Zusam­men unter einem Dach
Der Höhepunkt des Festes: Die Uraufführung des Stücks «Die Schöpfung» von Christian Thomann. Begleitet von Klavier, Orgel und Instrumentalensemble präsentierten der reformierte Kirchenchor Solothurnisches Leimental und der Cäcilienchor Hofstetten-Flüh den Zuhörenden das Werk.
alle Bil­der: © refor­mier­te und katho­li­sche Gemein­den des solo­thur­ni­schen Leimentals

Zusam­men unter einem Dach

Ein gemeinsam genutztes Kirchengebäude, in dem sowohl die katholischen als auch die reformierten Gläubigen ihre Messen und Gottesdienste feiern? Das gibt es – in unserem Lichtblick-Gebiet, im solothurnischen Hofstetten-Flüh. Dieses Jahr feiert die erste ökumenische Kirche der Schweiz ihr 50-jähriges Bestehen.

Eine eige­ne Kirche

… die­sen Wunsch hat­ten die Men­schen in Flüh schon seit län­ge­rer Zeit. Weder die katho­li­schen noch die refor­mier­ten Men­schen im Ort hat­ten ein Kir­chen­ge­bäu­de, in dem sie ihre Got­tes­dien­ste abhal­ten konn­ten. Bereits in den 1930er-Jah­­ren beginnt der dama­li­ge Pfar­rer Geld zu sam­meln, um damit einen Bau­fonds zu eröff­nen. Doch es soll­te noch vier­zig Jah­re dau­ern, bis das Vor­ha­ben umge­setzt wer­den kann. Das Beson­de­re: Die Kir­che in Flüh ist eine öku­me­ni­sche Kir­che. In ihren Räum­lich­kei­ten hal­ten also sowohl die Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken als auch die refor­mier­ten Chri­stin­nen und Chri­sten ihre Got­tes­dien­ste ab, viel­fach auch öku­me­nisch. Ein «Shared-Room», ein geteil­ter Raum, sozu­sa­gen. Zum 50-Jahr-Jubi­lä­um haben wir ein Inter­view mit Ger­hard Stöck­lin, katho­li­sches Mit­glied der öku­me­ni­schen Arbeits­grup­pe seit 2001, und Mag­da­le­na Wel­ten-Erb, Kirch­ge­mein­de­prä­si­den­tin der Refor­mier­ten und eben­falls Mit­glied der Arbeits­grup­pe, geführt. Das Gespräch fand vor dem Fest vom 20. bis 22. Sep­tem­ber statt.

Vor 50 Jah­ren wur­de die Kir­che in Flüh ein­ge­weiht. War­um wur­de es eine öku­me­ni­sche Kir­che?
Mag­da­le­na Wel­ten-Erb (MW): Die Kir­che wur­de aus der Not her­aus gebo­ren. In Flüh gab es weder eine katho­li­sche noch eine refor­mier­te Kir­che, und man erach­te­te es als sinn­voll, eine Kir­che für bei­de Kon­fes­sio­nen zu bau­en. Es geschah aber nicht pri­mär mit dem Gedan­ken: «Wir wol­len die Öku­me­ne hoch­hal­ten.»
Ger­hard Stöck­lin (GS): Trotz­dem war es auch die Zeit der öku­me­ni­schen Bewe­gung. Das zwei­te Vati­ka­num, das kurz zuvor statt­ge­fun­den hat­te, war eine Auf­bruch­be­we­gung in der katho­li­schen Kir­che. Man hoff­te auf die Ein­heits­kir­che, und so war der Schritt dahin, mit den Refor­mier­ten etwas gemein­sam zu gestal­ten, nicht mehr so gross. Damals glaub­te man, dass man auf dem rich­ti­gen Weg sei, und dass es wirk­lich die eine Kir­che Chri­sti geben werde.

Wel­che archi­tek­to­ni­schen Beson­der­hei­ten gibt es in der öku­me­ni­schen Kir­che? Gibt es typisch katho­li­sche oder typisch refor­mier­te Ele­men­te?
GS: Das Gebäu­de wur­de von Anfang an als öku­me­ni­sche Kir­che kon­zi­piert, also als ein Raum, in dem bei­de Kon­fes­sio­nen ihre Got­tes­dien­ste abhal­ten kön­nen.
MW: Es gibt einen Taber­na­kel, ein ewi­ges Licht und auch ein ein­fa­ches Kreuz. Man fin­det ein­deu­ti­ge Hin­wei­se, dass in die­sen Räum­lich­kei­ten bei­de Kon­fes­sio­nen zu Hau­se sind. Hei­li­gen­bil­der oder einen Mari­en­al­tar gibt es nicht. Die Kir­che ist sehr schlicht und nüch­tern. Aber das, was für eine katho­li­sche Mes­se oder einen refor­mier­ten Got­tes­dienst gebraucht wird, ist da.
GS: Der Altar, der bei katho­li­schen Mes­sen eine wich­ti­ge Rol­le spielt, ist sehr pro­mi­nent und gross, und für die Refor­mier­ten gibt es eine erhöh­te Kan­zel.
MW: Es ist wich­tig zu beto­nen, dass «öku­me­ni­sche Kir­che» nicht bedeu­tet, dass es einen öku­me­ni­schen Pfar­rer in Flüh gibt oder dass das Gemein­de­le­ben kom­plett öku­me­nisch gestal­tet ist, son­dern es bedeu­tet, dass das Gebäu­de öku­me­nisch, auf die Nut­zung durch bei­de Kon­fes­sio­nen, aus­ge­legt ist. Das Kir­chen­haus wird aber auch gemein­sam genutzt, für öku­me­ni­sche Ver­an­stal­tun­gen. Dafür haben die bei­den Kon­fes­sio­nen im solo­thur­ni­schen Leim­en­tal eine öku­me­ni­sche Arbeits­grup­pe gegründet.

