Zu hohe Hür­de für Lit­ur­gie durch Laien?

Zu hohe Hür­de für Lit­ur­gie durch Laien?

Die einen wol­len Wort-Got­tes-Fei­ern am Sonn­tag durch­füh­ren und lei­ten – die ande­ren wol­len sie dafür aus­bil­den. Was nach einer guten Balan­ce zwi­schen Nach­fra­ge und Ange­bot klingt, erweist sich als die zwei Ufer eines Flus­ses, über den es auf den ersten Blick weder Fäh­re noch Brücke gibt.Auf dem einen Ufer ste­hen zum Bei­spiel Susan­ne Wiet­lis­bach, Rita Brem-Ingold und Cli­via Kemp­ter. Seit rund 14 Jah­ren gestal­ten die drei Frau­en an zehn Sonn­ta­gen im Jahr in der Klo­ster­kir­che von Her­met­schwil eine Wort-Got­tes-Fei­er mit Kom­mu­ni­ons­pen­dung für die Gläu­bi­gen des Ortes. Gemein­sam mit ihnen ste­hen auf dem Ufer auch weni­ger erfah­re­ne Lai­en. Frau­en und Män­ner, die sich erst frisch in Grup­pen zusam­men­fin­den, um in ihren Pfar­rei­en Wort-Got­tes-Fei­ern zu fei­ern. Wol­len sie das machen, brau­chen sie – so haben es die Diö­ze­san­bi­schö­fe fest­ge­legt – nicht nur die Beauf­tra­gung durch den zustän­di­gen Pfar­rer oder sei­nen Stell­ver­tre­ter, son­dern zunächst eine ent­spre­chen­de Aus­bil­dung. Die liegt sozu­sa­gen auf dem gegen­über­lie­gen­den Ufer und ruft Skep­sis her­vor.

Aus­bil­dungs­mo­no­pol schreckt ab

«Lit­ur­gie im Fern­kurs» heisst die Aus­bil­dung, die von der Deutsch­schwei­ze­ri­schen Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz (DOK) bis­her als ein­zi­ge ent­spre­chen­de Aus­bil­dung aner­kannt ist. Ange­bo­ten und durch­ge­führt wird der Fern­kurs vom Lit­ur­gi­schen Insti­tut der deutsch­spra­chi­gen Schweiz in Fri­bourg. Ent­wickelt wur­de er vom Deut­schen Lit­ur­gi­schen Insti­tut in Trier, das Öster­rei­chi­sche Lit­ur­gi­sche Insti­tut in Salz­burg hat ihn eben­falls im Pro­gramm. Über rund 12 Mona­te Grund­kurs erar­bei­ten die Teil­neh­men­den im Selbst­stu­di­um sie­ben Lehr­brie­fe à 70 bis 90 Sei­ten. Dazu kom­men vier Kurs­ta­ge sowie Pra­xis­übun­gen in der Hei­mat-Pfarr­ge­mein­de. Dort wer­den die Teil­neh­men­den durch einen Men­tor oder eine Men­to­rin beglei­tet. Das kön­nen Erwach­se­nen­bild­ner wie der Theo­lo­ge Jür­gen Hein­ze oder auch Seel­sor­ger wie Dia­kon Andre­as Boss­mey­er sein.Bei­de Theo­lo­gen haben Erfah­run­gen mit Lit­ur­gie­grup­pen und auch mit den ent­spre­chen­den Aus­bil­dun­gen. Andre­as Boss­mey­er, der frü­her im deut­schen Bis­tum Lim­burg im Dienst war, gibt zu, er sei «skep­tisch bei den Aus­bil­dun­gen. In Deutsch­land war es so, dass wir zahl­rei­che Lai­en aus­ge­bil­det haben, und danach durf­ten sie doch nicht die Wort-Got­tes-Fei­ern lei­ten, weil Prie­ster vor Ort oder die Bischö­fe das nicht gou­tier­ten». Eine Fra­ge, die sich in einem libe­ra­len Bis­tum wie Basel viel­leicht nicht unbe­dingt stellt. Dass es Anlei­tung geben soll, steht für Andre­as Boss­mey­er aus­ser Fra­ge. Jür­gen Hein­ze von Bil­dung und Prop­stei pflich­tet bei: «Die ange­hen­den Lai­en­lit­ur­gen brau­chen eine fun­dier­te Aus­bil­dung. Doch Lit­ur­gie im Fern­kurs hat als ein­zi­ges aner­kann­tes Ange­bot eine Art Mono­pol­stel­lung und ist dabei sehr hoch­ste­hend». Mög­li­che Inter­es­sier­te könn­ten also abge­schreckt wer­den, ohne dass eine alter­na­ti­ve Aus­bil­dung exi­stiert.

