Wo Asylsuchende im Aargau unterkommen

Wo Asylsuchende im Aargau unterkommen

Die vorhan­de­nen Räume für die Asyl­suchen­den im Kan­ton Aar­gau reichen schlicht nicht aus. Gebraucht wür­den zusät­zlich zwis­chen 200 bis 250 Plätze monatlich. Kön­nen sich die Kirchen in dieser Sit­u­a­tion ein­brin­gen und gemäss ihrem diakonis­chen Auf­trag die staatlichen Gremien unter­stützen, um weit­ere Räume zu find­en? Wer geht dabei auf wen zu? Wird über den eige­nen Garten­za­un geschaut und offen und inno­v­a­tiv nach neuen Möglichkeit­en Auss­chau gehal­ten? Eine unvoll­ständi­ge Umschau im Kan­ton.Dien­sta­gnach­mit­tag in der let­zten Juli­woche in Aarau: Die Stadt zeigt sich som­mer­lich. Viele sind in die Ferien ver­reist. Aber auch die Her­reise in die Kan­ton­shaupt­stadt ist zurzeit ein The­ma. Da es nicht nur schweizweit, son­dern auch im Aar­gau an Raum für Asyl­suchende fehlt, wer­den in Aarau zurzeit sieben Armeezelte für rund 60 bis 70 Per­so­n­en aufge­baut. Noch in dieser Woche sollen Flüchtlinge im ersten Zelt ein Dach über dem Kopf erhal­ten. Etap­pen­weise wer­den die weit­eren Asyl­suchen­den, die im Moment noch in einem Erstauf­nah­mezen­trum leben, in den Zel­ten eine zeitlich befris­tete Auf­nahme find­en.Kan­ton hofft auf Hil­fe von Seit­en der Kirchen «Zuständig für das Suchen und Find­en von Unter­bringungsmöglichkeit­en für Asyl­suchende ist von Geset­zes wegen der Staat», sagt Balz Brud­er, Sprech­er des Departe­ments Gesund­heit und Soziales im Kan­ton Aar­gau. Unter­stützung von Seit­en der Kirchen bei der Raum­suche, beziehungsweise beim Anbi­eten von geeigneten Liegen­schaften für Flüchtlinge, sei jedoch dur­chaus wün­schenswert. Die Kirchen hät­ten in der jet­zi­gen Phase in diesem Punkt aber kaum Hil­fe ange­boten. «Aus­nah­men bestäti­gen die Regel: Von der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau kon­nte eine Liegen­schaft in Aarau über­gangsweise angemietet wer­den», sagt Balz Brud­er. Und weit­er: Generell gebe es im Asyl­bere­ich eine gute Zusam­me­nar­beit zwis­chen dem Staat auf der einen und den Kirchen und ihren Hil­f­swerken auf der anderen Seite. Brud­er sagt: «Ins­beson­dere bei der Betreu­ung von Flüchtlin­gen sowie beim Erteilen von Deutschkursen ist die Zusam­me­nar­beit mit den Kirchen und Hil­f­swerken gut». Zu erwäh­nen sei etwa Car­i­tas Aar­gau, die in gemein­samer Träger­schaft mit HEKS eine Sozial­ber­atungsstelle für Asyl­suchende, für Asyl­suchende mit einem Neg­a­tiventscheid (abgewiesene Asyl­suchende) oder einem Nichtein­tretensentscheid sowie für Sans-Papiers führt. «Berat­en wird vor allem zu Deutschkursen sowie zu Beschäf­ti­gungsmöglichkeit­en während der Zeit im Asyl­sta­tus, aber auch zu Fra­gen im Zusam­men­hang mit der Unter­bringung, der Zukun­fts­gestal­tung, Schwierigkeit­en im Umgang mit Behör­den, Nothil­fen und rechtlichen Fra­gen mit Aus­nahme von Asyl­recht», informiert Chris­t­ian Eck­er­lein von Car­i­tas