Zum Dienst geweiht

Im Mai 2016 erreg­te Papst Fran­zis­kus ein­mal mehr Auf­se­hen. Es ging um die Fra­ge des Dia­ko­nats der Frau. Kaum zwei Wochen spä­ter ver­an­stal­te­te der Vati­kan ein inter­na­tio­na­les Tref­fen Stän­di­ger Dia­ko­ne. Deren Anzahl wächst welt­weit. Doch was sie genau machen, ist oft unklar.Das Com­pu­ter-Tablet spart fast einen hal­ben Regal­me­ter Bücher. Es ist «fromm» ver­packt. Das gol­den gestick­te Chri­stus­mo­no­gramm «Chi-Rho» und die Buch­sta­ben «Alpha» und «Ome­ga» zie­ren den roten Umschlag. Es sind grie­chi­sche Buch­sta­ben; die Kurz­form für «Chri­stus – Anfang und Ende». Der Inhalt des Tablets sind die Stun­den­ge­be­te und ande­re lit­ur­gi­sche Tex­te vom Tag. Sie zu beten, ist ein roter Faden im Dienst des Stän­di­gen Dia­kons, wie Ueli Hess einer ist. Besit­zer des besag­ten Tablets.

Wei­he verpflichtet

«Seit Papst Fran­zis­kus im Amt ist, ärge­re ich mich ein biss­chen. Er hat in sei­nen Mess­fei­ern stets sechs bis acht Dia­ko­ne bei sich, aber in Begrüs­sun­gen und Anre­den spricht er sie nicht an. Sie sind sprach­lich unsicht­bar», sagt Ueli Hess. Er ist Stän­di­ger Dia­kon und Gemein­de­lei­ter in St. Niko­laus in Brem­gar­ten, lei­tet den Pasto­ral­raum Brem­gar­ten-Reus­s­tal. Am Sams­tag, 25. Juni 2016, 17.15 Uhr, fei­ert er in Brem­gar­ten sein sil­ber­nes Wei­he­ju­bi­lä­um. Bereut hat er sei­nen Schritt ins Amt des Stän­di­gen Dia­kons nie.Doch war­um liess er sich 1991 in Ebi­kon wei­hen? «Der Ent­schluss wuchs aus dem Wunsch her­aus, mich ganz in die Kir­che ein­zu­las­sen. Als ver­hei­ra­te­ter Mann geht das nur als Dia­kon. Dazu kam eine spi­ri­tu­el­le Sei­te. Durch die Wei­he habe ich auch Ver­pflich­tun­gen. Die zum täg­li­chen Gebet bei­spiels­wei­se. Sie ist mir Quel­le und Ansporn. Durch die Lit­ur­gie wird deut­lich, dass mein Dienst vom Altar aus­geht und wie­der zu ihm zurück­kehrt. Zudem bin ich durch die Wei­he dem Bischof zu Loya­li­tät ver­pflich­tet», erklärt Ueli Hess.

In der Versenkung

Biblisch grün­det das Amt des Dia­kons in der Apo­stel­ge­schich­te (Apg 6, 1–7): sie­ben Män­ner «von gutem Ruf und voll Geist und Weis­heit» sol­len hel­fen, die Apo­stel zu ent­la­sten. Die Kir­che wächst, die Nach­fol­ger der Apo­stel sind die Bischö­fe, und die Dia­ko­ne hel­fen nicht mehr nur ihnen. Denn Prie­ster über­neh­men immer öfter auch Auf­ga­ben der Bischö­fe  und grei­fen auf die Unter­stüt­zung der Dia­ko­ne zurück. Irgend­wann ver­schwin­det der Dia­ko­nat als eigen­stän­di­ges Amt in der Ver­sen­kung. Er wird zur «Durch­gangs­sta­ti­on» auf dem Weg zur «Haupt­wei­he», der Prie­ster­wei­he.Doch das Wei­he­sa­kra­ment ist drei­stu­fig. Jeder Prie­ster, jeder Bischof bleibt auch Dia­kon – aller­dings mit mehr Voll­mach­ten. Alle drei sind Teil des Kle­rus. Erst das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil stellt die Eigen­stän­dig­keit des Dia­ko­nen­am­tes wie­der her. Die Kon­sti­tu­ti­on Lumen Gen­ti­um hält die Grund­la­gen fest: Stän­di­ger Dia­kon kann auch wer­den, wer ver­hei­ra­tet und rei­fen Alters ist. Das meint einen soge­nann­ten vir pro­ba­tus (einen erprob­ten Mann), der sich theo­lo­gisch aus- und wei­ter­bil­det und dann durch Hand­auf­le­gung in den Kle­rus geweiht wird. Die Ehe­frau muss der Wei­he zustim­men. Stirbt die Frau, lebt der Mann fort­an zöli­ba­t­är. Eine Wie­der­hei­rat ist, bis auf sel­te­ne Aus­nah­men, zum Bei­spiel bei Anwe­sen­heit klei­ner Kin­der, die auf­ge­zo­gen wer­den müs­sen, aus­ge­schlos­sen.

Wach­sen­de Zahlen

Seit 2005 wächst die Zahl der Stän­di­gen Dia­ko­ne welt­weit (sie­he Kasten). Die kon­kre­te Tätig­keit gestal­tet sich in den Län­dern unter­schied­lich. Beim nörd­li­chen Nach­barn sind die Dia­ko­ne meist im Neben­amt tätig. Das heisst, sie wer­den für spe­zi­el­le Auf­ga­ben in der Gemein­de oder der Lit­ur­gie her­an­ge­zo­gen und arbei­ten anson­sten in einem zivi­len Beruf. In der Kir­che Schweiz und auch im Bis­tum Basel ist das anders. «Das hat aber nichts mit dem Dia­kon zu tun, son­dern liegt nach mei­ner Wahr­neh­mung – nach zwei Jah­ren Schweiz – dar­an, dass es hier ein weni­ger hier­ar­chi­sches Ver­ständ­nis der Wei­he­äm­ter gibt. Und im Bis­tum Basel scheint man prag­ma­tisch anzu­er­ken­nen, dass es unab­hän­gig von der Wei­he um Qua­li­fi­ka­tio­nen geht», erklärt Andre­as Boss­mey­er, Dia­kon in Baden-Rüti­hof.Die Stän­di­gen Dia­ko­ne in der Schweiz sind meist im Voll­amt und dann oft in der Gemein­de­lei­tung tätig. Auf den ersten Blick gibt es kei­nen Unter­schied zu einem Pasto­ral­as­si­sten­ten. Andre­as Wie­land, seit fast 16 Jah­ren Dia­kon, erklärt: «In der Seel­sor­ge an sich sehe ich kei­nen Unter­schied, ob ich jetzt Pasto­ral­as­si­stent oder Dia­kon bin. Jedoch, wenn der lit­ur­gi­sche und sakra­men­ta­le Bereich dazu­kommt, gibt es Unter­schie­de und es wer­den bald die Gren­zen bewusst, ob man geweiht ist oder nicht». Das wird deut­lich, wenn man sich klar­macht, dass Dia­ko­ne die all­ge­mei­ne Tauf­voll­macht haben und auch bei Ehe­schlies­sun­gen ordent­lich assi­stie­ren dür­fen. Letz­te­res ist Pasto­ral­as­si­sten­ten nicht erlaubt, die Tau­fe spen­den sie nur mit aus­ser­or­dent­li­cher Tauf­be­voll­mäch­ti­gung. Dia­kon zu sein, erleich­te­re im pasto­ra­len All­tag eini­ges, erklärt Andre­as Wie­land.

Aktu­ell wie nie

Andre­as Boss­mey­er, zeigt einen wei­te­ren Aspekt auf: «Mich hat die syri­sche Kir­chen­ord­nung aus dem 4. Jahr­hun­dert beein­druckt. In der heisst es über den Dia­kon: ‘Wenn der Dia­kon in einer Stadt tätig ist, die am Meer liegt, soll er sorg­sam das Ufer absu­chen, ob nicht die Lei­che eines Schiff­brü­chi­gen ange­schwemmt wor­den ist. Er soll sie beklei­den und bestat­ten. In der Unter­kunft der Frem­den soll er sich erkun­di­gen, ob es dort nicht Kran­ke, Arme oder Ver­stor­be­ne gibt, und er wird es der Gemein­de mit­tei­len, dass sie für jeden tut, was nötig ist.‘ Die Arbeit mit Flücht­lin­gen und Men­schen in pre­kä­ren Lebens­si­tua­tio­nen war und ist ein fester Bestand­teil mei­ner Arbeit».Dienst am Näch­sten und das Gebet – zwei Aspek­te des Stän­di­gen Dia­ko­na­tes. So fest die Zei­ten des Stun­den­ge­be­tes eigent­lich sind, so sehr braucht der Dienst am Näch­sten Raum für Unvor­her­ge­se­he­nes. Geht das Gebet vor? Ueli Hess klappt das Tablet zu: «Ich hal­te mich nicht skla­visch an die Gebets­zei­ten. Heu­te Mor­gen hat­te ich ein Trau­er­ge­spräch. Das habe ich als Gebet Gott geschenkt». 

Stän­di­ge Dia­ko­ne weltweit

Der­zeit gibt es in der katho­li­schen Kir­che welt­weit nach jüng­sten Anga­ben (2014) rund 45.000 Stän­di­ge Dia­ko­ne. Seit 2005 ist ihre Zahl um ein Drit­tel gestie­gen. Den größ­ten Zuwachs ver­zeich­net Euro­pa, wo laut Anga­ben 15.000 Stän­di­ge Dia­ko­ne wir­ken. Die Kir­chen­sta­ti­stik 2013 nennt für das Jahr 2012 für die Schwei­zer Bis­tü­mer eine Zahl von 243 Stän­di­gen Dia­ko­nen. Im Bis­tum Basel sind laut Per­so­nal­ver­zeich­nis aktu­ell 123 Stän­di­ge Dia­ko­ne inkar­di­niert. Dazu kom­men 4 Stän­di­ge Dia­ko­ne aus ande­ren Diö­ze­sen. Im Aar­gau sind der­zeit 21 Stän­di­ge Dia­ko­ne in der Seel­sor­ge tätig. Ent­we­der in der Gemein­de­lei­tung oder in der Heim- und Spi­tal­seel­sor­ge. Zusam­men­ge­rech­ne­te sind mehr als die Hälf­te der Stän­di­gen Dia­ko­ne im Bis­tum Basel in der aus­ser­or­dent­li­chen Pfar­rei­lei­tung oder als pasto­ra­le Mit­ar­bei­ter angestellt.
Anne Burgmer
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