«Wir haben uns gleich in die­ses Tal verliebt»

Ein wech­sel­vol­les Vier­tel­jahr­hun­dert liegt hin­ter den Cla­ra-Schwe­stern. Gestern Sonn­tag fei­er­te die aus drei Schwe­stern bestehen­de Gemein­schaft im Lau­ren­zen­bad ihr 25-jäh­ri­ges Bestehen. Obe­rin Mir­jam liess Höhe- und Tief­punk­te der ver­gan­ge­nen Jah­re Revue pas­sie­ren. Und sie ver­riet, war­um die Cla­ra-Schwe­stern anstatt auf einem Hügel nun in der Tal­sen­ke bei Erlins­bach glück­lich gewor­den sind. Herz­haft beisst Obe­rin Mir­jam in ihre Brat­wurst. Rund­um an den Tischen sit­zen die Gäste essend und plau­dernd bei­sam­men. Im Schat­ten des Baums ruht ein Hund. Beroï und Mira, die bei­den Esel, gra­sen in voll­ende­ter Gelas­sen­heit.

Kon­tem­pla­ti­ver Ort

Vor sechs Jah­ren sind die Cla­ra-Schwe­stern im Lau­ren­zen­bad bei Erlins­bach ein­ge­zo­gen. Und es scheint ganz, als hät­te sich die Tal­sen­ke in die­ser Zeit ange­füllt mit der acht­sa­men Kon­tem­pla­ti­on, wel­che die fran­zis­ka­ni­sche Schwe­stern­ge­mein­schaft seit 25 Jah­ren täg­lich pflegt. Mensch, Tier und Natur füh­len sich hier gebor­gen. Dabei hat­te die Schwe­stern­ge­mein­schaft seit ihrer Grün­dung vor 25 Jah­ren so man­che Tur­bu­len­zen durch­zu­ste­hen.

Jun­ger Wein mit fri­schen Ideen

Nach dem Essen bit­tet Obe­rin Mir­jam die Gäste in den ersten Stock, wo sie das ver­gan­ge­ne Vier­tel­jahr­hun­dert Revue pas­sie­ren lässt. Eine klö­ster­li­che Gemein­schaft, erklärt sie, basie­re auf einer klö­ster­li­chen Grund­aus­bil­dung. Das Leben im Orden der Kapu­zi­ne­rin­nen bil­de­te die Grund­la­ge, auf der die inzwi­schen ver­stor­be­ne Schwe­ster Eli­sa­bet-Maria und Schwe­ster Mir­jam im Jahr 1992 ihre Gemein­schaft grün­de­ten. Die bei­den hat­ten sich im Klo­ster Namen Jesu in Solo­thurn ken­nen­ge­lernt. «Wir waren jun­ger Wein und hat­ten fri­sche Ideen», sin­niert Obe­rin Mir­jam mit einem Schmun­zeln. Doch den bei­den war es ernst: Obwohl sie sich erst 21 Tage kann­ten, weih­ten sich die bei­den am 4. Okto­ber 1992 dem Orden der Cla­ra-Schwe­stern.

«Die­se Schwe­stern müs­sen ver­rückt sein»

Als Bet­tel­or­den leben sie nach der ursprüng­li­chen Regel der hei­li­gen Cla­ra von Assi­si und leh­nen ein Ein­kom­men ab. Statt­des­sen leb­ten und leben sie aus­schliess­lich von Spen­den. Das stiess ab und zu auf Unver­ständ­nis: «Die­se Schwe­stern müs­sen ver­rückt sein», zitiert Obe­rin Mir­jam eine oft gehör­te Mei­nung. So waren sie von Anfang an dar­auf ange­wie­sen, dass ihnen jemand Obdach gewährt, einen Ort, an dem sie wir­ken konn­ten. Im ersten Jahr leb­ten sie in Ober­wil bei Zug und an zwei ver­schie­de­nen Orten im Wal­lis, bis sie Ende 1993 ins Klo­ster Wert­hen­stein im Kan­ton Luzern kamen.