Das Gefühl, für Lit­ur­gie-Kurs Matur nach­ho­len zu müssen

Die­se Ein­schät­zung tei­len auch die drei lit­ur­gie­er­fah­re­nen Frau­en aus Her­met­schwil. Alle absol­vier­ten Anfang der 2000er Jah­re die auf drei Jah­re ver­teil­te Aus­bil­dung «Got­tes­dienst gestal­ten und lei­ten» in der Prop­stei Wis­li­kofen. Die­ses Ange­bot wur­de in das Lit­ur­gie­mo­dul der Kate­che­ti­schen Aus­bil­dung Modu­lA­ar über­führt, die aus­schliess­lich auf ange­hen­de Kate­che­ten und Kate­che­tin­nen aus­ge­legt ist. «Ich fin­de es scha­de, dass es die Aus­bil­dung so nicht mehr gibt», sagt Rita Brem-Ingold. Und Susan­ne Wiet­lis­bach ergänzt: «Wich­tig ist, dass es eine Aus­bil­dung gibt, bei der man nicht am Anfang denkt‚ da muss ich erst die Matur nach­ho­len, bevor ich das schaf­fe». Cli­via Kemp­ter fügt noch einen drit­ten Aspekt hin­zu: «Die Leu­te, die sich viel­leicht inter­es­sie­ren, wol­len genau­er wis­sen, was sie erwar­tet. Die kau­fen nicht die Kat­ze im Sack, und wenn der Zeit­auf­wand zu gross wird, inve­stie­ren sie die­se Zeit lie­ber in die beruf­li­che Wei­ter­bil­dung». Es herrscht also Skep­sis auf die­ser Sei­te des Flus­ses.Auf dem gegen­über­lie­gen­den Ufer und bestens mit dem Fern­kurs Lit­ur­gie ver­traut, steht Gun­da Brüs­ke Rede und Ant­wort. Sie ist Co-Lei­te­rin am Lit­ur­gi­schen Insti­tut der deutsch­spra­chi­gen Schweiz und führt den Fern­kurs Lit­ur­gie durch. Seit 1994 gibt es das Ange­bot, schon damals im Zusam­men­hang mit der Über­le­gung, dass irgend­wann Lai­en gebraucht wer­den, die Wort-Got­tes-Fei­ern lei­ten kön­nen. Den Vor­wurf, der Fern­kurs sei zu anspruchs­voll, lässt sie nicht gel­ten: «Wir haben im Schnitt alle zwei Jah­re zwi­schen 15 und 20 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer. Ich habe zwar kei­ne Daten bezüg­lich der Bil­dungs­ab­schlüs­se der Teil­neh­men­den, doch die Her­aus­for­de­run­gen zu Kurs­be­ginn haben mehr mit der lit­ur­gi­schen Vor­bil­dung zu tun, als mit dem Schul­ab­schluss. Mit dem Niveau hat es bis­her kei­ne mir bekann­ten Pro­ble­me gege­ben».Schüt­zen­hil­fe bekommt sie in die­sem Punkt von Chri­sta Kauf­mann. Die Sekre­tä­rin an der Fach­stel­le für Reli­gi­ons­päd­ago­gik in Zürich hat den Fern­kurs von 2010 bis 2012 absol­viert. «Der Kurs ist sicher anspruchs­voll, er setzt vor allem per­sön­li­ches Inter­es­se – und Dran­blei­ben – vor­aus. Für die Bear­bei­tung eines Lehr­brie­fes (zir­ka 80 Sei­ten) nahm ich mir etwa einen Monat Zeit», erin­nert Chri­sta Kauf­mann sich. Sie ist im Katho­li­schen Kir­chen­zen­trum Brugg-Nord enga­giert, unter ande­rem im Team, das ein­mal im Monat eine Wort-Got­tes-Fei­er vor­be­rei­tet und durch­führt. Der Kurs, so erklärt sie wei­ter, sei gut auf­ge­baut. Zudem sei­en alle Ter­mi­ne weit im Vor­aus bekannt, was eine gute Pla­nung ermög­li­che.

Bischof könn­te ande­re Aus­bil­dung zulassen

Was Gun­da Brüs­ke nach­voll­zie­hen kann, ist die Skep­sis bezüg­lich des deut­schen Ursprungs. «Es ist tat­säch­lich so, dass sich die Kir­che in Deutsch­land und die in der Schweiz pasto­ral und lit­ur­gisch soweit unter­schei­den, dass zusätz­li­che Pas­sa­gen für die Schwei­zer Ver­si­on des Fern­kurs‘ geschrie­ben wur­den. Gemein­de­lei­ter und –lei­te­rin­nen kom­men in den Brie­fen zum Bei­spiel nicht vor, obwohl es sie in der Schweiz und auch Öster­reich gibt. Des­halb emp­fin­den die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer die Brie­fe manch­mal als ‚sehr deutsch‘», erklärt Gun­da Brüs­ke. Eben­falls wert­voll fin­det sie den Hin­weis auf «die Kat­ze im Sack», die mög­li­che Inter­es­sier­te nicht unbe­se­hen kau­fen wol­len. Viel­leicht sei es ein Weg, Pro­be­aus­zü­ge an Inter­es­sier­te und in der Erwach­se­nen­bil­dung Täti­ge abzu­ge­ben, damit die­se sich ein eige­nes Bild vom Fern­kurs machen und bes­ser infor­mie­ren könn­ten.Bleibt die Fra­ge nach der Mono­pol­stel­lung. «Wir haben mit dem Fern­kurs im Moment die ein­zi­ge aner­kann­te Aus­bil­dung für Lai­en, die Wort-Got­tes-Fei­ern am Sonn­tag durch­füh­ren und lei­ten wol­len, das stimmt. Doch das ist nicht in Stein gemeis­selt. Der­je­ni­ge, der auch ande­re Aus­bil­dun­gen aner­ken­nen kann, ist abge­se­hen von der DOK der jewei­li­ge Diö­ze­san­bi­schof», erklärt Gun­da Brüs­ke. Eine Anfra­ge beim Bis­tum Basel, ob Felix Gmür grund­sätz­lich bereit wäre, mög­li­che alter­na­ti­ve Aus­bil­dungs­an­ge­bo­te zu prü­fen und für sein Bis­tum anzu­er­ken­nen, heisst es kurz: «Das The­ma ist bei uns in Bear­bei­tung und wird offen­bar auch in der DOK dis­ku­tiert. Ein Ergeb­nis liegt der­zeit noch nicht vor». Die Nach­fra­ge bei der DOK ergibt: Auf­grund ver­schie­de­ner Anfra­gen wird das The­ma grund­sätz­lich dis­ku­tiert.

