während der nun fol­gen­den, gut dreiein­halb Stun­den dauern­den Debat­te teil­weise mehrmals melden, um Fra­gen und Anträge zu stellen, Erk­lärun­gen zu fordern und auf Ein­hal­tung des Organ­i­sa­tion­sstatuts der Römisch-Katholis­chen Kirche im Aar­gau zu pochen. Im Namen der Kirchenpflege spricht einzig deren Präsi­dent. Die anderen Mit­glieder des Gremi­ums hüllen sich in Schweigen. So antwortet Daniel Ric auf die Frage von Ste­fan Müller, indem er darauf hin­weist, dass der Antrag der Ini­tia­tiv­gruppe gle­ichzeit­ig mit der «Anweisung der Lan­deskirche» bei der Kirchenpflege einge­gan­gen sei. Welche Anweisung er meint, erk­lärt Ric nicht weit­er. Es sei der Kirchenpflege klar gewe­sen, dass diese Wahl nur als Urnen­wahl stat­tfind­en könne. Eine solche Wahl vorzu­bere­it­en, bedeute viel Arbeit. Diese, neben allen anderen Auf­gaben der Kirchenpflege, in so kurz­er Zeit auszuführen, sei nicht möglich gewe­sen. Deshalb schlage die Kirchenpflege eine Urnen­wahl am 9. Jan­u­ar 2022 vor.

Präsident scheint unsicher

Nach­dem Ric von den Gemein­demit­gliedern darüber belehrt wor­den ist, dass eine Ergänzungswahl für die Kirchenpflege in der Kirchge­mein­de­v­er­samm­lung stattzufind­en habe, zieht dieser sich mit seinen Amt­skol­le­gen zur Beratung zurück. Die Ver­hand­lungspause nutzt Gemein­demit­glied Mario Brog­gi, um den Brief, den die Kirchenpflege von der Lan­deskirche nach der Anhörung im Mai dieses Jahres erhal­ten hat, vorzule­sen. Daraus ist zu ent­nehmen, dass die im Vor­jahr von der Kirchge­meinde bean­standete Rech­nung der Kirchenpflege kor­rekt sei, die Ablehnung des Bud­gets 2021 und des Pro­tokolls 2019 hinge­gen den Unmut der Kirchen­mit­glieder man­i­festiere. Immer­hin wird dieses Pro­tokoll im Anschluss dann, bei immer noch 20 Enthal­tun­gen, doch noch genehmigt.

Dieser Unmut zeigt sich auch während des Ergänzungswahl­prozed­eres, das nun fol­gt. Der Präsi­dent scheint unsich­er in Bezug auf das kor­rek­te Vorge­hen. Während die einen darüber abstim­men, ob die Wahlka­n­di­dat­en in globo oder einzeln zu wählen sind, heben die anderen schon die Hand für die Kan­di­dat­en. Als Ric verkün­det, dass «die Dame und die zwei Her­ren» mit 115 Stim­men gewählt sind, beschw­ert sich ein Gemein­demit­glied darüber, dass die Gewählten nicht mit Namen genan­nt und begrüsst wer­den. Jemand erin­nert daran, dass es notwendig sei, dass die Gewählten ihre Wahlannahme auch offiziell deklar­i­erten. So treten Hilde Seib­ert, Willy Deck und Bern­hard Hollinger noch ans Mikrophon und bestäti­gen unter grossem Applaus ihre Annahme der Wahl. Somit beste­ht die Kirchenpflege Geben­storf-Tur­gi per sofort aus acht, statt bish­er fünf Mit­gliedern. Wobei ein Sitz noch vakant bleibt, bis ein neuer Gemein­deleit­er für die bei­den Pfar­reien ernan­nt ist.

«Alles nur schönreden»

[esf_wordpressimage id=35411 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Kirchenpfleger Igor Kos stellt mit weni­gen Worten die Rech­nung 2020 vor. Doch schon beim Punkt «Kom­pe­ten­zgelder der Kirchenpflege» wird sein schneller Durch­marsch durch die erste Wort­mel­dung gestoppt. Die 14-fache Über­schre­itung des Bud­gets wird moniert. Daniel Ric begrün­det den Mehraufwand mit der Rechtsvertre­tung für Pater Adam und den vie­len Rechts­ber­atun­gen, die man habe in Anspruch nehmen müssen, wegen man­gel­nder Unter­stützung dies­bezüglich durch die Lan­deskirche. Die Mehraus­la­gen wür­den aber im Falle von Pater Adam an dessen Lohn wieder einges­part und im Falle der Lan­deskirche von dieser zurück­er­stat­tet. Hilde Seib­ert hat sich bei der Lan­deskirche erkundigt. Sie informiert die Anwe­senden darüber, dass die Lan­deskirche sich nicht an diesen Kosten beteili­gen wird.