Aar­gau.Ein­bezug der Klöster noch unklar Laut Balz Brud­er wäre es sehr wün­schenswert, wenn «die Kirchen aus ihrem Immo­bilien-Porte­feuille Liegen­schaften für die Unter­bringung der Flüchtlinge zur Ver­fü­gung stellen kön­nten». Die kan­tonalen Behör­den hät­ten sich mit der Bitte um Hil­fe bei der Suche nach Räu­men wieder­holt an die Lan­deskirchen gewandt und um Unter­stützung gewor­ben. Der let­zte Aufruf sei vor rund drei Wochen erfol­gt, als Gemein­den, Lan­deskirchen und NGOs in der Sache um Hil­fe ange­fragt wur­den. Falls das Ange­bot an den Kan­ton Aar­gau herange­tra­gen würde, Asyl­suchende in Klöstern unterzubrin­gen, würde auch diese Option mit Sicher­heit geprüft. Die Klöster wur­den aber nicht direkt angeschrieben. Von den Klöstern im Aar­gau, die vom Aar­gauer Pfar­rblatt Hor­i­zonte zum The­ma ange­fragt wur­den, melde­ten sich zwei zurück. Pri­or­in Irene Gassmann vom Kloster Fahr bestätigt, dass man nicht ange­fragt wor­den sei. Es wäre derzeit mit dem Umbau des Klosters aber auch nicht möglich, Flüchtlinge aufzunehmen. Wie die Sit­u­a­tion in einem Jahr ausse­he, wisse sie noch nicht. «Wenn es zu ein­er Auf­nahme kommt, wür­den wir Frauen und Kinder aufnehmen», sagt sie. Das sei übri­gens auch im zweit­en Weltkrieg so gewe­sen. Äbtissin M. Ange­li­ka Streule, Vorste­herin des Benedik­tiner­in­nen­klosters St. Mar­tin in Her­metschwil, das zu Brem­garten gehört, ver­weist in Bezug auf Räume auf das «gut funk­tion­ierende Asylzen­trum» in Brem­garten. Die eigentliche Auf­gabe des Klosters sei es, den Flüchtlin­gen «in der Kirche und mit Gesprächen eine geistliche Heimat für die Seele zu bieten».Die Kirche als Brück­en­bauerin Mar­cel Not­ter, Gen­er­alsekretär der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche im Kan­ton Aar­gau, berichtet, dass die Kirche dem Staat bere­its ver­schieden­erorts Räum­lichkeit­en zur Ver­fü­gung stellen kon­nte. Er nen­nt etwa die Liegen­schaft an der Lau­ren­zen­vorstadt 71, die dem Kan­tonalen Sozial­dienst ver­mi­etet wurde. Bere­its sind 15 Asyl­suchende einge­zo­gen (Hor­i­zonte berichtete). Schon vorher kon­nte in Aar­burg eine Flüchtlings­fam­i­lie in einen Grup­pen­raum der Lan­deskirche einziehen. In der Kirchge­meinde Wohlen wurde zudem das soge­nan­nte Pfar­rhelfer­haus für die Unter­bringung von Flüchtlin­gen an den Kan­ton ver­mi­etet. Auch die Zusam­me­nar­beit der Kirchen mit den poli­tis­chen Gremien in Brem­garten funk­tion­iere gut, weiss Mar­cel Not­ter. Kurz nach dem Entscheid des Bun­des, in Brem­garten ein Bun­de­sa­sylzen­trum einzuricht­en, gelang es den Aar­gauer Lan­deskirchen, gemein­sam zwei Seel­sor­gende anzustellen. Es sind dies von katholis­ch­er Seite der Sozialar­beit­er und Sozialpäd­a­goge Jaime Armas aus Neuen­burg am Rhein (Deutsch­land) sowie von reformiert­er Seite die Sozial­diakonin Marie-Eve Morf aus Brem­garten. Ins­ge­samt deck­en die bei­den Seel­sor­gen­den 90 Stel­len­prozente