Gegenüber
Bild: © Vera Rüttimann

Gegenüber

Während ein­er Kaf­feep­ause an der Besuchs­di­en­st­ta­gung für Frei­willige sass mir zufäl­lig ein älter­er Mann gegenüber. Gefasst erzählte er von seinem Leben, und geban­nt lauschte ich seinen Worten. Er nahm den Faden seines Lebens bei einem ein­schnei­den­den Moment auf, als seine Frau vor gut zehn Jahren die Diag­nose Demenz erhielt. Liebevoll schilderte er, wie sie seit­dem gemein­sam das Leben mit Demenz meis­terten. Vor zwei Jahren bat sie ihn, in ein Senioren­heim ziehen zu kön­nen, um ihn zu ent­las­ten. Dort fühlte sie sich wohl, und er besuchte sie täglich, wobei er neue Men­schen ken­nen­lernte. Mit Begeis­terung – bei Lachen und Weinen – sprach er von zahlre­ichen Erleb­nis­sen. Vor weni­gen Wochen ver­starb seine Frau.

Neu möchte er sich im Besuchs­di­enst engagieren und weit­er­hin die Men­schen im Senioren­heim besuchen gehen. Die Leitung des Heims hat ihn bere­its ange­fragt. Was mich am meis­ten beein­druck­te, war seine Ausstrahlung: tiefe Trau­rigkeit und gle­ichzeit­ig ein fro­hes Gemüt. Seine men­schliche Tiefe berührte mich so sehr, dass ich mich heute noch gerne an diese Begeg­nung erin­nere. Trotz der Unwäg­barkeit­en des Lebens strahlte er tiefen, ansteck­enden Frieden aus. Diese Geschichte hat er mir geschenkt, und ich erzäh­le sie gerne weit­er. Solche Geschicht­en erleben und sinnlich erfahren kann man in der Frei­willi­ge­nar­beit beim Besuchs­di­enst.

Alois Metz arbeit­et auf der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei Aar­gau im Bere­ich Kom­pe­tenz für Frei­willige und Umwelt.

Alois Metz
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