Tür­chen gin­gen auf

Dort leb­ten und wirk­ten die Cla­ra-Schwe­stern bis ins Jahr 2000. Danach zogen sie ins thur­gaui­sche Sul­gen. Wo immer sie leb­ten, such­ten die Schwe­stern stets den Kon­takt zu den Men­schen, luden sie ein und pfleg­ten die Wall­fahrt. Reich gefüllt mit schö­nen und trau­ri­gen Momen­ten waren die ver­gan­ge­nen 25 Jah­re. Immer wie­der sei zum rich­ti­gen Zeit­punkt ein Tür­chen auf­ge­gan­gen, erzählt Obe­rin Mir­jam. Immer wie­der kamen Spen­den, wenn das Geld knapp wur­de.

Eine Kapel­le und zwei Quellen

Und mit dem Umzug ins Lau­ren­zen­bad bei Erlins­bach sind die Cla­ra-Schwe­stern end­gül­tig ange­kom­men. Das hät­ten Eli­sa­bet-Maria und sie schon gespürt, als sie im Spät­som­mer 2010 zum ersten Mal im Lau­ren­zen­bad aus dem Bus gestie­gen sei­en, um den Ort zu besich­ti­gen — obwohl ihnen eigent­lich ein Klo­ster auf einem Hügel vor­ge­schwebt sei, erin­nert sich Schwe­ster Mir­jam. «Wir haben uns gleich in die­ses Tal ver­liebt».Als sie ein Jahr spä­ter zu fünft hier ein­zo­gen, schloss sich ein Kreis. Denn das Lau­ren­zen­bad bei Erlins­bach war lan­ge Zeit ein spi­ri­tu­el­ler Ort. In der idyl­li­schen Tal­sen­ke stand im Mit­tel­al­ter eine dem früh­christ­li­chen Mär­ty­rer Lau­ren­ti­us geweih­te Kapel­le. Dane­ben ent­sprang eine Quel­le, die als «St. Lau­ren­zen­brun­nen» im 15. Jahr­hun­dert erwähnt ist. Nach dem Zer­fall oder der Zer­stö­rung der Kapel­le wur­de die St. Lau­ren­zen­quel­le im aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert als Heil­bad genutzt. Zuletzt dien­te das Gebäu­de im Lau­ren­zen­bad hun­dert Jah­re lang als Pfle­ge­heim.

Gele­gen­heit beim Schopf gepackt

Dass die Cla­ra-Schwe­stern hier und heu­te Spi­ri­tua­li­tät leben, ist das Ver­dienst ver­schie­den­ster Men­schen, die eine glück­li­che Gele­gen­heit beim Schopf gepackt haben. Der Sohn einer Erlins­ba­cher Fami­lie, der inzwi­schen in den Fran­zis­ka­ner­or­den ein­ge­tre­ten ist, lern­te die Cla­ra-Schwe­stern ken­nen und erfuhr, dass sie ihren Wir­kungs­ort Sul­gen im Thur­gau bald ver­las­sen muss­ten. Weil zur glei­chen Zeit das Pfle­ge­heim im Lau­ren­zen­bad auf­ge­löst und in die Kli­nik Bar­mel­weid inte­griert wur­de, kam ihm die Idee, die Schwe­stern­ge­mein­schaft könn­te ins leer­ste­hen­de Haus im Lau­ren­zen­bad ein­zie­hen.

Bet­tel­or­den kauft Haus

Inner­halb eines ein­zi­gen Jah­res wur­de aus der gewag­ten Idee Wirk­lich­keit. Im Rück­blick erschei­ne das wie ein Wun­der, fin­det einer der Initi­an­ten. Es ist das Ver­dienst eines gros­sen Krei­ses muti­ger Hel­fe­rin­nen und Hel­fer. In kur­zer Zeit gelang es, brei­te Unter­stüt­zung aus der Bevöl­ke­rung zu gewin­nen, wobei jeder sein Wis­sen ein­brach­te, um juri­sti­sche, bau­tech­ni­sche und theo­lo­gi­sche Fra­gen zu lösen. Und auch die Behör­den zeig­ten sich offen und ermög­lich­ten den Cla­ra-Schwe­stern, das Gebäu­de zu kau­fen. Bezah­len konn­te die Schwe­stern­ge­mein­schaft das Haus im Lau­ren­zen­bad mit Spen­den­gel­dern. 

St. Lau­ren­zen-Kafi

Die Cla­ra-Schwe­stern und das frei­wil­li­ge Kafi­team freu­en sich, Sie jeden 1. Sams­tag im Monat von 14 bis 17 Uhr, im St. Lau­ren­zen-Kafi ver­wöh­nen zu dürfen.www.clara-schwestern.ch     
Marie-Christine Andres Schürch
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