Enga­gier­te Lai­en kom­pen­sie­ren Personalmangel

Wenn Cli­via Kemp­ter, Rita Brem-Ingold und Susan­ne Wiet­lis­bach in der hel­len Dorf­stu­be in Her­met­schwil von den Anfän­gen ihrer Lit­ur­gie­grup­pe erzäh­len, wird deut­lich, wie wich­tig es ist, dass sich an der jet­zi­gen Situa­ti­on etwas ändert. Die Grup­pe ent­stand aus dem Pfar­rei­rat, der bald Zwan­zig­jahr­ju­bi­lä­um hat und vom Bene­dik­ti­ner­pa­ter Boni­faz Klin­gler gegrün­det wur­de. «Er woll­te, dass Lit­ur­gie und Seel­sor­ge breit abge­stützt sind und die Pfarr­ge­mein­de vor Ort nicht nur ver­wal­tet wird. Er wünsch­te sich Leu­te, die mit­ge­stal­ten. ‚Ihr wer­det nach mei­nem Weg­gang nicht so schnell einen neu­en Pfar­rer bekom­men‘, das war ihm klar im Jahr 2005», erzäh­len die drei Frau­en. Eine Situa­ti­on, die in Zukunft ver­mehrt vor­kom­men wird.Dabei beweist das Bei­spiel Her­met­schwil, dass es auch anders geht: Mit muti­gen und enga­gier­ten Frau­en – andern­orts auch Män­nern – die ger­ne eine fun­dier­te lit­ur­gi­sche Aus­bil­dung absol­vie­ren, wenn sie in ihren nor­ma­len All­tag mit Beruf und Fami­lie inte­griert wer­den kann. Regio­na­le Nähe, nen­nen Susan­ne Wiet­lis­bach, Rita Brem-Ingold und Cli­via Kemp­ter als ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um. Ein wei­te­rer Grund, aus dem auch Gun­da Brüs­ke alter­na­ti­ve Aus­bil­dun­gen für wich­tig hält: «Man­che Teil­neh­men­den zie­hen regio­na­le Ange­bo­te vor». Gleich­zei­tig erle­be sie die Gesprä­che an den Kurs­ta­gen, den Aus­tausch über die Situa­tio­nen in unter­schied­li­chen Bis­tü­mern, Regio­nen oder zwi­schen Stadt und Land als wert­voll.Es wer­den also Lai­en gebraucht. Und es braucht eine Lösung für das beschrie­be­ne Aus­bil­dungs­di­lem­ma. Sol­len Lai­en Wort-Got­tes-Fei­ern vor­be­rei­ten und lei­tend durch­füh­ren, brau­chen sie zunächst eine vom Bischof aner­kann­te Aus­bil­dung, die ihnen auch Sicher­heit gegen­über Prie­stern gibt, die Lai­en in der Lit­ur­gie skep­tisch gegen­über ste­hen. Ist der aner­kann­te Aus­bil­dungs­weg jedoch alter­na­tiv­los und der­ge­stalt, dass er Inter­es­sier­te abhält, ver­lie­ren die Pfarr­ge­mein­den nicht nur enga­gier­te Men­schen. Es kann sein, dass dann man­cher­orts lit­ur­gisch ‚ein­fach gemacht‘ und damit lit­ur­gi­schem Wild­wuchs Vor­schub gelei­stet wird. Und damit ist nie­man­dem gedient; weder den Lai­en, noch den Gemein­den, noch dem Wort Got­tes. Für alle Interessierten:Wort-Got­tes-Fei­ern fei­ern und vor­be­rei­ten — Bil­dung und PropsteiLit­ur­gie im Fern­kurs — Lit­ur­gi­sches Insti­tut der deutsch­spra­chi­gen SchweizUpdate 19. Mai 2017: Ganz unten auf der Sei­te des Fern­kurs Lit­ur­gie ist ein Pro­be­aus­zug aus dem ersten Lehr­brief verlinkt.
Anne Burgmer
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