Big Bang und die Bibel
Die Säulen der Schöpfung
Bild: © NASA/wiki commons

Big Bang und die Bibel

Kathrin Altwegg schlägt den Bogen vom Urknall zur biblischen Schöpfungsgeschichte. Die Menschen hält sie nicht für die Krone der Schöpfung, und selbst wenn wir dereinst auf Planeten mit Leben landen könnten, würde sie aus ethischen Gründen darauf verzichten.

Was ist für Sie ein Licht­blick?

Kathrin Altwegg: Im physikalis­chen Sinne ist der Licht­blick die Sonne, die jeden Tag scheint, selb­st wenn es wolkig ist und reg­net. Im über­tra­ge­nen Sinne ist ein Licht­blick etwas, was mich pos­i­tiv stimmt, etwas worauf ich mich freue, das mein Leben ver­schön­ert, vor allem in dun­klen Zeit­en.

Ist für Sie der Blick ins Weltall ein Licht­blick auch im über­tra­ge­nen Sinn?

Auf jeden Fall. Das Weltall ist sehr ästhetisch – ein­fach schön. Die funkel­nden Sterne, die Milch­strasse am dun­klen Him­mel, der Mond. Wenn ich Sor­gen habe und ins Weltall blicke, rel­a­tivieren sie sich.

Die Säulen der Schöp­fung

Die Säulen der Schöp­fung sind dun­kle Wolken beste­hend aus Gas und Staub. Dort entste­hen neue Sterne. Mate­r­i­al verdichtet sich durch die Grav­i­ta­tion, wird immer dichter und kol­la­biert schliesslich. So kön­nen neue Sterne entste­hen. In den drei Säulen der Schöp­fung sieht man junge Sterne, die erst zehn Mil­lio­nen Jahre alt sind. Unser Stern, unsere Sonne, ist 4,6 Mil­liar­den Jahre alt und etwa in der Hälfte ihrer Exis­ten­z­dauer angekom­men. Mit den Ster­nen entste­hen immer auch Plan­eten. Es kön­nte also sein, dass die Säulen der Schöp­fung tat­säch­lich die Geburtsstätte für einen Plan­eten sind, auf dem Leben entste­ht.

Nehmen wir an, Sie sässen auf dem Mond und beobachteten die Erde, ​was sähen Sie?

Ich sehe die Erde, die ganz beson­ders ist. Es gibt wahrschein­lich nicht viele Plan­eten, die so viel Glück gehabt haben und ein Milieu vor­weisen kön­nen, in dem sich Leben entwick­eln kon­nte, wie das bei der Erde der Fall ist. Wenn ich beobachte, was die Men­schen mit ihr machen, bee­len­det mich das manch­mal. Die Men­schen wer­den nicht für immer existieren. Vielle­icht ist das, was nach dem Men­schen kommt, bess­er.

An einem Vor­trag ver­wen­de­ten Sie den Begriff «Apoka­lypse». Was ver­ste­hen Sie darunter? Und warum ver­wen­den Sie diesen Begriff?

Im christlichen Kon­text bedeutet Apoka­lypse Wel­tun­ter­gang oder Zeit­en­wende. In diesem Sinne brauche ich den Begriff. Wenn durch ein Ereig­nis der grösste Teil der Arten aus­stirbt, dann spreche ich von ein­er Apoka­lypse. Sie kann bed­ingt sein durch Vulka­naus­brüche, durch Ein­schläge aus dem All, durch tek­tonis­che Verän­derun­gen. In den ver­gan­genen 500 Mil­lio­nen Jahren gab es fünf Apoka­lypsen. Sie markierten das Ende eines Zeital­ters, aber auch den Beginn eines neuen. Der Ein­schlag eines Mete­oriten in der Gegend von Mexiko und ein Vulka­naus­bruch auf dem indis­chen Sub­kon­ti­nent haben das Kli­ma so verän­dert, dass die Dinosauri­er aus­gestor­ben sind. Das hat es möglich gemacht, dass sich die Säugetiere und mit ihnen der Men­sch ent­wickeln kon­nten.

Kathrin Altwegg, Astro­physik­erin

Die emer­i­tierte Pro­fes­sorin der Astro­physik wurde bekan­nt als Lei­t­erin des Pro­jek­ts Rosi­na, mit dem der Komet Churyu­­mov-Gerasi­­menko erforscht wurde. Das Pro­jekt lieferte Erken­nt­nisse zur Entste­hung des Lebens auf der Erde. Kathrin Altwegg stammt aus Bal­sthal (SO). Nach ihrer Matur 1970 war sie die einzige Frau, die an der Uni Basel das Physik­studi­um begann. 1980 dok­to­ri­erte sie bei der Physikpro­fes­sorin Iris Zschokke. Nach zwei Jahren als Post­doc in New York, kehrte sie 1982 in die Schweiz zurück und begann an der Uni Bern im Bere­ich Wel­traum­forschung und Plan­e­tolo­gie zu forschen. Von 2011 bis 2017 leit­ete Kathrin Altwegg das Cen­ter for Space and Hab­it­abil­i­ty an der Uni Bern, das sich mit der Bewohn­barkeit von Plan­eten und anderen Him­mel­skör­pern beschäftigt.

