Als Gottes Ebenbilder handeln

Das (zeitlich) erste Gebot, das Gott den Men­schen gibt, lautet: «Seid frucht­bar und mehrt euch, füllt die Erde und unter­w­erft sie…» (Gen 1,28) Aus dem Kon­text der Erzäh­lung wird klar, dass mit «unter­w­erft die Erde» nicht Gewalt und Zer­störung gemeint sein kann, son­dern genau das Gegen­teil, denn am Beginn ist es Gott selb­st, der als «Unter­w­er­fend­er» auftritt gegen die Chaos­mächte, das Tohuwabo­hu des Anfangs: Die Erde war «wüst (tohu) und leer (bohu)» und es herrschte die Dunkel­heit. Gott unter­wirft diese Mächte, er erschafft das Licht, das die Dunkel­heit zurück­drängt, er füllt die Leere und ord­net das Durcheinan­der.

Da ich diese Zeilen schreibe, geht ger­ade die «Schöp­fungszeit» zu Ende, die von vie­len Kirchen in Europa vom 1. Sep­tem­ber bis zum 4. Okto­ber (dem Gedenk­tag von Franz von Assisi) als Zeit der beson­deren Beach­tung der Schöp­fung auch im litur­gis­chen Jahr began­gen wird. Ich halte diese Zeit für eine wichtige Gele­gen­heit. Als Chris­ten ste­hen wir manch­mal in der Gefahr, das «Materielle» – was nichts anderes ist als die von Gott geschaf­fene und von uns Men­schen (gemäß dem ersten Gebot Gottes!) mit­gestal­tete Welt – zu ver­nach­läs­si­gen und uns allein auf geistige Wirk­lichkeit­en zu fokussieren. Ander­er­seits ist viel Gerede über Ökolo­gie und Naturschutz oft rein mate­ri­al­is­tisch ori­en­tiert, so als gäbe es keine «Ökolo­gie des Men­schen» (Benedikt XVI.) und neben der Umweltver­schmutzung nicht auch eine moralis­che Ver­schmutzung des men­schlichen Geistes und sein­er Seele.

Als Chris­ten sind wir in der priv­i­legierten Posi­tion, bei­des anerken­nen und wertschätzen zu kön­nen, denn unser Gott ist Men­sch gewor­den: Das Göt­tliche und das Irdis­che, sie sind nicht mehr fein säu­ber­lich zu tren­nen. Gott ist in Jesus wahrhaft Men­sch gewor­den und Chris­tus hat nach sein­er Aufer­ste­hung diese seine Men­schheit in die Ewigkeit des Vaters aufgenom­men. Ger­ade als Katho­liken wis­sen wir: Sakra­mente, das ist Gottes Wirken in, mit und durch «natür­liche» Ele­mente.

Die Schöp­fung, die Natur, ste­ht nicht im Wider­spruch zu Gott und seinem Heil­s­plan und sie ist auch nicht neben­säch­lich. Gott selb­st hat sie ja «gut», sog­ar «sehr gut» geschaf­fen. Die Natur ist Teil der Heils­geschichte Gottes. So wenig wie wir Chris­ten unser moralis­ches Leben ver­nach­läs­si­gen kön­nen, so wenig das biol­o­gis­che Leben um uns herum: «Denn auch sie, die Schöp­fung, soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befre­it wer­den zur Frei­heit und Her­rlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wis­sen, dass die gesamte Schöp­fung bis zum heuti­gen Tag seufzt und in Geburtswe­hen liegt.» (Röm 8,21–22) In der apoka­lyp­tis­chen Vision des Apos­tels Johannes vom Lamm mit der ver­siegel­ten Buchrolle sind es nicht nur die geisti­gen Mächte, die das Lob Gottes und des Lammes sin­gen, son­dern «alle Geschöpfe im Him­mel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was darin ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Her­rlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit.» (Offb 5,13)


Fort­set­zung auf näch­ster Seite

nach
soben