Und was bie­tet die­se öku­me­ni­sche Arbeits­grup­pe?
GS: Wir haben vor 10 Jah­ren zum 40. Jubi­lä­um ange­fan­gen, jeden Monat jeman­den ein­zu­la­den: eine Kirch­ge­mein­de, eine Orga­ni­sa­ti­on, eine Poli­ti­ke­rin, einen Poli­ti­ker oder eine Regie­rungs­rä­tin oder einen Regie­rungs­rat aus den Kan­to­nen Solo­thurn, Basel­land und Basel-Stadt.
MW: Das machen wir im Rah­men der öku­me­ni­schen Sonn­ta­ge. Im Jubi­lä­ums­jahr haben die­se Sonn­ta­ge einen musi­ka­li­schen Schwer­punkt. Am Anfang fan­den die öku­me­ni­schen Sonn­ta­ge in unse­rer Kir­che in Flüh statt, inzwi­schen fei­ern wir sie aber auch in den ver­schie­de­nen Dörfern.

Kommt da auch manch­mal ein Bischof bei euch vor­bei?
GS: Ja, auch das ist schon vor­ge­kom­men. Bischof Felix Gmür war schon mal da. Aus­ser­dem war beim öku­me­ni­schen Gip­fel­tref­fen 2017 Frè­re Alo­is aus Tai­zé dabei.

Zurück zum The­ma Öku­me­ne. Vie­le Men­schen wis­sen doch heu­te nicht mal mehr, was der Unter­schied zwi­schen katho­lisch und refor­miert ist. Wie­so braucht es über­haupt die öku­me­ni­sche Arbeits­grup­pe und öku­me­ni­sche Ver­an­stal­tun­gen?
MW: Die Öku­me­ne ist sicher­lich ein ganz zen­tra­ler Punkt für die Zukunft der Kir­che. Wir erle­ben das hier bei uns im Klei­nen. Gemein­sam im Dia­log und dem, was sich dar­aus ent­wickelt, sind wir sicht­bar und kom­men wei­ter als jede und jeder für sich. Das Jubi­lä­ums­fest vom kom­men­den Wochen­en­de zeigt das aufs Schönste.

Gab und gibt es Nach­ah­mer? Wo ste­hen wei­te­re sol­cher öku­me­ni­schen Kir­chen?
MW: Ein öku­me­ni­sches Zusam­men­wir­ken gib­tes auch ander­orts, die mei­sten haben aber sepa­ra­te Räum­lich­kei­ten, in denen die Got­tes­dien­ste gefei­ert wer­den. Es gibt das eine oder ande­re öku­me­ni­sche Zen­trum. Aber dass es einen gemein­sa­men Kir­chen­raum gibt, ist schon speziell.

War­um ver­an­stal­tet ihr eine 50-Jahr-Jubi­lä­ums­fei­er?
GS: Also ein 50-Jahr-Jubi­lä­um ist doch auf jeden Fall etwas, das gefei­ert wer­den muss!
MW: Es geht dar­um, etwas für die Sicht­bar­keit des Gebäu­des zu tun. Und eben auch für die Sicht­bar­keit der Öku­me­ne.
GS: Genau, wir möch­ten zei­gen: Es gibt die­ses Gebäu­de, und hier fin­det auch etwas statt.
MW: Kern­stück und Höhe­punkt der Fei­er ist die Urauf­füh­rung der «Schöp­fung». Der Kom­po­nist kommt aus der Regi­on. Es wer­den bei­de Chö­re – der katho­li­sche und der refor­mier­te Kir­chen­chor – sin­gen. Das ist ein durch und durch öku­me­ni­sches Pro­jekt.
GS: Unter­malt wird das Musi­ka­li­sche von Bil­dern eines Foto­gra­fen aus der Regi­on und Tex­ten des refor­mier­ten Pfar­rers. Es ist ein­fach schön, wenn alle Kräf­te gemein­sam etwas auf die Bei­ne stel­len, und das wird bei die­ser Fei­er und beson­ders beim Kon­zert deutlich.

Auch andern­orts in unse­rem Pfarr­blatt­ge­biet gibt es ein öku­me­nisch genutz­tes Got­tes­haus. Nament­lich das soge­nann­te «Öku­me­ni­sche Zen­trum Trot­te» in Rekin­gen (öst­lich von Bad Zurz­ach). Hier fin­den Sie wei­te­re Infos dazu.

Leonie Wollensack
mehr zum Autor
nach
soben