Es fol­gen weit­ere Zif­fern in der Rech­nung 2020, die der Kirchge­meinde sauer auf­s­tossen: hohe Aus­gaben für Engage­ments auswär­tiger Priester, bei noch ausste­hen­den Zahlun­gen an den vor­ma­li­gen Gemein­deleit­er und Diakon Peter Daniels und seine Frau, neb­st Ver­wehrung der ihnen zuste­hen­den Treueprämie für 20 Jahre im Dienst der Kirchge­meinde. Das ver­ste­hen die Ver­samm­lung­steil­nehmer nicht. Es fall­en Worte wie «schlampige Arbeit», «reine Absicht», «Mob­bing», «lausige Admin­is­tra­tion», «kein Ver­trauen mehr» und «ihr wollt das alles nur schönre­den». Finanzkom­mis­sion­spräsi­dent Eugen Bär­locher ver­sucht, zur Abstim­mung zu gelan­gen, wird aber mehrmals durch weit­ere Voten davon abge­hal­ten. Als er dann mit der Aus­sage «wir haben das Spielchen ja schon mal gespielt…» zur Abstim­mung bit­tet, wird die Rech­nung mit nur zwei Gegen­stim­men abgelehnt.

Viele offene Fragen

[esf_wordpressimage id=35412 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Dasselbe Schick­sal ereilt den Voran­schlag 2022. Nach­dem sich Daniel Ric für das Fehlen des Bud­gets im Abstim­mungs­büch­lein entschuldigt hat, haben die Ver­samm­lung­steil­nehmer noch einige Fra­gen zur finanziellen Zukun­ft der Kirchge­meinde. Sie wollen wis­sen, warum im Pfar­rblatt Hor­i­zonte die Seit­en der Pfar­reien Geben­storf und Tur­gi nicht mehr bedi­ent wer­den und ob die ausste­hen­den Abon­nementskosten der Jahre 2019, 2020 und 2021 nun bezahlt wür­den. Sie wollen wis­sen, wieviel Geld die Kirchenpflege in die Pro­duk­tion des alter­na­tiv­en, soge­nan­nten «Pfar­rbriefs» steckt. Jemand will wis­sen, wieviele weit­ere Kirchenaus­tritte die Kirchenpflege bewirkt habe. Daniel Ric gibt zwar Antworten, aber die scheinen die Votan­ten eher in ihrer Unzufrieden­heit zu bestärken.

Kein Wun­der, dass sich aus dieser Ver­samm­lung nie­mand aner­bi­etet, einen der bei­den freige­wor­de­nen Sitze in der Finanzkom­mis­sion einzunehmen. Auch das let­zte Trak­tan­dum «Senkung der Anzahl Kirchenpflegemit­glieder auf 5», das die Kirchenpflege aus Angst vor zukün­ftigem Man­gel an Wahlka­n­di­dat­en auf die Tage­sor­d­nung geset­zt hat­te, wird von der Ver­samm­lung deut­lich ver­wor­fen. Während die vie­len, teil­weise sehr pointiert bis angrif­fig vorge­bracht­en Wort­mel­dun­gen auf die Kirchenpflege und ins­beson­dere deren Präsi­den­ten niedergin­gen, erhob sich auf ein­mal ein Gemein­demit­glied und rief in die Runde: «Wenn Chris­tus hier wäre, würdet ihr dann auch so reden?» Als einige Gemein­demit­glieder mit einem kräfti­gen «Ja!» antworteten, set­zte sich die Dame wieder und sagte laut: «Jesus vergibt jede Sünde!» Wäre Pater Adam vor Ort gewe­sen, hätte er der Frau sich­er erk­lären kön­nen, dass Jesus zwar jede Sünde vergeben kann, es aber nicht ein­fach tut. Und dass Er am Ende der Zeit­en wiederkommt, «um zu richt­en die Leben­den und die Toten».

Christian Breitschmid
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