Damit der Auszug nicht zum Absturz führt

Damit der Auszug nicht zum Absturz führt

Mit Erre­ichen der Volljährigkeit lockt die grosse Frei­heit: Das eigene Auto und der Auszug von daheim. Die Schritte in die Unab­hängigkeit sind jedoch teuer und set­zen in manchen Fällen eine gefährliche Ver­schul­dung in Gang. Die Schulden­ber­atung Aar­gau-Solothurn hat zu diesem The­ma mit www.heschnocash.ch ein Kam­pagne lanciert. Frau Zobrist, Sie sind Mut­ter von drei Töchtern. Wie schauen Sie, dass Ihre Kinder keine finanziellen Prob­leme bekom­men? Bar­bara Zobrist: Ich habe mit meinen Kindern immer wieder über Geld, Wün­sche und Real­itäten gere­det und in diesem Zusam­men­hang auch Auseinan­der­set­zun­gen aus­ge­focht­en. Meine Kinder haben schon bei mir für mehr Sack­geld demon­stri­ert.Haben die Eltern die Erziehung im Griff, dann schafft der Nach­wuchs es auch mit den Finanzen. Stimmt das? Andrea Fuchs: Es ist wichtig, dass Geld schon für Eltern mit Kindern im Pri­marschu­lal­ter ein The­ma ist. Die Aus­rüs­tung für Kinder ist im Ver­gle­ich zu früher anspruchsvoller und teur­er gewor­den. Hinzu kommt der Druck, was Kinder alles haben müssen und wollen. Es ist unglaublich, wie viel Geld Eltern für Ihre Kinder aus­geben. Bar­bara Zobrist: Es ist hart, immer wieder nein zu sagen und das auszuhal­ten. Andrea Fuchs: Die Ein­stel­lung der Eltern zum The­ma Geld ist aber ganz entschei­dend für das Ver­hal­ten des Nach­wuch­ses. Das ste­ht auss­er Frage.Erziehung in Sachen Finanzen: Worauf muss ich acht­en? Ger­ade, wenn ich Kinder habe, die ständig irgen­det­was haben wollen? Andrea Fuchs: Es ist wichtig, zu disku­tieren, was notwendi­ge Anschaf­fun­gen und was Wün­sche sind. Wün­sche soll­ten nicht ständig erfüllt wer­den, dafür gibt es den Geburt­stag und Wei­h­nacht­en. . Und darüber sprechena, was Dinge kosten. Wohnen, Essen etc. sind wichtiger als Spielzeuge oder ein neues Handy. Bar­bara Zobrist: Kinder sollen auch ler­nen, auf etwas zu warten. Mit ihrem Taschen­geld auf etwas sparen, einen Ferien­job annehmen, sel­ber Geld erwirtschaften. Andrea Fuchs: Und ab dem 12. Leben­s­jahr dann der Jugend­lohn. Die Jugendlichen bekom­men einen monatlichen Betrag für klar definierte Bere­iche wie Freizeit, Bek­lei­dung, Kom­mu­nika­tion und andere Belange. Auf www.jugendlohn.ch wird erk­lärt, wie das funk­tion­iert. Die Jugendlichen kön­nen so Erfahrun­gen machen und ler­nen, mit einem beschränk­ten Bud­get auszukom­men. Ins­beson­dere, dass das Geld rasch weg ist, wenn man nicht auf­passt.Und was kön­nen Lehrmeis­ter und Lehrper­so­n­en tun? Andrea Fuchs: Sehr viel. Die Sen­si­bil­isierung dieser wichti­gen Bezugsper­so­n­en gehört zu den Ker­nauf­gaben unser­er Fach­stelle. Beispiel­sweise schla­gen wir den Aus­bildern vor, die Eltern und ange­hen­den Ler­nen­den schon beim Unter­schreiben des Lehrver­trags zu informieren, dass der Lehrlingslohn für notwendi­ge Aus­gaben und nicht nur für den Aus­gang vorge­se­hen ist. Das hil­ft Eltern sehr, mit den Jugendlichen real­is­tis­che Vere­in­barun­gen zu tre­f­fen. Und die Ler­nen­den und frisch Aus­gel­ern­ten zu motivieren, vom Lohn monatlich direkt Zahlun­gen für die Steuern und die Krankenkassen zu machen. Bar­bara Zobrist: Aus gutem Grund, denn 77 Prozent der Leute, die später zu uns in die Beratung kom­men, haben Steuer­schulden, 44 Prozent zahlen Ihre Krankenkassen­prämien nicht. Let­zteres hat mitunter gravierende Fol­gen bei ein­er Erkrankung, wenn sich die Ver­sicher­er weigern, gewisse Leis­tun­gen zu übernehmen.Die Leute, die später bei Ihnen in der Schulden­ber­atung lan­den. Das Vorurteil liegt nahe, es han­dle sich um Men­schen mit niedrigem Bil­dungs­stand. Bar­bara Zobrist: 62 Prozent unser­er Kli­entin­nen und Klien­ten haben einen Lehrab­schluss oder eine Matur, 5 Prozent sog­ar einen Fach­hochu­la­b­schluss.Also nicht unbe­d­ingt vererbte Armut. Was sind denn die Gründe? Immer­hin leben gemäss ein­er neuen Sta­tis­tik des Bun­des 40 Prozent der Bevölkerung in einem Haushalt