Ein Got­tes­dienst in der Spra­che Jesu

Ein Got­tes­dienst in der Spra­che Jesu

  • Der Über­lie­fe­rung nach sprach Jesus Ara­mä­isch. Die Syrisch-Ortho­do­xen, die sich selbst als Kir­che des Urchri­sten­tums bezeich­nen, fei­ern ihre Got­tes­dien­ste in eben die­ser Sprache.
  • Ein­mal im Monat am Sonn­tag über Mit­tag fin­det in der katho­li­schen Kir­che in Gebens­torf ein Got­tes­dienst der syrisch-ortho­do­xen Kir­che statt. Hori­zon­te hat die zwei­stün­di­ge Fei­er besucht.
 Kei­ne Glocke kün­digt den Beginn der Mes­se an, es gibt kei­nen geord­ne­ten Ein­zug. Die Mini­stran­ten (aus­schliess­lich Kna­ben) neh­men rechts in der vor­der­sten Rei­he Platz, links vor­ne sitzt der Frau­en­chor. Wer wo in der Kir­che zu sit­zen hat, ist klar gere­gelt. Rechts die Män­ner, links die Frau­en. Die Frau­en tra­gen Kopf­tuch. Dass sei Tra­di­ti­on seit frü­he­ster Zeit, erklärt Josef Pau­lus, Ehren­amt­li­cher der Kirch­ge­mein­de. Im Gegen­satz dazu dürf­ten die Män­ner jedoch kei­ne Kopf­be­deckun­gen tra­gen.

Viel Gesang und Weihrauch

Von den zehn anwe­sen­den Mini­stran­ten tra­gen die mei­sten ein weis­ses Gewand, auf des­sen Rücken ein rotes Kreuz prangt. Eini­ge weni­ge Mess­die­ner tra­gen eine schwarz bestick­te Schär­pe. «Jene mit dem roten Kreuz auf dem Rücken sind Mess­die­ner in Aus­bil­dung», erklärt Pau­lus Josef. Kirch­ge­mein­de­prä­si­dent Gabri­el Tan, der im Got­tes­dienst mit­ze­le­briert, nimmt sich der «Novi­zen» an und gibt bei Unsi­cher­hei­ten Zei­chen, wo wer ste­hen muss, wann was gemacht wer­den muss.Wäh­rend des Got­tes­dien­stes steht die Gemein­de mehr­heit­lich. Abwech­selnd beten die Mini­stran­ten rechts und die Frau­en des Chors links. In den Wech­sel von Frau­en- und Män­ner­stim­men mischt sich der Duft von Weih­rauch. Gebe­te wech­seln sich mit Gesän­gen ab. Prie­ster Mar­kos Bahn­an macht den Vor­be­ter – meist in vor­kon­zi­lia­rer Manier der Gemein­de mit dem Rücken zuge­wandt. Der Ablauf lässt Ver­wandt­schaft zum Auf­bau der Hei­li­gen Mes­se nach altem Ritus erken­nen. Anson­sten: Ein ähn­li­cher Auf­bau wie beim Römisch-Katho­li­schen Got­tes­dienst.

Ara­mä­isch: Die Mut­ter­spra­che der Chri­sten in Antiochien

Auf­fal­lend: Im Gegen­satz zur heu­ti­gen katho­li­schen Pra­xis pflegt die syrisch-ortho­do­xe Kir­che einen deut­lich stär­ke­rer Hang zur ritu­el­len Aus­ge­stal­tung der Mes­se. Weih­rauch ist all­ge­gen­wär­tig, die Gaben­be­rei­tung wäh­rend der Eucha­ri­stie wird von regel­mäs­si­gem Schel­lenklin­geln und Gebets­ge­sang im Wech­sel von Prie­ster, Chor und Gemein­de beglei­tet.Die Spra­che im Got­tes­dienst ist ara­mä­isch – laut Pau­lus Josef die Spra­che, die nach der Über­lie­fe­rung auch Jesus gespro­chen hat. «Und es ist die Mut­ter­spra­che der Syrer», wie Pau­lus Josef noch ergänzt. Ara­mä­isch wer­de aber nur noch sel­ten gespro­chen. In Syri­en und der Tür­kei, wo noch ara­mäi­sche Chri­sten leb­ten, müss­ten die­se Ara­bisch oder Tür­kisch ler­nen. Die vor­ge­tra­ge­nen lit­ur­gi­schen Gebe­te fol­gen im Ver­gleich zur melan­cho­li­schen Moll­to­na­li­tät der latei­ni­schen Mes­se deut­lich stär­ker dem ara­bi­schen Moll.