Big Bang und die Bibel - Lichtblick Römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz

Kathrin Altwegg, emer­i­tierte Pro­fes­sorin für Astro­physik | Bild: ©Uni Bern/Manu Friedrich

Ist der Men­sch die Kro­ne der Schöp­fung?

Men­schen sind die am meis­ten entwick­el­ten Lebe­we­sen auf der Erde und im Uni­ver­sum, zumin­d­est so viel wir heute wis­sen. Aber sie machen viele Fehler und haben zahlre­iche Schwächen. Ich halte die Men­schen nicht für die Kro­ne der Schöp­fung und bin froh, dass wir nie mit Sicher­heit sagen kön­nen, dass wir die Einzi­gen im Uni­ver­sum sind. Das würde unsere Spezies noch über­he­blich­er machen.

Wie wahrschein­lich ist es, dass es andere Lebe­we­sen gibt, die uns ähn­lich sind?

Das ist nicht unwahrschein­lich. Aber die Wahrschein­lichkeit, dass wir mit ihnen kom­mu­nizieren kön­nen, geht gegen null. Die Dis­tanzen im Uni­ver­sum sind zu gross. Wenn eine Zivil­i­sa­tion 1000 Licht­jahre ent­fer­nt ist, dann dauert es 2000 Jahre, bis die Infor­ma­tio­nen angekom­men und beant­wortet wor­den sind.

Sie nen­nen zwei Beschrei­bun­gen für den Anfang des Uni­ver­sums: den Big Bang und die Bibel. Wie hän­gen diese Beschrei­bun­gen zusam­men?

In der Bibel ste­ht, dass Gott die Welt aus dem Nichts erschaf­fen hat. Die physikalis­che Beschrei­bung lautet: Am Anfang war nichts auss­er Energie an einem Ort, woraus Materie ent­standen ist. Wür­den wir uns Gott als diese Energie vorstellen, hät­ten wir den Zusam­men­hang.

Und was war davor?

Zu fra­gen, was vor dem Beginn des Uni­ver­sums war, ist falsch und rührt daher, dass wir Men­schen uns das Nichts nicht vorstellen kön­nen. Das Heute ohne das Gestern kön­nen wir nicht denken. Der Kirchen­lehrer Augustin von Hip­po hat bere­its im 4. Jahrhun­dert ­erk­lärt: «Gott schuf die Welt nicht in der Zeit, son­dern mit der Zeit.» In der Physik gilt: Ohne Materie gibt es keine Zeit und keinen Raum.

Gibt es in der Physik ein Konzept wie die Ewigkeit, etwas ohne Anfang und ohne Ende?

Ich denke, dass wir nicht von Ewigkeit sprechen kön­nen, wenn es keine Zeit gibt. Die Ewigkeit müsste etwas sein wie zeit­lose Zeit. Ich habe schon öfter mit Men­schen gesprochen, welche die Auf­fas­sung haben, die Welt sei in sieben Tagen erschaf­fen wor­den. Ihnen habe ich zu bedenken gegeben, dass es erst Tage mit 24 Stun­den gibt, seit es die Erde gibt. Ohne die Erde, die sich in 24 Stun­den dreht und in 365 Tagen die Sonne umkreist, kön­nen wir uns die Tage und Jahre beliebig lang denken. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass das Uni­ver­sum in sieben Tagen erschaf­fen wor­den ist.

Welche ethis­chen Über­legun­gen machen Sie sich in Bezug auf das Uni­ver­sum?

Grundle­gend für mich ist die Frage nach Schützenswertem im Uni­ver­sum, ver­gle­ich­bar mit den Naturschutzge­bi­eten auf der Erde. Nehmen wir an, wir find­en auf dem Mars Mikroben. Dürften wir dann den Plan­eten betreten? Lebe­we­sen, die unsere Viren nicht ken­nen, kön­nten durch sie ster­ben. Auch wenn wir in Zukun­ft die Tech­nolo­gie hät­ten, auf einen Exo­plan­eten zu gelan­gen, auf dem es vielle­icht höher entwick­eltes Leben gibt, soll­ten wir zu dessen und unserem Schutz darauf verzicht­en. Das Recht auf Leben sollte auch im Uni­ver­sum gel­ten.

Eva Meienberg
mehr zum Autor
nach
soben