mit Schulden. Bar­bara Zobrist: Der Schritt in die Unab­hängigkeit ist eine Her­aus­forderung. Wohnt man daheim, hat man auch als Lehrling rel­a­tiv viel Geld zur Ver­fü­gung. Wer volljährig wird und auszieht, ist sich oft zu wenig bewusst, was man an Verpflich­tun­gen einge­ht. Die Steuer­rech­nung kommt erst lange im Nach­hinein. Er wer­den keine oder zu wenig Rück­stel­lun­gen gemacht. Andrea Fuchs: Der erste Lohn nach der Lehre sieht nach viel Geld aus, doch es ist auch schnell aus­gegeben. Leben­skosten sind sel­ten ein The­ma und wer­den unter­schätzt. . Hinzu kommt, dass Aus­gel­ernte in diversen Berufen zu Beginn auch ein­fach zu wenig ver­di­enen. Als Den­ta­las­sis­tentin, Floristin oder Coif­feuse hast du kaum Luft im Bud­get. Gle­ich­wohl willst du dazuge­hören, kauf­st dir ein Smart­phone, least dir ein Auto. Da spielt der soziale Druck. Wenn dann aber etwas Unvorherge­se­henes passiert, beispiel­weise Arbeit­slosigkeit oder Schwanger­schaft, dann wird’s prob­lema­tisch.Und dann kom­men die Leute zu Ihnen in die Beratung. Andrea Fuchs. Lei­der kom­men viele Men­schen erst nach jahre- und jahrzehn­te­langer Ver­schul­dung in die Beratung. Oft­mals ver­suchen sich die Betrof­fe­nen zunächst mit der Auf­nahme von Kred­iten abzuhelfen. Kon­sumkred­ite kosten mehrere Tausend Franken. Das ist alles andere als hil­fre­ich für ein anges­pan­ntes Bud­get. Ger­ade in der Anfangsphase der Ver­schul­dung kann Beratung mit wenig Aufwand sehr viel brin­gen.Und wie kann die kan­tonale Schulden­ber­atung den Betrof­fe­nen helfen? Bar­bara Zobrist: Wir schauen als Erstes, dass sich die Betrof­fe­nen nicht weit­er ver­schulden. Dann machen wir uns an die Sanierung, wenn dies möglich ist. Das dauert mehrere Jahre und bedeutet eine harte Zeit. Mit den Gläu­bigern müssen Übereinkün­fte getrof­fen wer­den, das geht jedoch häu­fig über die gerichtlichen Instanzen.Und wie erfol­gre­ich ist das? Immer­hin wird die kan­tonale Schulden­ber­atung ja mit Steuergeldern finanziert. Im Min­i­mum bürg­er­liche Kreise dürften sich für den «Return on Invest­ment» inter­essieren. Bar­bara Zobrist: Allein im Aar­gau haben wir für das Jahr 2014 eine halbe Mil­lion Franken an Steuergeldern gesichert. Zudem hat eine Bern­er Studie bele­gen kön­nen, dass jed­er Franken in eine kan­tonale Schulden­ber­atung min­destens dop­pelt wieder zurück­kommt.Finanziert sich das Ange­bot einzig über die Kan­tone? Bar­bara Zobrist: Die Finanzierung der Stelle erfol­gt über Leis­tungsvere­in­barun­gen mit den Kan­to­nen Aar­gau, Solothurn und der Car­i­tas Schweiz. Weit­er gibt es Betrieb­s­beiträge der Reformierten und Römisch-Katholis­chen Lan­deskirchen Aar­gau, Mit­glieder­beiträge, Hon­o­rare, Pro­jek­t­beiträge sowie Spenden.Und wo ist das Ange­bot erre­ich­bar? Bar­bara Zobrist: Unser Haupt­sitz ist in Aarau, mit ein­er Aussen­stelle in Grenchen und der Bud­get­ber­atung in Solothurn. Derzeit arbeit­en in der Schulden­ber­atung 7 Per­so­n­en mit ins­ge­samt 415 Stel­len­prozen­ten sowie eine Auszu­bildende mit 60 Stel­len­prozen­ten. Für die Bud­get­ber­atung Solothurn sind zwei Mitar­bei­t­erin­nen im Stun­den­lohn angestellt.Wir haben mit Jugendlichen an der Aarauer Beruf­ss­chule über das The­ma gesprochen. Die meis­ten Befragten schienen uns sehr abgek­lärt im Umgang mit dem The­ma. Bar­bara Zobrist: Der grösste Teil der Jugendlichen, das darf ich get­rost sagen, kann gut mit Geld umge­hen. Andrea Fuchs: Und die, die nicht mit Geld umge­hen kön­nen, sagen es nicht. Jed­er 25-Jährige mit Schulden ist ein­er zu viel! Wir wollen möglichst viele mit unser­er Präven­tion­sar­beit erre­ichen, damit sie gar nicht erst in der Schulden­ber­atung lan­den. Das heisst, dass  die jun­gen Leute von sel­ber auf die Idee kom­men, vor dem Auszug von daheim ein Bud­get zu erstellen, sich via unsere Web­page www.heschnocash.ch Anre­gun­gen holen. Natür­lich kön­nen sie auch zu uns in die Beratung kom­men. 
Andreas C. Müller
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