Kir­che des Urchristentums

Nur weni­ge Pas­sa­gen, bei­spiels­wei­se die Lesung, wer­den auf Deutsch und Ara­mä­isch gehal­ten. Damit aber auch Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer dem Got­tes­dienst fol­gen kön­nen, wird via Bea­mer stets die deut­sche Über­set­zung sowie auch der Text in ara­mäi­scher Schrift und ara­mäi­scher Pho­ne­tik an die Wand pro­ji­ziert.Tra­di­ti­on wird gross­ge­schrie­ben. Im Lau­fes des Got­tes­dien­stes wird den Hei­li­gen, Bischö­fen und Patri­ar­chen bis in die frü­he­ste Zeit nach Chri­sti Tod gedacht. Die Spra­che ist oft meta­pho­risch und blu­mig: Jemand gilt als «Mund der Weis­heit» oder «Säu­le der Kir­che».Die syrisch-ortho­do­xe Kir­che von Antio­chi­en nimmt für sich in Anspruch, zu Beginn des Chri­sten­tums gegrün­det wor­den zu sein. Ger­ne beruft sich die Kir­che auf eine Text­stel­le in der Apo­stel­ge­schich­te, in der es heisst: «Die Jün­ger Jesu wur­den zum ersten Mal in Antio­chi­en Chri­sten genannt (Apg. 11, 26)».

In der Hei­mat verfolgt

Die Ange­hö­ri­gen der syrisch-ortho­do­xen Kir­che haben kei­ne Hei­mat mehr. Ihre Wur­zeln lie­gen in Meso­po­ta­mi­en (im Gebiet des heu­ti­gen Iraks, Irans, Syri­en und Tür­kei) und der Süd­tür­kei. Dort wer­den sie als Min­der­heit jedoch nicht gedul­det, ja sogar ver­folgt. Welt­weit leben heu­te etwa 400 000 syrisch-ortho­do­xe Chri­sten in der Dia­spo­ra. Sie sind Glau­bens­flücht­lin­ge, die ihrem Glau­ben und ihren Wur­zeln treu geblie­ben sind, wie auch der Got­tes­dienst in Gebens­torf zeigt.Die syrisch-ortho­do­xe Kir­che von Antio­chi­en zählt welt­weit unge­fähr drei Mil­lio­nen Mit­glie­der. Die Mehr­heit von ihnen lebt in Indi­en, der Rest ver­teilt sich über die gan­ze Welt. Etwa 10 000 syrisch-ortho­do­xe Per­so­nen leben in der Schweiz und in Öster­reich.

Inner­schwei­zer Klo­ster als Hauptsitz

Haupt­sitz der syrisch-ortho­do­xen Kir­che in der Schweiz ist ein Klo­ster in Arth-Gold­au. Etwa vier bis fünf Got­tes­dien­ste fin­den jeden Monat an ver­schie­de­nen Ort in der gan­zen Schweiz statt. So auch regel­mäs­sig in Suhr und Gebens­torf im Aar­gau.Ent­ge­gen der römisch-katho­li­schen Tra­di­ti­on gehen die syrisch-ortho­do­xen Chri­sten erst nach Ende des Got­tes­dien­stes, also nach dem Segen und der Ent­las­sung zur Kom­mu­ni­on. Und es sind längst nicht alle. Die mei­sten kom­men nur nach vor­ne und küs­sen die Hei­li­ge Schrift. «Bei jedem Got­tes­dienst die Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen, hat bei den syrisch-ortho­do­xen Chri­sten nicht so einen hohen Stel­len­wert», erklärt Pau­lus Josef. Ein­mal im Jahr sei die Kom­mu­ni­on aber Pflicht: An Grün­donn­ners­tag.Nach einer zwei­stün­di­gen Fei­er über Mit­tag knur­ren die Mägen. Am Kir­chen­aus­gang hal­ten Frewil­li­ge Geträn­ke und Sand­wi­ches bereit. Hung­rig muss nie­mand nach Hau­se. Weih­nach­ten ein­mal anders feiern: Die näch­sten Got­tes­dien­te der syrisch-ortho­do­xen Kir­che in Gebens­torf und Suhr:23. Dezem­ber, 12 Uhr in Suhr25. Dezem­ber, 11.45 Uhr in Gebens­torfHier fin­de Sie einen Aus­schnitt aus einem ara­mäi­schen Got­tes­dienst in der Schweiz 
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben