Zukunft der klei­nen Schrit­te: Zehn Jah­re Klo­ster­her­ber­ge Baldegg

Zukunft der klei­nen Schrit­te: Zehn Jah­re Klo­ster­her­ber­ge Baldegg

  • «Beten und Arbei­ten und auf die Gött­li­che Vor­se­hung ver­trau­en.» Auch nach bald 190 Jah­ren lei­tet die­ses Wort die Bald­eg­ger Schwe­stern. Dazu braucht es ihrer Ansicht nach «wache Augen und ein zuver­sicht­lich gläu­bi­ges Herz».
  •  Ein Tat­be­weis für die­se Hal­tung ist die Klo­ster­her­ber­ge. Die­se im Unter­ti­tel mit «Hal­te­stel­le für das Leben» bezeich­ne­te Ein­rich­tung fei­ert 2019 ihr zehn­jäh­ri­ges Bestehen. Die Klo­ster­her­ber­ge ist qua­si ein «Tor zur Welt» des Klo­sters Bald­egg. Schwe­ster Gabri­el­le Mei­er und Schwe­ster Kat­ja Mül­ler blicken dank­bar zurück und wei­se voraus.
 Mei­er und Mül­ler. Ganz so ein­fach wie mit den Namen der bei­den Gesprächs­part­ne­rin­nen ver­hält es sich nicht mit der Geschich­te des Klo­sters Bald­egg, bezie­hungs­wei­se sei­ner Klo­ster­her­ber­ge. Dar­um zum Ein­stieg eine Rück­blen­de. Weil der Mäd­chen­bil­dung im länd­li­chen Luzer­ner See­tal kei­ne Beach­tung geschenkt wur­de, plan­te der dama­li­ge Kaplan von Hoch­dorf, Josef Leonz Blum, eine Schu­le ein­zu­rich­ten. Sei­ne Idee: «Der weib­li­chen Jugend, den zukünf­ti­gen Müt­tern des Vol­kes, soll eine zweck­mäs­si­ge Bil­dung auf kirch­li­cher Grund­la­ge ermög­licht wer­den.»

Bil­dung für Frau­en: Erstes Ziel der Ordensgemeinschaft

Die­ser Gedan­ke fand Anklang. Sie­ben leib­li­che Schwe­stern der Fami­lie Hart­mann aus Hohen­rain stell­ten sich die­ser Auf­ga­be und bega­ben sich am 2. Febru­ar 1830 unter der Lei­tung des Kaplans ins Schloss zu Bald­egg. Sie setz­ten sich für die Mäd­chen­bil­dung und für die Betreu­ung der Armen ein. Das war der Beginn der Ordens­ge­mein­schaft der Bald­eg­ger Schwe­stern. Bald kamen wei­te­re jun­ge Bau­ern­töch­ter dazu. Es bil­de­te sich die «Genos­sen­schaft armer Mäg­de bei St. Jost zu Bald­egg». Die reli­giö­se Gemein­schaft über­nahm die Ordens­re­gel des hei­li­gen Fran­zis­kus von Assi­si.Aller anfäng­li­chen Wid­rig­kei­ten zum Trotz blieb die Schwe­stern­ge­mein­schaft bestehen und war für Gene­ra­tio­nen von Kin­der­gärt­ne­rin­nen, Primar‑, Hand­ar­beits- oder Haus­wirt­schafts­leh­re­rin­nen, haus­wirt­schaft­li­che Betriebs­lei­te­rin­nen, Heim­erzie­he­rin­nen oder Kran­ken­schwe­stern Aus­bil­dungs­stät­te.

2005: Über­ga­be  des Töch­ter-Insti­tuts an den Kanton

Schliess­lich zeich­ne­te sich um die Jahr­tau­send­wen­de eine Berei­ni­gung der Bil­dungs­land­schaft ab. 2005 über­ga­ben des­halb die Bald­eg­ger Schwe­stern ihre Schul­räu­me dem Kan­ton Luzern. So prangt über dem Ein­gang des 1903 erstell­ten Gebäu­des zwar nach wie vor der Schrift­zug «Töch­ter-Insti­tut Bald­egg», rechts davon aber ver­weist eine leuch­tend rote Tafel auf die heu­ti­ge Nut­zung: Kan­tons­schu­le See­tal.«Im alten Klo­ster­teil wur­den die Räu­me eben­falls zuse­hends lee­rer, dafür Res­sour­cen frei», erin­nert sich Schwe­ster Gabri­el­le Mei­er. «Also ging es dar­um, etwas ins Leben zu rufen, das im Grund­satz zu uns passt und Per­spek­ti­ve hat.» Schwe­ster Gabri­el­le Mei­er ergänzt: «Es brauch­te auf jeden Fall den Mut, Sachen zu ver­wer­fen, wenn es aus irgend­ei­nem Grund nicht stimm­te. Selbst wenn wir jeweils den näch­sten Schritt noch nicht sahen.» Schwe­ster Kat­ja Mül­ler: «Wir leben vom Glau­ben, dass sich der näch­ste Schritt zeigt. So war es immer in unse­rer Geschich­te.» Schwe­ster Gabri­el­le Mei­er: «Es pas­sie­ren Sachen, die man nicht erwar­tet. Dar­um gilt es, offen zu sein.»

2009: Klo­ster­her­ber­ge eröffnet

Die­se inne­re Hal­tung wider­spie­gelt sich im Äus­se­ren. Die 2009 eröff­ne­te Klo­ster­her­ber­ge im alten Klo­ster­teil wird haupt­säch­lich von der 13-köp­fi­gen «Gemein­schaft Klo­ster­her­ber­ge» geführt. Deren Obe­rin ist Schwe­ster Kat­ja Mül­ler: «Wir bie­ten schö­ne, offe­ne, wei­te, redu­zier­te Räu­me. Das hat eine Wir­kung auf die Men­schen von heu­te.»Die bei der Klo­ster­her­ber­ge feder­füh­ren­de «Gemein­schaft Klo­ster­her­ber­ge» wohnt auch im see­sei­ti­gen Klo­ster­teil. Ob geist­li­che Beglei­tung, Mär­li­ka­fi oder Krea­tiv-Werk­statt: Wer sich durch das viel­ge­stal­ti­ge Ange­bot der Klo­ster­her­ber­ge liest, staunt ob der Fül­le. Schwe­ster Kat­ja Mül­ler: «Ja, wir kön­nen den gröss­ten Teil des Ange­bots aus eige­nen Kräf­ten bewäl­ti­gen. Alle Schwe­stern, die frü­her in der Schu­le tätig waren, ori­en­tier­ten sich neu, erwei­ter­ten ihr Wis­sen.»

«Für vie­le ein Stück Heimat»

«Die Klo­ster­her­ber­ge ist ein kom­ple­xes Haus mit ver­schie­den­sten Schau­plät­zen. Da braucht es sau­be­re Abspra­chen und ein Hand-in-Hand-Arbei­ten in unse­rem ‚Fami­li­en­be­trieb’», wis­sen die bei­den Haupt­ver­ant­wort­li­chen. Zum Erfolg der ersten Deka­de Klo­ster­her­ber­ge hat zudem bei­getra­gen, dass die Schwe­stern stets wach­sam waren bei Anfra­gen und Ideen. «Neu­es nicht gleich ver­wer­fen, son­dern zuerst über­prü­fen», heisst die Devi­se.Über­dies sind die Bald­eg­ger Schwe­stern weit ver­netzt. Schwe­ster Kat­ja Mül­ler: «Wenn ich nur an die zahl­rei­chen Klas­sen­tref­fen ehe­ma­li­ger Schü­le­rin­nen hier im Haus den­ke.» Schliess­lich wird die Bezie­hungs­ar­beit her­vor­ge­ho­ben, die auf Ver­läss­lich­keit beruht. «Dadurch ist die Klo­ster­her­ber­ge für vie­le Gäste ein Stück Hei­mat gewor­den.»

Fen­ster zum Himmel

Mei­er und Mül­ler. Ganz so ein­fach wie mit den Namen der bei­den Gesprächs­part­ne­rin­nen ver­hält es sich auch nicht beim Blick in die Zukunft der Klo­ster­her­ber­ge. Bis zum 5. August macht sie Som­mer­pau­se. Danach geht es wei­ter in klei­nen Schrit­ten und getra­gen vom stän­di­gen Hin­ter­fra­gen, wie es Schwe­ster Kat­ja Mül­ler for­mu­liert: «Wie kön­nen wir den Men­schen von heu­te nahe sein, Räu­me für die See­le aus­spa­ren und Fen­ster zum Him­mel offenhalten?»
Andreas C. Müller
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