Zusammen unter einem Dach
Ein gemeinsam genutztes Kirchengebäude, in dem sowohl die katholischen als auch die reformierten Gläubigen ihre Messen und Gottesdienste feiern? Das gibt es – in unserem Lichtblick-Gebiet, im solothurnischen Hofstetten-Flüh. Dieses Jahr feiert die erste ökumenische Kirche der Schweiz ihr 50-jähriges Bestehen.
Eine eigene Kirche
… diesen Wunsch hatten die Menschen in Flüh schon seit längerer Zeit. Weder die katholischen noch die reformierten Menschen im Ort hatten ein Kirchengebäude, in dem sie ihre Gottesdienste abhalten konnten. Bereits in den 1930er-Jahren beginnt der damalige Pfarrer Geld zu sammeln, um damit einen Baufonds zu eröffnen. Doch es sollte noch vierzig Jahre dauern, bis das Vorhaben umgesetzt werden kann. Das Besondere: Die Kirche in Flüh ist eine ökumenische Kirche. In ihren Räumlichkeiten halten also sowohl die Katholikinnen und Katholiken als auch die reformierten Christinnen und Christen ihre Gottesdienste ab, vielfach auch ökumenisch. Ein «Shared-Room», ein geteilter Raum, sozusagen. Zum 50-Jahr-Jubiläum haben wir ein Interview mit Gerhard Stöcklin, katholisches Mitglied der ökumenischen Arbeitsgruppe seit 2001, und Magdalena Welten-Erb, Kirchgemeindepräsidentin der Reformierten und ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe, geführt. Das Gespräch fand vor dem Fest vom 20. bis 22. September statt.
Vor 50 Jahren wurde die Kirche in Flüh eingeweiht. Warum wurde es eine ökumenische Kirche?
Magdalena Welten-Erb (MW): Die Kirche wurde aus der Not heraus geboren. In Flüh gab es weder eine katholische noch eine reformierte Kirche, und man erachtete es als sinnvoll, eine Kirche für beide Konfessionen zu bauen. Es geschah aber nicht primär mit dem Gedanken: «Wir wollen die Ökumene hochhalten.»
Gerhard Stöcklin (GS): Trotzdem war es auch die Zeit der ökumenischen Bewegung. Das zweite Vatikanum, das kurz zuvor stattgefunden hatte, war eine Aufbruchbewegung in der katholischen Kirche. Man hoffte auf die Einheitskirche, und so war der Schritt dahin, mit den Reformierten etwas gemeinsam zu gestalten, nicht mehr so gross. Damals glaubte man, dass man auf dem richtigen Weg sei, und dass es wirklich die eine Kirche Christi geben werde.
Welche architektonischen Besonderheiten gibt es in der ökumenischen Kirche? Gibt es typisch katholische oder typisch reformierte Elemente?
GS: Das Gebäude wurde von Anfang an als ökumenische Kirche konzipiert, also als ein Raum, in dem beide Konfessionen ihre Gottesdienste abhalten können.
MW: Es gibt einen Tabernakel, ein ewiges Licht und auch ein einfaches Kreuz. Man findet eindeutige Hinweise, dass in diesen Räumlichkeiten beide Konfessionen zu Hause sind. Heiligenbilder oder einen Marienaltar gibt es nicht. Die Kirche ist sehr schlicht und nüchtern. Aber das, was für eine katholische Messe oder einen reformierten Gottesdienst gebraucht wird, ist da.
GS: Der Altar, der bei katholischen Messen eine wichtige Rolle spielt, ist sehr prominent und gross, und für die Reformierten gibt es eine erhöhte Kanzel.
MW: Es ist wichtig zu betonen, dass «ökumenische Kirche» nicht bedeutet, dass es einen ökumenischen Pfarrer in Flüh gibt oder dass das Gemeindeleben komplett ökumenisch gestaltet ist, sondern es bedeutet, dass das Gebäude ökumenisch, auf die Nutzung durch beide Konfessionen, ausgelegt ist. Das Kirchenhaus wird aber auch gemeinsam genutzt, für ökumenische Veranstaltungen. Dafür haben die beiden Konfessionen im solothurnischen Leimental eine ökumenische Arbeitsgruppe gegründet.
Und was bietet diese ökumenische Arbeitsgruppe?
GS: Wir haben vor 10 Jahren zum 40. Jubiläum angefangen, jeden Monat jemanden einzuladen: eine Kirchgemeinde, eine Organisation, eine Politikerin, einen Politiker oder eine Regierungsrätin oder einen Regierungsrat aus den Kantonen Solothurn, Baselland und Basel-Stadt.
MW: Das machen wir im Rahmen der ökumenischen Sonntage. Im Jubiläumsjahr haben diese Sonntage einen musikalischen Schwerpunkt. Am Anfang fanden die ökumenischen Sonntage in unserer Kirche in Flüh statt, inzwischen feiern wir sie aber auch in den verschiedenen Dörfern.
Kommt da auch manchmal ein Bischof bei euch vorbei?
GS: Ja, auch das ist schon vorgekommen. Bischof Felix Gmür war schon mal da. Ausserdem war beim ökumenischen Gipfeltreffen 2017 Frère Alois aus Taizé dabei.
Zurück zum Thema Ökumene. Viele Menschen wissen doch heute nicht mal mehr, was der Unterschied zwischen katholisch und reformiert ist. Wieso braucht es überhaupt die ökumenische Arbeitsgruppe und ökumenische Veranstaltungen?
MW: Die Ökumene ist sicherlich ein ganz zentraler Punkt für die Zukunft der Kirche. Wir erleben das hier bei uns im Kleinen. Gemeinsam im Dialog und dem, was sich daraus entwickelt, sind wir sichtbar und kommen weiter als jede und jeder für sich. Das Jubiläumsfest vom kommenden Wochenende zeigt das aufs Schönste.
Gab und gibt es Nachahmer? Wo stehen weitere solcher ökumenischen Kirchen?
MW: Ein ökumenisches Zusammenwirken gibtes auch anderorts, die meisten haben aber separate Räumlichkeiten, in denen die Gottesdienste gefeiert werden. Es gibt das eine oder andere ökumenische Zentrum. Aber dass es einen gemeinsamen Kirchenraum gibt, ist schon speziell.
Warum veranstaltet ihr eine 50-Jahr-Jubiläumsfeier?
GS: Also ein 50-Jahr-Jubiläum ist doch auf jeden Fall etwas, das gefeiert werden muss!
MW: Es geht darum, etwas für die Sichtbarkeit des Gebäudes zu tun. Und eben auch für die Sichtbarkeit der Ökumene.
GS: Genau, wir möchten zeigen: Es gibt dieses Gebäude, und hier findet auch etwas statt.
MW: Kernstück und Höhepunkt der Feier ist die Uraufführung der «Schöpfung». Der Komponist kommt aus der Region. Es werden beide Chöre – der katholische und der reformierte Kirchenchor – singen. Das ist ein durch und durch ökumenisches Projekt.
GS: Untermalt wird das Musikalische von Bildern eines Fotografen aus der Region und Texten des reformierten Pfarrers. Es ist einfach schön, wenn alle Kräfte gemeinsam etwas auf die Beine stellen, und das wird bei dieser Feier und besonders beim Konzert deutlich.
Auch andernorts in unserem Pfarrblattgebiet gibt es ein ökumenisch genutztes Gotteshaus. Namentlich das sogenannte «Ökumenische Zentrum Trotte» in Rekingen (östlich von Bad Zurzach). Hier finden Sie weitere Infos dazu.