ab. Sie arbeit­en mit der Leitung, den Betreuen­den und dem Sicher­heitsper­son­al des Zen­trums zusam­men und beziehen die umliegen­den Kirchge­mein­den und Pfar­reien in die Zusam­me­nar­beit ein. Mar­cel Not­ter dazu: «Dadurch tra­gen sie zu ein­er Sen­si­bil­isierung für die Lebenssi­t­u­a­tion der Asyl­suchen­den in der Bevölkerung im Umfeld des Zen­trums bei».Kirchen­rat weibelt schon länger bei den Kirchge­mein­den Das Bewusst­sein für die Raum­not ist nicht erst seit gestern vorhan­den. Bere­its im Jahr 2012 rief Luc Hum­bel, Präsi­dent des Kirchen­rats der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau, alle Kirchge­mein­den dazu auf, die Unter­bringung von Asyl­suchen­den in leer­ste­hen­den Gebäu­den zu prüfen. Gen­er­alsekretär Mar­cel Not­ter bestätigt, dass es nach wie vor an Räu­men fehlt und weit­ere Anstren­gun­gen nötig sind, um das Prob­lem zu entschär­fen. Dabei sei die katholis­che Lan­deskirche im Aar­gau weit­er­hin gefragt. Von einem weit­eren Ange­bot für Flüchtlinge berichtet Frank Krause, Sozial­diakon in der Pfar­rei Peter und Paul, Aarau. «Schon seit mehr als 20 Jahren führen wir das “Offene Pfar­rhaus,” in dem auch sehr viele Asyl­suchende ein- und aus­ge­hen». Die Pfar­rei stellt dem «Net­zw­erk Asyl» zudem kosten­los Räume für den «con­tact», einen von Frei­willi­gen betreuten Tre­ff für Asyl­suchende zur Ver­fü­gung.Men­ziken: Pfar­rei im Kon­takt mit Flüchtlin­gen Bere­its bekan­nt ist die Sit­u­a­tion in Men­ziken, wo im ehe­ma­li­gen Gasthaus «Ster­nen» erste Flüchtlinge einge­zo­gen sind. Piotr Pal­czyn­s­ki, Pfar­rad­min­is­tra­tor von der katholis­chen Pfar­rei St. Anna in Men­ziken, hat­te bei der Anfrage erst aus der Zeitung über die Unter­bringung von Asy­lanten im «Ster­nen» gehört. Mit den bere­its im Ort leben­den Asyl­suchen­den an der Pila­tusstrasse in Men­ziken hätte die Pfar­rei aber «schöne Begeg­nun­gen gehabt». Pal­czyn­s­ki erzählt: «Einige kamen zu den Gottes­di­en­sten. Ein­mal haben wir zudem einen Gottes­di­enst auf Englisch gehal­ten, und einige Hin­dus besuchen gerne unsere Kirche. Von der Stat­ue der Heili­gen Anna sprachen sie als eine schöne Göt­tin». Der Pfar­rer sagt aber auch, dass die Pfar­rei wed­er über die per­son­ellen noch finanzielle Ressourcen ver­füge, um die Asyl­suchen­den indi­vidu­ell zu betreuen. Pal­czyn­s­ki ist in der Seel­sorge mit­tler­weile allein zuständig für die rund 5 500 Katho­liken im Ort. Die Betreu­ung der Flüchtlinge liege in erster Lin­ie bei den poli­tis­chen Gremien, so der Geistliche. Poli­tisch habe Men­ziken bere­its einen sehr hohen Aus­län­der­an­teil, über­durch­schnit­tlich viel für die Schweiz. Dies wider­spiegle sich auch in der Pfar­rei. Die Pfar­reiange­höri­gen kämen aus Ital­ien, Kroa­t­ien, dem Koso­vo, aus Por­tu­gal, Spanien und Deutsch­land. Falls Moslems bei den Asyl­suchen­den sind, so wün­scht sich Piotr Pal­czyn­s­ki, «wäre es sicher­lich von Vorteil, die