Hand in Hand
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Hand in Hand

«Bei uns ist der Staat darauf angewiesen, mit den Religionsgemeinschaften zusammenzuarbeiten»

Esther Straub war Zürcher Kantonsrätin und ist heute Kirchenratspräsidentin der Reformierten Kirche Kanton Zürich. Sie kennt Kirche und Staat und ist von ihrer Partnerschaft überzeugt. Am zweiten Gespräch in der Reihe «DispuTALK» im reformierten Kirchgemeindehaus in Baden debattierte sie mit Hans Strub anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums der Disputationen zwischen Reformierten und Katholiken in Baden.

Mod­er­a­tor Hans Strub eröffnete das Gespräch mit Esther Straub mit einem kirchen­poli­tis­chen The­ma, das sowohl die reformierte wie die katholis­che Lan­deskirche im Kan­ton Zürich seit einiger Zeit beschäftigt. Es geht dabei um Unter­stützungs­beiträge an nicht anerkan­nte Reli­gion­s­ge­mein­schaften. Der Kan­ton hat basierend auf den neuen Leit­sätzen aus dem Jahr 2017 die anerkan­nten Lan­deskirchen darum gebeten, diese zu unter­stützen, weil er dazu nicht die rechtlichen Grund­la­gen hat.

Unterstützung nicht anerkannter Religionsgemeinschaften

Esther Straub begrüsste das Vorhaben, weil die Unter­stützung des Kan­tons dazu diene, mit den nicht anerkan­nten Reli­gion­s­ge­mein­schaften im Dia­log zu sein und ihre Mitar­beit in inter­re­ligiösen Pro­jek­ten, wie der Spi­talseel­sorge, der Gefäng­nis­seel­sorge oder der Jugen­dar­beit, zu unter­stützen und zu pro­fes­sion­al­isieren.

Nach anfänglich­er Zurück­hal­tung hat die Katholis­che Kirche im Kan­ton Zürich die Unter­stützungs­beiträge am 6. Novem­ber an ihrer Syn­ode beschlossen. Am 18. Novem­ber wird die Syn­ode der Reformierten Kirche Kan­ton Zürich darüber befind­en. Der Kan­ton Zürich zahlt den anerkan­nten Reli­gion­s­ge­mein­schaften Staats­beiträge in der Höhe von 50 Mil­lio­nen jährlich für Leis­tun­gen, die von gesamt­ge­sellschaftlich­er Bedeu­tung sind. Dazu gehört die Arbeit im Spi­tal oder Gefäng­nis, die auch von Seel­sor­gen­den nicht anerkan­nter Reli­gion­s­ge­mein­schaften geleis­tet wird, die aber dafür eben keine staatlichen Mit­tel erhal­ten kön­nen. Die Staats­beiträge stam­men nicht aus Kirchen­s­teuern und dür­fen nicht für kul­tische Zwecke ver­wen­det wer­den.

Esther Straub in inter­essiert­er Runde im reformierten Kirchge­mein­de­haus in Baden © Eva Meien­berg

Wer vermittelt Werte?

Hans Strub erin­nerte an den Jahrestag von Bat­a­clan, als islamistis­che Ter­ror­is­ten im gle­ich­nami­gen Club, im Stade de France und an weit­eren Orten in Paris 130 Men­schen töteten und hun­derte ver­let­zten. Die Frage nach den Grün­den der Jihadis­ten beschäftigt auch zehn Jahre nach dem Ter­ro­ran­schlag. Mit Blick auf ein Inter­view mit Arthur Dénou­veaux, einem Über­leben­den von Bat­a­clan, wirft der Mod­er­a­tor die Frage auf, wer heute noch in der Lage sei, den Men­schen Sinn und Zuge­hörigkeit zu ver­mit­teln. Arthur Dénou­veaux for­mulierte die These, dass bei der Tren­nung von Kirche und Staat 1905 der Staat stark gewe­sen sei. Er habe seinen Bürg­erin­nen und Bürg­ern milieu-unab­hängig Sinn ver­mit­teln kön­nen. Heute aber ver­walte der Staat lediglich Bud­gets.

Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat

Esther Straub äusserte die Ver­mu­tung, dass die radikale Tren­nung von Kirche und Staat in Frankre­ich mit ein Grund sein kön­nte für die religiöse Radikalisierung. «Bei uns ist der Staat darauf angewiesen, mit den Reli­gion­s­ge­mein­schaften zusam­men­zuar­beit­en», sagte die Kirchen­rätin. Die Part­ner­schaft zwis­chen Kirchen und Staat wirke der Radikalisierung ent­ge­gen. Hans Strub gab jedoch zu bedenken, dass es bei zu gross­er Nähe eine Vere­in­nah­mung der Reli­gion­s­ge­mein­schaften durch den Staat geben kön­nte. Darum habe es auch Oppo­si­tion bei den Unter­stützungszahlun­gen an die nicht anerkan­nten Reli­gion­s­ge­mein­schaften gegeben. Der Mod­er­a­tor ging einen Schritt weit­er und zitierte den Philosophen Jür­gen Haber­mas, der kri­tisiert, dass die Kirchen den Auf­trag, Tran­szen­denz zu ver­mit­teln, aufgegeben hät­ten. Esther Straub for­mulierte den Wun­sch, dass die Kirche sich auf ihre Ker­nauf­gaben konzen­triere. Schliesslich sei sie keine NGO, son­dern eine Reli­gion­s­ge­mein­schaft, die aus einem tran­szen­den­ten Kern her­aus agiere und im Evan­geli­um ver­ankert sei. Auch in der inter­re­ligiösen Betä­ti­gung seien die eige­nen religiösen Wurzeln, das eigene Beken­nt­nis, nicht nur für die Seel­sor­gen­den, son­dern auch für die betreuten Men­schen wichtig.

Was heisst schon Sünde?

Dazu gehöre aber auch, dass Begriffe wie Sünde, ewiges Leben oder Aufer­ste­hung besprech­bar blieben, gab Hans Strub zu bedenken. Esther Straub wies darauf hin, dass es dabei Ver­mit­tlungsar­beit brauche. Solche the­ol­o­gis­chen Begriffe kön­nten nicht mehr voraus­ge­set­zt wer­den oder seien inhaltlich belastet und ver­stell­ten den Zugang zu den hin­ter den Begrif­f­en liegen­den Konzepten. Die The­olo­gin schlug vor, den Begriff Sünde mit Verir­rung zu erset­zen. Dieser Begriff sei fass­bar­er und komme näher an das eigentliche bib­lis­che Konzept.

«Bei uns ist der Staat darauf angewiesen, mit den Religionsgemeinschaften zusammenzuarbeiten» - Lichtblick Römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz
Esther Straub, Kirchen­rat­spräsi­dentin der Reformierten Kirche Kan­ton Zürich mit Hans Strub, Mit­glied der Pro­jek­tleitung der Disput(N)ation, flankiert vom reformierten Pfar­rer in Baden, Res Peter (li.) und Clau­dio Tom­massi­ni, Seel­sorg­er und Gemein­deleit­er in Baden und Ennet­baden © Eva Meien­berg

Kirche soll sich in die Politik einmischen

Esther Straub poli­tisierte als Pfar­rerin zuerst im Zürcher Gemein­der­at und schliesslich im Kan­ton­srat. «Was hat die Kirche in der Poli­tik zu suchen?», fragte Hans Strub seine ehe­ma­lige Pfar­rkol­le­gin pro­voka­tiv. Esther Straub kon­terte, sie habe als Poli­tik­erin nie the­ol­o­gisch argu­men­tiert. Ver­schiedene Berufs- und Inter­es­sen­grup­pen seien im Par­la­ment vertreten. «Es wäre eige­nar­tig, wenn sich aus­gerech­net kirch­lich engagierte Men­schen von der Poli­tik fern­hal­ten müssten», sagte die Kirchen­rätin. Diese soll­ten sich mit ihrer Exper­tise in die Poli­tik ein­mis­chen, dazu gehöre etwa das Engage­ment der Vertreterin­nen kirch­lich­er Hil­f­swerke. Die Unter­stützung für die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive, die oft als Beispiel der Ver­strick­ung von Kirche und Poli­tik ange­führt werde, sei eine Unter­stützung im Wirkungs­feld der kirch­lichen Hil­f­swerke. Ausser­dem schliesse die Kirche nie­man­den aus, der nicht für die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive ges­timmt habe, sagte die Kirchen­rätin.

Etwas für den Frieden tun

Esther Straub erzählte, dass dieser Tage sie vor allem die Frage beschäftige, wie sich die Kirchen für den Frieden engagieren kön­nen, um so den vie­len Kon­flik­ten weltweit etwas ent­ge­gen­zuset­zen zu kön­nen. Die Evan­ge­lis­che Kirche in Deutsch­land habe am 10. Novem­ber eine Posi­tion zur Friedensethik vorgelegt. Im Kan­ton Zürich gebe es eine Peti­tion aus der Zivilge­sellschaft an die Kirche, das Jubiläum des Kap­pel­er Land­friedens 2029 zu feiern. Die Kirchen­rätin meinte, sie begrüsse es, wenn in diesen kriegerischen Zeit­en der Frieden gefeiert werde statt weit­ere Kriegs­denkmäler aufzustellen.

Der näch­ste Dis­puTALK find­et am 27. Novem­ber um 18.30 Uhr im reformierten Kirchge­mein­de­haus Baden mit Christoph Weber-Berg, Kirchen­rat­spräsi­dent Reformierte Lan­deskirche Aar­gau statt. Die Fra­gen stellt wiederum Hans Strub.

Zum weit­eren Pro­gramm kom­men Sie hier.

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Eva Meienberg
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