lokalen Moscheen zu involvieren».Villmer­gen ver­weist auf Solothurn Auch in Villmer­gen wer­den zurzeit Zelte für Asyl­suchende errichtet. Auf Anfrage bei der Pfar­rei, wie auf die Not der Flüchtlinge vor der Haustür reagiert wer­den soll, wird aber einzig auf die Press­es­telle des Bis­tums Basel ver­wiesen. Urs Brun­ner, Pas­toralver­ant­wortlich­er des Bis­tums Basel in Solothurn, meint auf Anfrage: «Primär ist die poli­tis­che Ebene ver­ant­wortlich für die Suche nach Räu­men für Asyl­suchende. Die Bis­tum­sleitung ist nicht in diese oper­a­tive Ebene einge­bun­den». Urs Brun­ner ist aber froh, dass die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche Aar­gau schon vor drei Jahren dazu aufgerufen hat, allfäl­lig leer­ste­hende Räum­lichkeit­en für Asyl­be­wer­bende freizugeben. Die Bis­tum­sleitung begrüsse es zudem, wenn lokale Kirchenpfle­gen die Ini­tia­tive ergreifen. Als weit­ere Möglichkeit sieht Urs Brun­ner einen run­den Tisch, um die Suche nach Räu­men mit allen beteiligten Gremien zu koor­dinieren.Seel­sorg­er in der Pfar­rei kön­nen wichtige Rolle spie­len Der Pas­toralver­ant­wortliche in Solothurn ist weit­er überzeugt, dass Seel­sorg­er durch ihre vielfälti­gen Ver­net­zun­gen fähig sind, Pfar­reiange­hörige auf die brisante Flüchtlingssi­t­u­a­tion hin zu sen­si­bil­isieren. Ein Mit­tel dazu sei das soge­nan­nte «Sto­ry-Telling», um mit konkreten Beispie­len zu zeigen, wie schwierig die Sit­u­a­tion für Leute ist, die aus Not in die Schweiz flücht­en mussten. Zudem kön­nten gezielte Predigten zum The­ma «Gast­fre­und­schaft in der Kirche leben» ein Weg sein, um den poli­tis­chen Wider­stand vor Ort zu min­imieren. Flucht und Gast­fre­und­schaft seien bib­lis­che Grundthe­men. In diesem Zusam­men­hang ver­weist Urs Brun­ner auf die Bibel. Im Hebräer­brief 13 ste­he beispiel­sweise: «Vergesst die Gast­fre­und­schaft nicht. Denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.»Gemäss Umfrage Engage­ment von Pfar­reien erwün­scht Sollen Pfar­reien in der Flüchtlings-Frage über­haupt aktiv wer­den? Das fragte sich auch Mar­tin Spilk­er, lei­t­en­der Redak­tor des katholis­chen Medien­zen­trums in Zürich. Die Diskus­sion sei an «kath.ch» herange­tra­gen wor­den, so dass sich das Team entschloss, dies­bezügliche Fra­gen online zu stellen. Abges­timmt wer­den kon­nte über fol­gende drei Punk­te: «Sollen sich Pfar­reien aktiv an der Lösung der Flüchtlings­frage beteili­gen?», «Nein, das ist Sache des Staates» oder «Die Debat­te inter­essiert mich nicht». Zwar ist die Umfrage nicht repräsen­ta­tiv und wurde wohl ferien­hal­ber nicht von vie­len angek­lickt. Ein Trend ist aber doch ersichtlich: Von den bish­er abgegebe­nen 67 Stim­men votierten 55 Per­so­n­en (82,9 Prozent) dafür, 10 (14,93 Prozent) dage­gen. Nur 2 Per­so­n­en (2.98 Prozent) gaben an, dass sie das The­ma nicht inter­essiere.
Andreas C. Müller
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